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Death Stranding (Action-Adventure) – Paket Gear Solid

Über kein Spiel der letzten Jahre wurde im Vorfeld so viel spekuliert wie über Death Stranding. Hideo Kojima deutete in Trailern und Präsentationen eine ebenso bizarre wie dämonische Zukunft mit mysteriöser Spielmechanik an, die man in keine bekannte Schublade stecken konnte. Die Erwartungshaltung erreichte parallel zur Skepsis ihren Höhepunkt, als der Schöpfer von Metal Gear Solid sogar ein neues Genre ankündigte. Was soll das sein: „Strandlikes“? Aber noch viel wichtiger: Was für ein Spiel steckt in diesem Abenteuer für PlayStation 4?

© Kojima Productions / Sony (PS4), 505 Games (PC)

Online-Vernetzung

Sehr gelungen ist die bereits öfter erwähnte Online-Vernetzung mit anderen Spielern. Und gleich vorweg: Sie ist komplett optional, ihr könnt sie jederzeit deaktivieren. Aber wenn ihr euch verbindet, habt ihr mehr Möglichkeiten der Interaktion, ohne dass eure Welt von anderen Spielern geflutet wird – ihr seht nur ihre Konstruktionen. Auf der einfachsten Ebene kann man ähnlich wie in Dark Souls Hinweise zu Wegen, Gefahren oder Beute geben, indem man Schilder mit Symbolen aufstellt. Läuft man durch diese hindurch, regeneriert sich übrigens die Ausdauer. In vernetzten Regionen kann man aber auch die Konstruktionen der anderen Spieler nutzen, sie gemeinsam errichten oder sich so verbinden, dass beide davon profitieren – wie eine Kooperation verwandter Seelen, die sich nicht sehen.

Das System der Likes, die wie Erfahrungspunkte summiert werden, habe ich zunächst nicht gemocht: Man kann sowohl Dinge wie Schilder oder Gebäude von anderen Spielern beklatschen, indem man das Touchpad drückt – und man bekommt selbst Likes, sowohl von Online-Spielern als auch und wesentlich mehr von NSC-Charakteren. Aber Kojima spielt bewusst mit diesem digitalen Phänomen: Die Versessenheit auf und Abhängigkeit von diesem Feedback ist genauso ein Thema innerhalb der Story wie die Liefersucht der MULEs, die einfach jedes Paket haben müssen und so von friedlichen Boten zu aggressiven Banditen mutierten. Ein nettes Detail übrigens, das die Konsequenz im Spieldesign zeigt: Betritt man ihre Gebiete ohne Fracht, lassen sie einen komplett in Ruhe.

Gesellschaftskritik und Lösungen

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Man freut sich, wenn man den Rucksack modifizieren darf. © 4P/Screenshot

Die Gesellschaftskritik ist nicht nur politisch in klaren Seitenhieben auf Trumps Amerikas erkennbar, sondern auch sozial in diesem überzeichneten Verhalten immer spürbar. Aber zum einen verteufelt Kojima diese menschlichen Psychosen nicht per se, sondern definiert den Like quasi als kleinste digitale Zuspruchseinheit, einen ersten Schritt aus der Isolation heraus, um Zusammenhalt zu stärken. Man muss im Spiel keinen einzigen Like absetzen! Mit der Zeit habe ich jedoch verstanden, dass dieses digitale Prinzip genau das Richtige für dieses Abenteuer war, in dem sich Menschen ja kaum noch körperlich begegnen.

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Auch das eigene private Quartier bekommt Zuwachs. © 4P/Screenshot

Hideo Kojima spielt nicht den Moralapostel: der Trotz sowie das Misstrauen von Sam gegenüber all den Vereinigungsversuchen der UCA, die sich als das moralisch Gute definieren, um Amerika und damit die Welt zu retten, kommt ja hinzu – man fühlt sich total überwacht in der neuen Vernetzung. Die Story nährt selbst nach zig Stunden noch das Misstrauen gegenüber dieser Kampagne. Aber wenn man online spielt und in einer verflixt heiklen Situation, mitten im Zeitregen von GDs verfolgt, plötzlich eine Leiter eines anderen Spielers sieht, die einen retten kann, dann ist man wirklich dankbar. Zumal die Likes irgendwann ebenso normal wie unheimlich werden, weil sie selbst in kleine Aktionen verwoben sind: Man bekommt sie, wenn man E-Mails der NSC liest und selbst von BB, wenn man sich im Spiegel fotografiert. Dieses Spiel propagiert die Vernetzung, die es selbst in sich trägt. Hier gibt es eine wunderbare Symbiose zwischen Erzähltem und Erspieltem – also nicht den klassischen Bruch zwischen Storytelling und Spieldesign.