Man muss sich zudem in jeder Defensivsituation gut überlegen, ob man mit den Verteidigern in die Doppeldeckung plus Pressing geht. Das nutzt auch die im Vergleich zu FIFA 10 immer noch bessere, weil taktisch klügere KI aus, wenn man in der Meisterliga oder der Champions League auf einen Top-Club trifft – der Computergegner bringt einen hier schon auf der dritten Stufe so ins Schwitzen wie in FIFA auf der höchsten. Hier zehrt PES noch von den Qualitäten, die man sich über Jahre angeeignet hat, so dass die Langzeitmotivation für Solisten sehr hoch ausfällt.
Allerdings verlieren die Einzelwettbewerbe in PES nicht nur aufgrund der fehlenden deutschen Clubs an Reiz, sondern weil sie immer noch viel zu steril inszeniert werden – vor allem in „Werde zur Legende“: Man fühlt sich nur am Rande dabei statt mittendrin, denn die Karriere wird mit schnöden Texttafeln begleitet und auf dem Platz gibt es immer noch keinerlei Feedback bei guten oder schlechten Aktionen. Man kann einen Fehlpass nach dem anderen machen, ohne dass es direkte Konsequenzen hätte. Wie soll da Motivation aufkommen, wenn der Trainer nie etwas sagt? Immerhin kann man seinen Spieler später in die Meisterliga übertragen. Aber EA simuliert die Karriere in FIFA 10 wesentlich lebendiger und motivierender.
Heutzutage entsteht die Faszination natürlich vor allem im Spiel gegen Freunde, im Online-Match, wo FIFA mit 10 gegen 10, Club-Bildung, Virtual Pro & Co ebenfalls punktet, während es in PES gerade mal möglich ist, 2 gegen 2 zu spielen. Immerhin Das Spiel wirkt wieder offener und freier als noch in PES 2009, aber der Spielaufbau zickt aufgrund sprunghafter Ballphysik und verzögerter Ballannahme.
Statische Zweikämpfe
Auch gegen Freunde oder im Netz kann man sich keine Fehler im Zweikampf leisten. Denn wenn das Tackling schief geht oder der Stürmer nur eine Körperdrehung macht, läuft man ins Leere – die Koordination der Abwehr verlangt auch aufgrund der neuen 360-Grad-Kontrolle viel Feingefühl. Aber schon hier bestätigen sich die eklatanten Schwächen, die sich in der Vorschau angekündigt hatten: Die Spieler bewegen sich manchmal zu sprunghaft, der Ball prallt komisch von Kopf und Fuß ab und von einem packend animierten Zweikampfverhalten ist keine Spur! Das, was PES früher auszeichnete, die handanimierte Vielfältigkeit, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst.
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Was hier dynamisch aussieht, fühlt sich auf dem Platz veraltet an: Die Bewegungsabläufe im Spurt und Zweikampf lassen zu wünschen übrig. |
Wenn zwei Spieler nebeneinander hinter dem Ball her rennen, hält der eine vielleicht mal den Arm raus, aber das war’s auch schon – das sieht aus wie ein Parallelsprint auf Schienen. Topleute wie Torres oder Messi rasen einfach unbehelligt weiter und scheinen manchmal fast durch die Verteidiger hindurch zu sprinten. Das sorgt natürlich für mehr Tempo in der Offensive und auf der Außenbahn, aber das sollte auch nur funktionieren, wenn der Stürmer einen Vorsprung hat oder einen genialen Pass antizipiert.
Wenn er sich allerdings im direkten Laufduell befindet, sollte ihn ein Verteidiger durch geschickten Körpereinsatz effektiver stören oder verlangsamen können. Sowohl die immer noch seltsamen Sprintbewegungen, in denen die Beine im Maschinengewehrstakkato nach oben schlagen, als auch das viel zu statische Nebenher-Gespurte wirken daher antiquiert. Wo ist das Gerangel? Wo ist der lebendige Kampf um den Ball? Aufgewertet wurden immerhin die Grätschen, mit denen ich sauber das Leder erobern und weiter spielen kann. Aber wenn ich mit Pressing oder Tacklings agiere, wirken die Attacken einfach zu steril, da fehlen die lebendige Galligkeit auf dem Platz, das Fighten und der Körpereinsatz, der FIFA 10 so auszeichnet! Die Statur hat in PES zudem deutlich weniger Relevanz in den Zweikämpfen als bei der Konkurrenz. Und genau hier verliert das Spiel an individuellen und dramatischen Reizen – es wirkt zu mechanisch, roboterhaft, staksig.