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Watch Dogs: Legion (Action-Adventure) – Cyberpunk ohne Rollenspiel

Ob es sich lohnt bei der Londoner Polizei anzuheuern? Allzu schwer kann es ja nicht sein, wenn man sieht, wie so ein Ordnungshüter mitten in einer Prügelei plötzlich vom Übeltäter ablässt und sich ganz anderen Dingen zuwendet. Oder dabei zusieht, wie man einen Kollegen platt macht, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Diese und andere Späße habe ich im Test zu Watch Dogs: Legion jedenfalls am laufenden Band beobachtet. Dabei hätte dieser Cyberpunk-Thriller richtig gut sein können…

© Ubisoft Toronto / Ubisoft

Albion statt Recht und Ordnung?

Eins muss ich natürlich richtigstellen: Die Polizei gibt’s gar nicht – zumindest nicht mehr. Denn seit einem Anschlag auf die Hauptstadt Großbritanniens kümmert sich dort eine Organisation namens Albion um Recht und Ordnung. Die dunkeln Uniformen und Fahrzeuge erinnern zwar an die ehemalige Staatsmacht, doch Albion geht rabiater zur Sache und nutzt vor allem elektronische Werkzeuge zum Überwachen der Bevölkerung. Aus diesem Grund und weil das dritte Watch Dogs in einer unbestimmten nahen Zukunft spielt, fliegen etliche Transport- sowie Gefechtsdrohnen umher. Zahlreiche Gebäude werden außerdem mit Kameras überwacht, während autonome Fahrzeuge von selbst ihr Ziel finden.

Auftritt DedSec, die aus den Vorgängern bekannte Hackergruppe und nach wie vor Unruhestifter im Sinne der Piratenpartei. Wobei DedSec natürlich weiter geht, sprich verbrecherisches Tun nicht nur aufdeckt, sondern auch selbst ahndet. Dafür dringen die Hacker in bewachte Gebäude ein, stehlen Daten, lassen selbige verschwinden oder schalten fieses Führungspersonal auf martialische Weise aus. So kommen sie Geschichten auf die Spur, die halbwegs souverän den Grundlagenkurs „Science-Fiction und Cyberpunk“ abstecken und mir im Rahmen einer Nebenhandlung sogar eine interessante Entscheidung abgerungen haben. Erwartet nur keine interessanten oder gar neuartigen Einblicke bzw. Charaktere.

Hacker des Rechts

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Gar nicht schlecht: Das futuristische London hat durchaus seinen Reiz. © 4P/Screenshot

Gleichzeitig gibt es in Legion eine ganze Reihe an Figuren, denn DedSec kann jeder sein; vom Sanitäter bis zum Söldner, vom Bewährungshelfer bis zum Bandenmitglied – Passanten wie Polizisten gleichermaßen. Immerhin kann man fast jede Person, der man begegnet, dazu überreden der Gruppe beizutreten. Wie? Indem man ihr einen Gefallen tut, was vom Löschen korrumpierender Daten über das Befreien Gefangener bis zum Beschaffen bestimmter Informationen reicht.

Stehen die gewünschten Partner mit DedSec auf Kriegsfuß, plaudern sie diesen Gefallen nicht einfach aus. Dann muss man zunächst einen Blick in ihren Tagesablauf werfen und dort einen Anhaltspunkt finden, über den man sie vielleicht doch überzeugen kann. Ich habe auf diesem Weg etwa herausgefunden, dass mein potentieller Rekrut ein recht zwielichtiger Geselle ist und sich mit einem anderen Dealer treffen wollte, weshalb ich zu diesem Treffen gefahren bin und das Telefon des Konkurrenten um ein paar Daten erleichtert habe. Da war mein zukünftiger Kumpel einer Karriere als Hacker plötzlich nicht mehr abgeneigt und stand nach dem Erledigen eines weiteren Gefallens endlich als spielbares Mitglied zur Verfügung.

Spezialisierung aus dem Baukasten

Was ich davon habe? Einen Charakter, der in Verfolgungsjagden einfacher davonkommt. Die prozedural erstellten Figuren verfügen nämlich über aus einem angenehm großen Baukasten zusammengewürfelte Eigenschaften, mit denen sie bestimmte Drohnen herbei rufen, starke Waffen mit sich führen oder Gegner mit Elektroschocks ausschalten. Wer eine Herausforderung der besonderen Art sucht, schnappt sich außerdem einen Agenten, der gelegentlich ohne weiteres Zutun nahe Wachen alarmiert, und genießt so die amüsante Seite dieses Charakterbaukastens.