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Watch Dogs: Legion (Action-Adventure) – Cyberpunk ohne Rollenspiel

Ob es sich lohnt bei der Londoner Polizei anzuheuern? Allzu schwer kann es ja nicht sein, wenn man sieht, wie so ein Ordnungshüter mitten in einer Prügelei plötzlich vom Übeltäter ablässt und sich ganz anderen Dingen zuwendet. Oder dabei zusieht, wie man einen Kollegen platt macht, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Diese und andere Späße habe ich im Test zu Watch Dogs: Legion jedenfalls am laufenden Band beobachtet. Dabei hätte dieser Cyberpunk-Thriller richtig gut sein können…

© Ubisoft Toronto / Ubisoft

Drohnen – und was sie alles nicht können

Eine Weile dachte ich, man könnte wenigstens auf einfallsreiche Art experimentieren, da es neben Transportplattformen auch kleine Geschütztürme, eine Art Amazon-Lieferdrohne sowie unterschiedlich stark bewaffnete Flieger gibt. Aber ratet mal, was passiert, wenn ich den „Amazon“-Schweber sein Paket abwerfen lasse und anschließend den Geschützturm hochhebe, um ihn  ganz frech in eine Meute Feinde zu stellen. Genau: geht einfach nicht. Man darf nicht einmal die Spinne auf einer der größeren Drohnen platzieren, um sie an ein hoch gelegenes Ziel zu transportieren. Das funktioniert ausschließlich mit der Transportplattform, auf die man dann auch gleich selbst steigen kann. Dass sowohl Drohnen als auch Fahrzeuge deutlich sichtbar direkt neben bzw. über den Agenten ins Bild gesetzt werden, anstatt aus einiger Entfernung heranzufliegen bzw. fahren (beide könnten sich autonom bewegen), ist da nur die Spitze des Eisbergs.

Erwähnte ich außerdem den drögen Deckungsshooter mit seiner schwammigen Steuerung, bei dem man nicht mal vom Blick über die rechte zum Blick über die linke Schulter wechseln darf? Bzw. die Tatsache, dass es nicht den geringsten Unterschied macht, ob man andere Menschen tötet oder betäubt? Waffen und Werkzeuge sind in beiden Fällen ja fast die gleichen und auch erzählerisch wird das nicht sinnvoll aufgegriffen. Ich weiß: Steht beides nicht im Vordergrund. Passt in dieser Form aber perfekt ins Bild.

Kollegen im Knast

Nun hat Legion trotz der erwähnten Mängel seine Stärken. So sehr mir spielerische Tiefe fehlt und das aktive Eingreifen zu wünschen übrig lässt: Man kann sich auf unterhaltsame Art die Zeit vertreiben und etwa Nebenmissionen erledigen, mit denen man den Einfluss von DedSec in einzelnen Stadtteilen vergrößert, um dadurch u.a. starke Agenten zu erhalten. Abgesehen davon geraten die eigenen Leute mitunter in Schwierigkeiten und werden gefangen genommen, woraufhin man sie befreien könnte.

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Die Drohne ist so breit wie ein Stuhl – wird von dieser Wache aber nicht gesehen. © 4P/Screenshot

Absolut klasse sind zudem die vielen Möglichkeiten HUD und spielerische Elemente den eigenen Vorlieben anzupassen. So schaltet man die für mein Empfinden fast immer furchtbare Bewegungsunschärfe ab, ändert Farbe und Größe vieler Bildschirmanzeigen, deaktiviert diverse Hilfen und belegt fast die komplette Steuerung um, wofür sogar drei Profile zur Wahl stehen. Das alles ist nichts Neues, auf Konsole aber noch immer die Ausnahme und darf gerne weiter Schule machen.

Die prozedurale Unendlichkeit

Wäre das Spiel nur kein so einheitliches Hinfahren und Anklicken, das sich immer gleich anfühlt! Selbst verschiedene Missionsarten und sogar die einzelnen Räume komplett unterschiedlicher Areale sind sich frappierend ähnlich. Zumal man diese Beliebigkeit auch in der Erzählung und dem Rekrutieren neuer Agenten findet. Denn so gut die kleinen Geschichten der übrigens komplett vertonten Figuren anfangs sind, so schnell wiederholen sie sich – genau wie ihre damit verbundenen Mini-Aufträge, die daher bald zur ermüdenden Routine werden. Mir wäre eine Riege ebenso optionaler, aber komplett einzigartiger Charaktere mit entsprechend besonderen Geschichten jedenfalls lieber als die unendliche prozedurale Gleichförmigkeit.