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Cyberpunk 2077 (Rollenspiel) – Willkommen in Night City

Alle wollen Rockstars werden – auch CD Projekt RED. Mit Cyberpunk 2077 haben sie schon bei der Ankündigung ein außergewöhnliches Rollenspiel versprochen. Nachdem man mit The Witcher 3 erfolgreich aus den Fußstapfen von BioWare trat, will man jetzt nicht weniger als ein Spiel in der Größe und Wirkung eines Grand Theft Auto inszenieren. Können sich die Polen mit Cyberpunk 2077 nochmal steigern? Oder haben sie zu viel versprochen? Mehr dazu im Test.

© CD Projekt RED / Bandai Namco Entertainment Europe

Die Frage der Kompensation

Da kann man also Substanz vermuten  – auch wenn ich früh wusste, was dieses Spiel leider nicht zeigen wird: glaubwürdige Reaktionen beim Diebstahl. Dass man alles einsacken kann, auch Geld vor den Augen der Besitzer, gehört nach den Vorschauen zu den bekannten Defiziten. Da helfen auch die aus der Perspektive des Spieldesigners nachvollziehbaren Erläuterungen von CD Projekt RED nicht, denn wer neue Standards setzen will, sollte erstmal die alten erreichen, die andere Studios gesetzt haben. Das tun sie in diesem Fall nicht, was sehr ärgerlich ist, wenn eine Gang einen gerade zum Gehen auffordert, also gleich losballern will, und man eben noch die Eurodollar vom Tisch mitgehen lassen kann.

Überhaupt sorgen die Sammelreize an der Oberfläche mit zig Waffen, Müsli, Getränken, Munition & Co früh dafür, dass man in bekannte Muster verfällt und Night City ebenso abgrast wie all die anderen Welten. Hätte man das nicht reduzieren können? Liegt die Magie nicht in der Konzentration auf das Wesentliche? Aber letztlich ertappe ich mich dabei, dass ich das ja auch lassen könnte, aber dennoch tue – bis ich meine maximale Traglast erreicht habe. Auch in The Last of Us 2 hab ich meist alles eingesackt. Von Fallout 4 fang ich gar nicht erst an.

Unter der Oberfläche, bis tief in die Nacht

Aber es geht in der Spielekritik immer um Kompensation, denn mittlerweile ähnelt sich das Design der meisten offenen Welten so, dass viele Genre und Mechaniken ineineinander fließen. Doch was von außen gleich aussieht, kann von innen gespielt ganz anders wirken. Es gibt nicht nur eine, sondern mehrere Stufen der Oberfläche. Daher ist die wichtige Frage: Was passiert neben dem Gewöhnlichen? Was kann ein Spiel zusätzlich anbieten? Gibt es frische Aspekte, die andere Defizite aufwiegen – oder gar in den Schatten stellen? Denn jedes noch so hoch bewertete Spiel ist nicht perfekt, hat meist eine Liste an Kontras. Trotzdem kann es eine Sogwirkung erzeugen. Trotzdem kann es gewaltig rocken.

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Die Systemvoraussetzungen mit sieben Stufen im Detail. Unsere eigenen Vergleiche dazu findet ihr in diesem Video. © 4P/Screenshot

Dass mein Vertrauen in das grundsätzliche Hitpotenzial gerechtfertigt war, bemerkte ich dann spätestens um 2:23 Uhr morgens, als ich noch eben diese eine Mission in Night City erledigen wollte. Nicht für XP oder einen Aufstieg, sondern weil ich einfach noch wissen musste, was mir dieses entflohene Taxi zu sagen hatte. Richtig gehört. Klingt bekloppt? Ist aber so. Danach ging ich dann wirklich schlafen. Und freute mich schon auf den Morgen, wenn diese verdammt coole Story rund um den Söldner V., Johnny Silverhand und diese abgefuckte Zukunft des Jahres 2077 endlich weiter gehen würde.

Noch hier? Danke, ihr könnt aber auch noch auf das Fazit klicken. Wer nachher trotzdem wegen Spoilern meckert, ist selber schuld. Ich bemühe mich, aber heutzutage ist ja der Prolog schon einer. Ach so: Ja, kann man trotz der Kontras kaufen, dieses Cyberpunk 2077 – spätestens dann nächstes Jahr. Oder 2022 im Sale. Geht so 50 bis 80 Stunden. Hat Wiederspielwert. Und Raytracing. Nur nicht für AMD-Grafikkarten. Wer es etwas genauer mag, natürlich über Feuerholz prozentgewertet, möge sich zurücklehnen. Und einen Tee kochen, zehn weitere Seiten folgen…