Update vom 19. Mai 2025: Am heutigen Tag vor genau zehn Jahren erschien The Witcher 3: Wild Hunt und verhalf Hexer Geralt von Riva nicht nur zur endgültigen Ankunft im Olymp der Popkultur, sondern machte auch den polnischen Entwickler CD Projekt Red zu einem der gefragtesten Studios der Branche.
Zum 10. Geburtstag des Action-RPGs holen wir unseren Test zum Spiel noch einmal hervor. Wenn ihr also in Erinnerungen schwelgen wollt oder einfach nur noch einmal nachlesen mögt, wieso das Spiel wegweisend für ein ganzes Genre wurde, sodass es auch heute noch Fans begeistert, dann viel Spaß beim Schmökern.
The Witcher 3: Wild Hunt – Die Büchse der Pandora?
Ich mag den Hexer als Figur in den Romanen von Andrzej Sapkowski und ich schätze das hingebungsvolle Spieldesign von CD Projekt Red. Aber als die polnischen Entwickler ihre offene Welt vor zwei Jahren ankündigten, war ich skeptisch. Das Warum will ich auf dieser ersten Seite etwas näher erläutern, damit mein Standpunkt im Test zu The Witcher 3: Wild Hunt klarer wird.
Die Sogwirkung von The Witcher und The Witcher 2: Assassins of Kings beruhte ja nicht auf hunderten Quadratkilometern an Möglichkeiten, nicht auf XXL-Kontinenten, Arena-Bosskämpfen oder All-you-can-quest-Karten, sondern auf einer fast schon intimen Atmosphäre mit kleinen, aber fein designten Schauplätzen. Die totale Freiheit ist natürlich verführerisch, aber kann zur Büchse der Pandora werden – gerade in der Weiterentwicklung eines Rollenspiels, das man aufgrund gewisser Tugenden lieb gewonnen hat.
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Als Dragon Age: Inquisition im November 2014 vormachte, wie man es nicht macht, wie also eine offene Spielwelt mit überflüssigen bis dämlichen Sammelreizen zum Spielplatz degradiert wird, wie man Vervollständigung en masse statt Erkundung en detail designt, war ein intensives Rollenspielerlebnis für mich nicht mehr möglich. Dieses BioWare, dem ich so viele Stunden erstklassiger Abenteuer in kleinen Arealen verdanke, das hinsichtlich Storytelling so glänzte, konnte in der Weite nicht faszinieren. Die Macher von Baldur’s Gate 2 und Star Wars: Knights of the Old Republic sind zu viele faule Kompromisse eingegangen.
Das neue Vorbild: Bethesda
CD Projekt Red ist in diesem Vergleich noch ein junges, aber durchaus etabliertes und erfolgreiches Studio auf der Rollenspielbühne. Und wem wollten die Polen als Rollenspiel-Entwickler immer nacheifern? BioWare. Das war 2007 natürlich genauso ehrenwert wie clever, aber schien im Dezember 2014 fast wie ein böses Omen. Zu dieser Zeit lief die PR-Maschinerie für den Hexer zwar schon auf Hochtouren, aber es kamen Gerüchte auf, dass The Witcher 3 ein „unfertiger Grafikblender“ sei.
Und manche Videos ließen den Verdacht aufkommen, dass dieser Hexer vor allem spektakuläre Arenagefechte austragen wird. Im Dezember folgte dann die erneute dreimonatige Verschiebung des Abenteuers. Hatten sich die Polen übernommen? Oder wollte man vielleicht auch die damals aufkeimende Kritik an Dragon Age in die Verbesserungen einfließen lassen?
