
Zehn Jahre sind vergangen? Und der Mann, der in Risen immerhin einen Titanen besiegen konnte, hängt jetzt als Säufer rum? Das sind eigentlich gute Voraussetzungen für einen Einstieg mit einem verbitterten Helden, der viel zu erzählen hat, der vielleicht zynisch und schwierig geworden ist. Aber diese Chance wird nicht genutzt, denn der namenlose Retter lässt sich viel zu schnell wie ein frisch geschlüpfter Botenjunge über eine Insel scheuchen, um Grog, Fleisch und Klamotten zu finden. Mit dem nacktem Oberkörper eines Zwanzigjährigen, beim Laufen so steif animiert als hätte man ihm einen Mast in den Rücken gerammt – dafür kann man mit dem Mausrad ganz nah ran an die Schulter.
Aber an das Gockeljogging gewöhnt man sich mit der Zeit. Im Gegensatz zur verschenkten Chance innerhalb einer Erzählführung, die weder innere Monologe kennt noch einen anderen Versuch der glaubwürdigen Charakterzeichnung unternimmt – dafür wird man wie ein Kleinkind vom personifizierten Piratenlady-Kitsch namens Patty begleitet. Die Tochter von Stahlbart ist zwar wesentlich besser animiert als die Roboterfrauen in Risen, aber so geheimnisvoll wie Frau Antje aus Taka-Tuka-Land. Dass sie einem keinen Käse verkauft, sondern in einer der ersten Quests in die Küche geschickt werden kann, wenn man denn die Fähigkeit der Silberzunge trainiert hat, sorgt immerhin für einen frühen Höhepunkt. Dramaturgisch, versteht sich.
Idyllische Inselwelt
[GUI_PLAYER(ID=89202,width=400,text=Malerische Kulisse, aber schwache Technik: Risen 2 zeigt eine merkwürdig lebendige Botanik.,align=right)]Die steife Mimik und unfreiwillig komische Gestik der Figuren ist komplett veraltet, aber die Kulisse kann auf den ersten Blick punkten: Idyllisch, karibisch, ansehnlich! Nicht nur der Dschungel wirkt mit seiner üppigen Vegetation, dem klaren Wasser am Strand sowie dem kargen Fels angenehm authentisch, vor allem die markante Architektur im kolonialen Stil vom Holzpalast bis zur mehrstöckigen Spelunke sticht heraus – da wurden Gebäude und Landschaften sehr liebevoll entworfen, so dass auch eine interessante Vertikale entsteht. Ein großes Lob gebührt den Artdesignern auch für die Kleidung und die Figuren, die markanter wirken als im Vorgänger. Die stilistische Inszenierung ist jedenfalls sehr gut und sorgt für wesentlich mehr Stimmung als die erzählerische.
Aber auf den zweiten Blick wird man regelrecht vor den Kopf gestoßen, denn so schön das alles aussieht – technisch ist die Inselwelt ein Fehlerfestival. Schon auf wenigen Metern ploppen zig kleine Gegenstände, Steine, Blumen oder andere Details ins Bild, es flackert hier und gibt alle paar Meter dort Clippingfehler und Matschtexturen. Diese Schwächen gibt es zwar auch in anderen Spielen, aber hier zeigen sich Pop-up, Tearing & Co in ungewohnter Häufigkeit, so dass einem vor den Konsolenversionen mal wieder angst und bange werden muss. Hinzu kommt ein Phänomen, das zunächst wie gewollt ausschaut: Manche Pflanzen bewegen sich wie lebendige Kreaturen, wenn man sich ihnen nähert – sie ziehen sich zusammen und rollen sich wieder aus. Trotz dieser Schwächen bleibt festzuhalten, dass Risen 2 ein ansehnliches Abenteuer ist.