Neue Erkundungsreize, wenig Holen und Bringen
Die Erkundung profitiert auch vom Wasser: Geralt kann nicht nur mit Booten zu einsamen Inseln segeln, sondern auch schwimmen und in die Tiefe tauchen, um Flüsse, Seen oder verwinkelte Grotten zu erforschen, während seine Atemluft langsam schwindet – sollte er mehr brauchen, muss er entsprechende Tränke brauen.
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In Flüssen und Seen locken nicht nur verborgene oder klar markierte Schätze, sondern auch Gefahren wie Unterwasserbiester. Die kann er natürlich nicht mit dem Schwert bekämpfen, aber er darf auch unter Wasser seine Armbrust einsetzen. Wer das ohne automatische Zielerfassung macht, wird es allerdings gegen Schwärme sehr schwer haben.
Die Quests erreichen teilweise eine Qualität, die hinsichtlich der filmreifen Inszenierung an Grand Theft Auto erinnert und in ihrer offenen Struktur vielleicht sogar neue Maßstäbe setzt. Selbst wenn man in den Etappen zum Ziel nicht erfolgreich ist, gibt es meist alternative Wege – aber es ist auch möglich, komplett zu scheitern. Als mir ein Rabatt auf einen Passierschein für eine Brücke versprochen wurde, wenn ich Verwandte auf dem Schlachtfeld vor Nekrophagen schütze, musste ich damit leben, dass ich gar nichts bekam – weil der Schwager gestorben war. Sackgasse? Nein, es gibt mindestens drei Arten, wie man an diesen Schein gelangen kann.
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Wie viel Holen und Bringen ist dabei? Überraschend wenig. Der Hexer muss also nicht wie blöde Kräuter sammeln. Natürlich ist das Sammeln hier auch ein wichtiger Teil des Spieldesigns, aber es wird cleverer eingebunden. CD Projekt Red lässt ihn zum Beispiel Zutaten für einen Trank suchen, um einer kranken Frau zu helfen. All das ist immer in eine kleine Erzählung eingebunden: In diesem Fall muss man entscheiden, ob man die gefährliche Medizin namens Schwalbe überhaupt verabreichen will – egal wie man sich entscheidet: Es wird Folgen haben.
Emotionale Dramen abseits des Krieges
Man erlebt zudem überaus dramatische familiäre Abenteuer innerhalb der großen Hauptquests, die einem sowohl wichtige Charaktere näher bringen als auch dazu animieren, Geralt eher kalt und abweisend oder doch verständnisvoller zu spielen. Man kann diesem archetypischen Helden also durchaus eine individuelle Persönlichkeit geben, die sich dann auch auf die Beziehungen zu anderen auswirkt.
Er muss sich nicht nur mit Flüchen und Monstern, sondern auch mit Tragödien befassen, die die Spielwelt abseits des Krieges mit Alkoholismus, Gewalt und Ehebruch auf menschlicher Ebene greifbarer machen. Wann heiligt der gute Zweck die bösen Mittel? Ist die Liebe wichtiger als die Menschlichkeit?
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Dazu gehört als Leitmotiv der Story natürlich auch die Suche nach Ciri. Erneut geht es um die Beziehung eines männlichen Beschützers zu einem jungen Mädchen, ähnlich wie in The Last of Us, Bioshock Infinite oder auch The Walking Dead.
Aber CD Projekt Red lässt die beiden zunächst nur im Prolog zusammen auftreten, trennt sie dann und nutzt später mehrmals den Kniff der Rückblende, sodass man auch ohne Kenntnis der Bücher ein Verhältnis zu Ciri aufbauen sowie ihre Beziehung zu Geralt verstehen kann – und das gelingt sehr gut. Dass man diese Abschnitte aktiv spielen kann, trägt zusätzlich zur Identifikation bei, selbst wenn diese sehr linear aufgebaut und einfach zu meistern sind. Hinsichtlich des Storytellings ziehen die Polen jedenfalls alle Register.
Aquariumeffekte in der Fantasywelt
Auch wenn manche Quests emotional berühren oder so mancher Bosskampf filmisches Niveau erreicht: Das wirklich Faszinierende ist für mich der Alltag. Ich habe selten ein Spiel erlebt, das das Dorfleben so lebendig inszeniert. Frauen hängen Wäsche auf und tratschen, Männer sammeln Beeren oder pflügen das Feld, Kinder spielen fangen und fragen den Hexer nach seinem Schwert, andere schauen sich misstrauisch um oder kommentieren die Begegnung mit Geralt abfällig. Und wenn es Abend wird, gehen die Leute nach Hause und die Wachen streifen mit Fackeln durch das Dorf, während im Wald dahinter die Werwölfe jaulen.
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Natürlich gibt es einige Klone unter den Figuren, aber Mimik und Gestik wirken selbst bei Kindern sehr natürlich. Das ist keine Copy/Paste-Idylle, sondern eine je nach Region angenehm liebevoll inszenierte. Es gibt selbst nach zwanzig, dreißig oder vierzig Stunden noch Highlights. Erst als ich zum Beispiel den Vorort der großen Stadt Novigrad von Osten erreiche, sehe ich zum ersten Mal auch Halblinge und Elfen, die in diesen armen Außenbezirken ihren Geschäften nachgehen.
Und ich will nicht zu weit ausholen, aber Novigrad ist die mit Abstand lebendigste und schönste virtuelle Stadt innerhalb der Fantasy, die mit eigenen Milieus, zig Brücken und Geschäften sowie einer Kanalisation und verfeindeten Fraktionen auftrumpft. Hinzu kommen immer wieder frische architektonische oder modische Akzente, Ankedoten und Zwischenfälle, die den Aufenthalt dort zum Vergnügen machen.