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Hoffnung machte jedenfalls eines: Obwohl CD Projekt Red in der Gründungszeit die Kanadier als Vorbild bezeichnete und sogar mit der Aurora Engine startete, orientierten sie sich für The Witcher 3: Wild Hunt an einem ganz anderen Abenteuer: The Elder Scrolls 5: Skyrim. Und das konnte mit seiner offenen Spielwelt eine epische Sogwirkung entfachen, weil man die Landschaft mit ihren Ruinen in das Storytelling einbezog, weil Bethesda die Erkundung so reizvoll gestaltete, dass auch im Vorbeigehen kleine Geschichten erzählt wurden
Nicht das künstliche Vervollständigen, sondern das Wandern in einer Terra incognita mit Überraschungen zeichnete das Rollenspiel aus. Eine offene Welt muss also nicht per se ein Fluch sein. Es geht mir nicht um Oldschool versus Open World, sondern um die Art der Inszenierung. Und jetzt zum Hexer.
Auf der Suche nach Ciri
Das Abenteuer beginnt mitten im Krieg: Auf den Schlachtfeldern liegen Leichen, an den Bäumen baumeln Gehängte, Deserteure werden gejagt, Banditen lauern in Wäldern und Flüchtlinge suchen eine Bleibe – die Kulisse zeigt keinen pathetischen Kitsch mit wehenden Fahnen. Alles wirkt etwas farbenfroher als im Vorgänger, aber CD Projekt Red zeigt so gekonnt wie immer auch die hässliche Fratze des Krieges.
Die Nilfgaarder haben unter der Führung von Kaiser Emhyr bereits Teile der nördlichen Königreiche erobert. Emhyr hält sogar schon Hof in Wyzima, wo im Vorgänger noch der mittlerweile tote König Foltest regierte. Aber dieser dritte Feldzug ist ins Stocken geraten – das Spiel startet also in einer militärischen Pattsituation, die später übrigens wunderbar von einem Diplomaten auf Burg Wyzima erklärt wird. Freut euch auf dieses Kapitel und Geralts Gesicht, als er in der höfischen Etikette unterwiesen und frisch eingekleidet werden soll – köstlich.
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Aber zunächst streifen er und sein alter Hexer-Freund Vesemir durch das besetzte Temerien, um einen Greif für den Nilfgaarder Statthalter zu erlegen, als sie von der Magierin Yennefer eine überraschende Botschaft erhalten – immerhin hat er sie zwei Jahre nicht gesehen. Geralt soll die Ex-Galiebte in Weißgarten treffen. Es stellt sich heraus, dass ihre ehemalige Ziehtochter Ciri, deren Ausbildung man im Prolog spielen kann (hier die ersten zehn Minuten im Video), in großer Gefahr ist: Die „Wilde Jagd“ ist hinter ihr her und der Hexer soll die junge Frau vor den mysteriösen dunklen Häschern finden, die an Tolkiens Nazgûl erinnern.
Was wollen sie von ihr? Ist der aktuelle Krieg gar nicht das schlimmste Übel? Naht da vielleicht eine Art Weltuntergang? Die Story macht schon im Einstieg neugierig und steigert sich im späteren Verlauf mit einigen dramatischen Wendungen sowie politischen Überraschungen. Schön ist, dass es immer wieder informative kurze Zusammenfassungen der Hauptquest in den Ladephasen gibt.
Die Erzählung lässt sich Zeit
Noch wichtiger ist, dass schon in den ersten Stunden von The Witcher 3 klar wird: Die Regie galoppiert nicht von Highlight zu Highlight, sondern lässt sich abseits all der Bedrohungen auch Zeit für die Kleinigkeiten, für die leisen Töne und für eine Charakterzeichnung Geralts, die abseits des Archetypischen und Heroischen auch seine alltägliche menschliche Seite verdeutlicht, seinen Humor und seine Beziehung zu den Freunden. Das war schon in den Vorgängern ähnlich, aber hier wird der Hexer noch greifbarer.
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Vorsicht übrigens an alle, die die fünfbändige Romanreihe von Sapkowski noch nicht gelesen haben, die mit „Das Erbe der Elfen“ beginnt: Wenn ihr hinsichtlich Ciris Herkunft nicht gespoilert werden wollt, solltet ihr das Spiel vielleicht erst nach der Lektüre starten. Und falls ihr das Rollenspiel ohne all zu viel modernen Schnickschnack genießen wollt, solltet ihr in den Optionen ein wenig aufräumen.