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Wasteland 2 (Taktik & Strategie) – Comeback eines Rollenspielmeisters

Wasteland war 1988 ein Pionier. Es inszenierte lange vor Fallout nicht nur das erste Abenteuer in einer Endzeit. Brian Fargo und dem Team von Interplay gelang nach The Bard’s Tale ein weiterer Meilenstein innerhalb der Rollenspiele – vor allem hinsichtlich der Offenheit und der Figurenreaktionen. Mehr als zwanzig Jahre später finanzierte der Veteran den Nachfolger in Rekordzeit über Kickstarter. Was hat das von so vielen Fans herbeigesehnte Wasteland 2 zu bieten? Mehr dazu im Test.

© inXile Entertainment / inXile Entertainment / Deep Silver

Ein Mord in der Wüste

Das Abenteuer startet mit einem Mordfall: Wer hat den Desert Ranger Ace auf dem Gewissen? Während man mit seinen schlecht ausgerüsteten Frischlingen im Auftrag des bärbeißigen General Vargas nach Spuren sucht und Indizien sammelt, Höhlen und Täler erkundet, dabei sogar aktiv mit der Schaufel buddelt, zeichnet sich hinter einem Schleier aus Mutmaßungen und Radiodurchsagen irgendwann eine größere Bedrohung ab:

„Come to the New Citadel…modern man,,,,half human, half machine…child of the citadel…an angel, serving the god of the future.“

 Sind da etwa Killer-Roboter unterwegs? Oder sogar mehr als das – synthetische Kreaturen, halb Mensch, halb

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Terra incognita: Das Gebiet um die Basis ist kaum erforscht – man kann Oasen, Depots und Siedlungen finden. © 4P/Screenshot

Maschine? Zwar ist Wasteland 2 episch, was die Spielzeit on 40 Stunden plus X sowie die reine Textmenge angeht, aber man sollte kein packendes Epos mit Dramaturgie erwarten. Es gibt auch einige Leerlaufphasen, in denen die eigentliche Hintergrundgeschichte nicht mehr als weitere vage Andeutungen liefert, dass sich irgendwo da draußen etwas zusammenbraut.

Wer auf die Dialoge achtet und sich mit Geduld durch Tagebücher & Co liest, wird dennoch ein Bild vom historischen Ganzen bekommen. Dazu gehört, dass General Vargas damals zusammen mit Ace den wahnsinnigen Mutantenmeister „Finster“ bekämpfte. Schade ist, dass es zwar eine Questliste und auch Bücher, aber keinerlei historische Übersicht oder etwa ein Namens- und Stichwortverzeichnis gibt. Auch all die Fraktionen werden nicht aufgeführt, so dass man kaum etwas nachschlagen kann. Dabei hätte gerade diesem Spiel mit seiner Geschichte ein Archiv sehr gut getan!

Schau genau hin!

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Trotz der Apokalypse gibt es mitunter farbenfrohe Schauplätze. Allerdings mit gewissen XXL-Mutationen… © 4P/Screenshot

Dass man in Wasteland 2 nicht alles auf Anhieb durchschauen kann, ist aber auch gleichzeitig eine große Stärke. Man hat das angenehme Gefühl, dass dieses Spiel auch in kleinen Situationen mit einem spielt und dabei leise flüstert: Hey, lass dir Zeit, schau genau hin! Es lohnt sich, die Areale in der verstrahlten Wüste Arizonas zu erkunden, weil sie bis auf wenige Zufallsgebiete nicht wie sterile Levelschläuche, sondern wie handgemachte Orte wirken. So findet man nicht nur Zugänge, Indizien, Fallen, Minen, Safes oder Kisten, sondern auch Gags, Hinweise oder böse Überraschungen – manchmal versteckt auf diesem einen Kreuz auf dem Friedhof, manchmal als tickende Bombe an einem Fahrrad.

Nur Charaktere mit hoher Wahrnehmung können in einem kreisrunden Bereich nach Interessantem scannen und dann vielleicht auf einen zusätzlichen Klick erfahren, ob auch eine Falle am grün markierten Zaunschloss angebracht ist; erst dann wird sie rot – hier wird also nicht auf Anhieb alles farblich markiert, sondern erst mit entsprechender Fähigkeit und nach erneuter Beobachtung. Mir hat das Erkunden in diesem Rollenspiel auch deshalb so viel Spaß gemacht, weil es von vielen stimmungsvollen Texten und Kommentaren begleitet wird. Wasteland 2 animiert nicht nur zum genauen Hinsehen, sondern auch zum Mitlesen.