All you can steal!
Bei allem Lob: Leider teilt The Witcher 3 ein großes Problem mit seinem Vorgänger, denn es gibt ärgerliche Defizite im Figurenverhalten. Wie kann es sein, dass man den normalen Bauern, die nicht nur laut Story unter den Kriegsfolgen leiden und hungern, sondern auch aktiv darüber jammern, alles einfach so stibitzen darf? Man kann in die meist offenen Hütten stiefeln und vor deren Augen alles einsacken – ohne Reaktion. Man kann übrigens auch in fürstlichen und königlichen Gemächern alles stibitzen, was Orange leuchtet.
Natürlich muss man so nicht spielen, zumal es dem Charakter des Hexers widerspricht, aber dass man es ohne irgendeine Empörung oder Reaktion überhaupt tun kann, raubt der Spielwelt einiges von ihrer Glaubwürdigkeit. Seltsam ist ohnehin, dass man ohne anzuklopfen in viele private Gemächer reinschneien darf – was zu einigen künstlichen Begegnungen führt. Es gibt allerdings auch Türen in Dörfern, die offiziell „verschlossen“ sind und sich erst über Quests öffnen lassen.
Umso skurriler ist, dass Diebstahl vor den Augen der Nilfgaarder nicht erlaubt ist: Wer da in aller Öffentlichkeit Hand an einen Sack vor einem Gebäude legt, wird umgehend angegriffen. Tut man das vor den Bauern, rufen sie aber jene Wachen nicht um Hilfe und es gibt quasi keine übergeordnete Polizei oder Gerichtsbarkeit.
Wir haben bei CD Projekt Red nachgefragt, warum man sich dazu entschieden hat, das Stehlen so zu inszenieren und eine sympathisch ausführlich, wenn auch nicht ganz überzeugende Antwort bekommen – die Kurzform: Ja, man hat sich darüber Gedanken gemacht im Team. Anscheinend war eine Sanktionierung von Diebstahl innerhalb des Spieldesigns einerseits zu kompliziert, weil man viele damit verbundene Konsequenzen hätte berücksichtigen müssen: Wo fängt Diebstahl an, wo hört er auf? Spricht er sich rum? Wer ahndet ihn?
Andererseits wollte man auch ganz einfach den Spaß an der Beute zulassen und die Spieler mit all den Zutaten experimentieren oder handeln lassen. Trotzdem: Spiele wie Gothic oder auch Skyrim haben das besser gelöst.
Fades Artdesign im Inventar
Und Leute, es gibt tonnenweise Beute. So viel, dass man ein regelrechtes Materiallager ansammelt. Aber bevor man sich da durchwühlt, muss man das fade Design verdauen: CD Projekt Red klotzt ja sonst eher als schlicht zu kleckern. Aber hier wird Geralts Beute mit winzigen Grafiken in einem Raster gelagert – es gibt also keine drehbaren 3D-Objekte.
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Besonders ernüchternd ist die Übersicht der Hexerwerte in einer schnöden Liste. Und falls es etwas in den vielen Beschreibungen, Büchern oder Briefen etwas zu lesen gibt, ist die Schrift so klein, dass man weiter an den Fernseher ran muss – eine Vergrößerung der Texte ist leider nicht möglich. Außerdem vermisst man die Möglichkeit, Briefe sofort nach dem Fund in der Szene zu lesen. So muss man sie erst nach der Aufnahme im Inventar suchen.
Immerhin ist das sehr schnell bis oben gefüllte Inventar gut zu handhaben, was das Verschieben, Verkaufen und Vergleichen von Rüstungen sowie Klingen betrifft. Hat man Geralt etwas Neues angezogen, ist es auch sofort an ihm sichtbar. Frische Beute wird mit einem Sternchen gekennzeichnet, Unverkäufliches wird rot und Magisches farblich markiert.
Auch das Einsetzen von Zutaten und Gegenständen für die Alchemie oder das Zerlegen, Reparieren oder Aufwerten von Waffen und Rüstungen mit Runen läuft intuitiv. Was allerdings fehlt: Eine Sortierfunktion nach Wert – so muss man sich beim Händler ständig durch dutzende bunte Kräuter wühlen.
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Die Übersicht der Charaktere und das Bestiarium können die Ehre des Menüdesigns retten: Hier gibt es sehr schöne Illustrationen bekannter Figuren sowie aller Monster inklusive kleiner Anekdoten, Beschreibungen und vor allem eine Liste der Schwächen. Gerade Letztere ist hilfreich für die Auswahl der Zauber, Tränke oder Bomben vor einem Kampf. Schade ist allerdings, dass man all die Kreaturen nicht als komplette 3D-Wesen drehen und zoomen kann, denn das Figurendesign von Greifen, Trollen und Co. ist sehr gut.