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Wasteland 2 (Taktik & Strategie) – Comeback eines Rollenspielmeisters

Wasteland war 1988 ein Pionier. Es inszenierte lange vor Fallout nicht nur das erste Abenteuer in einer Endzeit. Brian Fargo und dem Team von Interplay gelang nach The Bard’s Tale ein weiterer Meilenstein innerhalb der Rollenspiele – vor allem hinsichtlich der Offenheit und der Figurenreaktionen. Mehr als zwanzig Jahre später finanzierte der Veteran den Nachfolger in Rekordzeit über Kickstarter. Was hat das von so vielen Fans herbeigesehnte Wasteland 2 zu bieten? Mehr dazu im Test.

© inXile Entertainment / inXile Entertainment / Deep Silver

Lies genau mit!

 

Die Unity Engine inszeniert zwar auch ganz ansehnliche Landschaften, die trotz der Apokalypse nicht nur trostlos und düster, sondern mitunter überraschend farbenfroh und lebendig wirken. Man kann die Kamera frei drehen und zoomen, der Wind lässt Sträucher und Fahnen wehen, es gibt sogar ein, zwei malerische Flecken sowie grundsätzlich interessante grafische Kleinigkeiten an Häusern, Zügen oder Schildern. Schade ist nur, dass man viele höher gelegene Bereiche nicht betreten kann, dass die Animationen recht beschränkt sind und Gestik sowie Mimik nicht wirklich existieren. Aber die liebevoll arrangierte, technisch solide Kulisse ist ohnehin nicht der Star in diesem Spiel.

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Sträucher und Fahnen bewegen sich im Wind, aber Mimik und Gestik lassen zu wünschen übrig. © 4P/Screenshot

Es ist vor allem der Text mit seiner Hingabe und seinen Nuancen. Wer des Englischen mächtig ist (um die schwache deutsche Übersetzung sollte man einen weiten Bogen machen!), darf sich auf Beschreibungen, Funkdurchsagen sowie Dialoge freuen, die zum Besten gehören, was ich in den letzten Jahren in einem Computerspiel gelesen bzw. gehört habe. Warum? Weil sie nicht nur für das Augenzwinkern innerhalb dieser brutalen Endzeitwelt sorgen, sondern auch jede Menge Stimmung und Rollenspielflair transportieren! Hier ist der Text endlich wieder ein Stilmittel, das so viel mehr ausdrücken kann als ein paar Nebelpartikel hier oder bewegte Schatten da. Hier wird bewiesen, dass es keine großartige Technik braucht, um eine Sogwirkung zu entfachen.

Der Text ist König

Die Radio-Kommunikation mit General „Snake“ Vargas sorgt z.B. nicht nur für

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Nicht nur die liebevollen Kleinigkeiten in der Kulisse, vor allem die beschreibenden Texte können sich sehen und lesen lassen. © 4P/Screenshot

Metal-Gear-Atmosphäre, sondern überträgt unheimlich coole, unfreiwillig komische bis tragische Gespräche mit anderen Teams: So wird Vargas in seiner Verzweiflung oder Wut als Anführer greifbarer. Man bekommt zudem das authentische Gefühl, mit seiner Anfängergruppe nicht im Mittelpunkt zu stehen und erlebt quasi live, wenn andere Ranger in Schussgefechte geraten oder Bewohner um Hilfe bitten. Aber nicht nur das Zuhören, auch das Lesen macht richtig Laune, wenn sich Charaktere der eigenen Gruppe mitten im Gefecht abfällig über die Schusskünste äußern, sich peinlich daneben benehmen oder philosophieren.

Wenn man neue Räume oder Gebiete betritt, werden diese z.B. kurz beschrieben. Das animiert zum einen dazu, nicht so schnell durch die Flure zu rauschen, sondern mal innezuhalten und etwas auf sich wirken zu lassen – auch, weil sich im Text ein Hinweis verbergen könnte. Und wenn eine Figur mit hoher Wahrnehmung ein Gespräch anfängt, fällt ihr vielleicht etwas am Aussehen des Gegenübers auf, z.B. eine Tätowierung oder ein Amulett, was dann ebenfalls als Text eingeblendet wird. Das sind einfach tolle Momente, weil sie für eine besondere Intimität zwischen Spiel und Spieler sorgen – und das schon im Einstieg. Während erste Hinweise zu Steuerung, Bedienung & Co sehr elegant an der Seite angeboten werden, fühlt man sich in eine vergangene Rollenspielära zurückversetzt.