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Death Stranding (Action-Adventure) – Paket Gear Solid

Über kein Spiel der letzten Jahre wurde im Vorfeld so viel spekuliert wie über Death Stranding. Hideo Kojima deutete in Trailern und Präsentationen eine ebenso bizarre wie dämonische Zukunft mit mysteriöser Spielmechanik an, die man in keine bekannte Schublade stecken konnte. Die Erwartungshaltung erreichte parallel zur Skepsis ihren Höhepunkt, als der Schöpfer von Metal Gear Solid sogar ein neues Genre ankündigte. Was soll das sein: „Strandlikes“? Aber noch viel wichtiger: Was für ein Spiel steckt in diesem Abenteuer für PlayStation 4?

© Kojima Productions / Sony (PS4), 505 Games (PC)

Ein Einstieg wie ein Erdbeben

All das erlebt ihr quasi im Einstieg dieses Spiels, der nach den vier kosmologischen Explosionen der Einleitung selbst wie ein fünftes Erdbeben wirkt. Er hat mich jedenfalls komplett verblüfft, erstaunt und neugierig in die Couch sinken lassen. Die erste Stunde Death Stranding gehört hinsichtlich der Regie und der präsentierten Science-Fiction zum Besten, was ich in meiner Zeit als Spielekritiker erlebt habe. Hier lassen nicht nur Kafka und Shelley grüßen, hier wird unsere Gesellschaft kritisch gespiegelt und die Zukunft auf so kreative Art verzerrt, dass einem dieser fiktive Strang fast glaubwürdig erscheint.

Egal ob schauspielerische Leistung, und zwar inklusive der filmreifen deutschen Sprecher, musikalische Untermalung, technische Visualisierung oder bizarre Weltkonzeption, in der das Futuristische und Dämonische aufeinandertreffen: das ist einfach ein ästhetischer Genuss. Hideo Kojima demonstriert zudem, dass er eine wesentlich bessere Balance aus Film und Spiel findet als noch in Zeiten von Metal Gear, denn man kann viel früher selbst mit Sam losziehen. Interaktion und Inszenierung samt bekannter Schauspieler wechseln harmonisch, mit einem deutlichen Fokus auf das Spiel.  

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Auf geht’s! © 4P/Screenshot

Ich habe mich in den ersten Stunden so ähnlich gefühlt wie 1998 beim Spielen von Metal Gear Solid auf der PlayStation – das ist nicht nur der Codec mit seiner Ansprache, die an Colonel Campbell erinnert, da ist auch diese Neugier auf das Unentdeckte. Nicht weil Hideo Kojima da irgendeine bizarre Geschichte erzählt, sondern weil das Spiel als Ganzes, in seiner Art und Mechanik für eine besondere Anziehungskraft sorgt, für eine Art Sense of Wonder. Man will einfach wissen, was es verbirgt, weil man seine Funktionen nicht durchschaut. Es ist ein neues Spielzeug in einer Welt der tausend Spielzeuge.

Mit jedem Schritt mehr Spiel

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So eine Leiter kann helfen. © 4P/Screenshot

Und jetzt müsste das Tragische beginnen: Eigentlich kann ein Spiel nach so einem Start auf lange Sicht nur schlechter werden, nur enttäuschen. Es ist immer relativ einfach zum Start auf die Pauke zu hauen, aber umso schwerer, das Niveau danach zu halten – vor allem, wenn man kein dreistündiges Storytelling-Experiment, sondern einen spielmechanischen Frankenstein von 60 bis 100 Stunden auf die Reise schickt. Aber jetzt folgt das eigentlich Faszinierende: Mit jedem Schritt, den Sam Porter Bridges weiter Richtung Pazifik wandert, so wie Lewis & Clark im Jahre 1804 durch eine gefährliche, meist menschenleere Terra incognita, macht dieses Abenteuer mehr Spaß.  

Nicht als passive Metapher, nicht als narratives Experiment, sondern als komplettes Spiel, das bei all der Schwere des Themas, bei all seinen Horrortrips und Schocks, die einen wachrütteln, auch immer eine Hoffnung und ein Augenzwinkern parat hat: Gerade wurde man von schwarzen Händen fast in den Abgrund gerissen, dann marschiert ein Roboter singend mit seiner Fracht los – wie cool ist das? Der Spaß entsteht aber vor allem, weil Hideo Kojima nicht nur Story, sondern auch Erkundung, Kampf, Aufbau, Technologie, Schleichen, Taktik, Sammeln, Flucht, Täuschung, Physik, Akrobatik, Bosse, Routenplanung inszeniert – also ein Erlebnis in zig Facetten. Also rein ins Spiel!