Veröffentlicht inTests

Risen 2: Dark Waters (Rollenspiel) – Risen 2: Dark Waters

Die Augenklappe sitzt, der Säbel tanzt, die Titanen können kommen! Denn für karibischen Urlaub ist keine Zeit: Angst und Zerstörung regieren im Reich, aber es gibt Hoffnung in der Südsee. Als namenloser Abenteurer soll man zehn Jahre nach Risen eine magische Waffe finden, die die Inquisition gegen die mächtigen Kreaturen einsetzen kann. Aber bevor man zum gefeierten Helden avanciert, muss man erstmal ein tapferer Pirat werden.

© Piranha Bytes / Deep Silver

Kastrierte Rollenspielelemente

Die Charakterentwicklung ermöglicht zwar den Pfad der Gerissenheit, aber diebische Aktionen werden schlecht inszeniert.
Die Charakterentwicklung ermöglicht zwar den Pfad der Gerissenheit, aber diebische Aktionen werden schlecht inszeniert. © 4P/Screenshot

Neben dem Verzicht auf Fraktionen und fehlender Konsequenz bei Diebstählen (mal wird man als Langfinger angegriffen, mal klaut man alles vor den Augen der Besitzer) hat Piranha Bytes weitere Rollenspieltugenden aus den Augen verloren – und das, obwohl man in der Karriere den Pfad der Gerissenheit wählen kann: Aber der Taschendiebstahl, das Schlösserknacken und der Raub werden schwach inszeniert. Will man jemandem beklauen, kann man das mitten im Dialog ohne eine Animation auf Tastendruck machen und hat immer Erfolg, wenn der Wert stimmt – so kann man sich die Taschen ohne Gefahr selbst bei der befreundeten Fraktion füllen, denn man hat nie ein Risiko; ist der Wert zu niedrig, geht es eben nicht. Wo ist der Nervenkitzel für Langfinger?

Und wer als Dieb an Truhen heran will, darf vor Freude jauchzen: Der eine Dietrich geht niemals zu Bruch und das Minispiel zur Öffnung derselben  ist ein schlechter Witz, bei dem man selbst schwierigste Schlösser ohne Zeitlimit, Entdeckungsgefahr oder Anspruch öffnet – manchmal reicht es, den Dietrich einfach blind ganz schnell mit der Maus in alle Richtungen zu bewegen. Was soll das? Ähnlich idiotensicher läuft das Einschleichen: Geht der Held aufrecht in ein privates Gebäude, wird er zurechtgewiesen – sehr gut! Geht der Held eine Sekunde später geduckt von der Seite bei hellichtem Tage (!) in dasselbe Gebäude, darf er drinnen alles plündern – sehr armselig! Zumal man das auch noch mit einem Begleiter durchziehen kann, der nicht einmal automatisch mit in die Hocke geht, sondern aufrecht mit reinlatscht. Warum erlaubt man das Ausrauben nicht nur bei Nacht, nur solo oder nur dann, wenn der Besitzer wirklich weg ist? Auch das Wettsaufen sowie das Wettschießen reihen sich in die Belanglosigkeit ein. Ersteres kann man (im nüchternen Zustand) gar nicht verlieren, Letzteres ist nichts weiter als Moorhuhn.

Monotone Kämpfe

Obwohl es ab und zu mal Fallen gibt, ähneln sich die Höhlen auf Dauer zu sehr - dafür sind sie schnell erkundet.
Obwohl es ab und zu mal Fallen gibt, ähneln sich die Höhlen auf Dauer zu sehr – dafür sind sie schnell erkundet. © 4P/Screenshot

Zwar bin ich schon darauf eingegangen, aber nach 30 Stunden mit Feinden aller Art muss man weiter darüber den Kopf schütteln. Wie kann man ein kampflastiges Rollenspiel mit so einem schwachen Kampfsystem ausstatten? Nicht nur im Vergleich mit Spielen, die den Klingentanz auf ein packendes Niveau gehoben haben wie Severance: Blade of Darkness oder Dark Souls, auch gegenüber einfacheren Systemen wie in Fable, Kingdoms of Amalur oder The Witcher 2 ist das richtig schlecht. Vor allem die Gefechte gegen Tiere oder größere Kreaturen und Biester sind an Statik kaum zu überbieten – man darf als Held nicht einmal ausweichen oder wegrollen und kann plumpe feindliche Schlagketten manchmal nicht unterbrechen. Ab und zu gelingt das mit einem Tritt, aber meist besteht die beste „Taktik“ darin, sich während der Kämpfe über Rum oder Grog zu heilen. Das funktioniert einfach auf Tastendruck, ohne dass der Held etwa eine Trinkanimation zeigt. Und weil die menschlichen Feinde das natürlich nicht in Anspruch nehmen, erlebt man auch gegen sie mit Säbel und Pistole meist situative Langeweile. Hat man genug Rum, hat man gewonnen!

Selbst mit der Entwicklung der Fechtkunst über Konter und schwere Hiebe oder Speerwürfe kommt zu wenig Spannung auf. Immerhin kann man ein wenig variieren, indem man Tritte, Sand oder – das einzige Highlight im Kampf – einen Papageien zur Verwirrung einsetzt. Aber entweder sind die Klickorgien zu leicht oder man begegnet plötzlich zu schweren Situationen, die man in Tränke-schlucken-Bomben-werfen-und-durch-Manier bestehen muss. Nicht etwa weil die Feinde so clever agieren würden, sondern weil sie schnöde in Überzahl sind oder einen schon mal unfair mit der Muskete oder dem Speer durch die Wand treffen. Das sorgt dann ganz plötzlich für Trial&Error-Frust. Und am Ende bekommt man nicht viel mehr „Ruhmpunkte“ dafür als für das primitive Weghauen von Truthähnen oder Affen. Lediglich einige der Bosskämpfe fordern mal die größere Aufmerksamkeit des Spielers.