Sex sells – auch in der Postapokalypse
Ich habe es in der Einleitung bereits erwähnt, aber nachdem ich Stellar Blade nun getestet habe, möchte ich für die vergiftete Diskussion im Vorfeld Kontext liefern und erklären, was davon letztendlich für das Spiel selbst relevant ist.
Eve wurde in den Debatten auf Social Media zu einer Gallionsfigur von Misogynisten degradiert, als Aushängeschild für „anti-woke“ Spiele, bei denen sich die Entwickler nun endlich wieder trauen, weibliche Spielcharaktere auch so richtig schön sexy zu designen, nachdem Feministinnen mit ihrem sagenhaften Einfluss in der Industrie Figuren wie Aloy (Horizon Zero Dawn) oder Abby (The Last of Us Part 2) erschaffen haben, die nur dazu dienen, der männlichen Spielerschaft so richtig schön eins auszuwischen.

Das ist natürlich alles hanebüchener Humbug: Das Design von Eve hat nichts mit Politik zu tun, sondern beruht darauf, dass Game Director Hyung-Tae Kim eigenen Aussagen zufolge beim Spielen jemanden „idealisierten“ sehen möchte.
Deshalb habe man sich auch besonders viel Mühe damit gegeben, Eve einen wohlgeformten Hintern zu verpassen, wie er im Interview mit GamesRadar betonte: Entsprechend stand für das Design der Protagonistin das südkoreanische Model Shin Jae-eun Pate. In den sozialen Medien wurde dieser Umstand als Argument ins Feld geführt wird, dass die Kritik an der Übersexualisierung der Protagonistin Schwachsinn sei – schließlich habe man sich an einer echten Person orientiert.
Nur dass direkte Vergleichsbilder zeigen, dass der Körper des Models offenbar nicht gut genug war und man Bereiche wie die Oberschenkel oder die Brüste dann doch nochmal ein bisschen angepasst hat; und damit sind wir dann auch bei der Darstellung Eves im Spiel angekommen.
Ungleiche Sexualisierung
Denn ja, der optimierte Körperbau der Elitesoldatin wird prominent in Szene gesetzt und das hautenge Outfit ist auch irgendwie schwer zu ignorieren, wenn einem das dort reingepresste Gesäß bei jedem Leiterklettern ins Gesicht gedrückt wird, Eve bei athletischen Sprungeinlagen die Beine spreizt und ihre Brüste wackeln, als wären sie mit Pudding gefüllt.
Andere Frauen im Spiel, wie Tachy oder Raven, besitzen darüber hinaus nicht nur einen ähnlichen Körperbau, sondern wurden auch in die gleichen betonenden Outfits gesteckt – während die Männer sackartige Lederklamotten übergestülpt bekommen, an denen mehr Taschen und Gürtel hängen, als ein professioneller Handwerker je befüllen könnte. Ein Blick auf möglicherweise muskulöse oder anderweitig attraktive Körper wird so unmöglich – wozu auch, wenn sich die Zielgruppe dafür ohnehin nicht interessiert.

Das Problem an Eves extremer Sexualisierung ist jedoch vor allem ihre Kontextlosigkeit, auch im Vergleich zu anderen anziehend gestalteten Videospielheldinnen wie beispielsweise Bayonetta. Die Nintendo-Hexe spielt mit ihrem Sex-Appeal, ist sich dessen bewusst und hat zu jeder Zeit die Kontrolle darüber, sie wird in ihren Spielen nicht unkommentiert übersexualisiert dargestellt und ist auch kein bloßes Eye-Candy für den Spieler.
Bayonetta besitzt Handlungsmacht und ihre Attraktivität und ihr Verhalten dienen einem Zweck, es handelt sich um Charaktereigenschaften der Figur – ganz im Gegensatz zu Eve, die in ihrer Eindimensionalität keinerlei Verbindung dazu hat und ganz offensichtlich nur designt wurde, um dem Spieler zu gefallen. Ein Makel, der beim Spielen durchaus genauso ins Auge sticht wie das im Raumanzug glänzende Hinterteil des Hauptcharakters.