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Watch Dogs: Legion (Action-Adventure) – Cyberpunk ohne Rollenspiel

Ob es sich lohnt bei der Londoner Polizei anzuheuern? Allzu schwer kann es ja nicht sein, wenn man sieht, wie so ein Ordnungshüter mitten in einer Prügelei plötzlich vom Übeltäter ablässt und sich ganz anderen Dingen zuwendet. Oder dabei zusieht, wie man einen Kollegen platt macht, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Diese und andere Späße habe ich im Test zu Watch Dogs: Legion jedenfalls am laufenden Band beobachtet. Dabei hätte dieser Cyberpunk-Thriller richtig gut sein können…

© Ubisoft Toronto / Ubisoft

Und es macht durchaus Spaß, sich über die Kameras einen genauen Überblick zu verschaffen, Schalter und Geräte zu aktivieren und mit der Metallspinne – eines der wichtigsten Werkzeuge – den Code für die entscheidende Tür herunterzuladen. Wie ein gewiefter Puppenspieler zieht man im Hintergrund die Fäden und beobachtet unerkannt die Auswirkungen des heimlichen Tuns.

Klicken statt aktiv sein

Zum einen ist das elektronische Puppenspiel über weite Strecken aber viel zu leicht und zum anderen fehlt mir auf Dauer ein aktives Spielen, bei dem man mehr tun muss als “Drücke F zum Aktivieren“. Tatsächlich fühlt sich Legion nicht wie cleveres Hacken an, sondern eher nach einem dreidimensionalen Puzzle, das aus erstaunlich wenigen Bestandteilen besteht. Erstens gleichen sich die Aktivitäten alle sehr, da es zum großen Teil nur um das Aktivieren im richtigen Augenblick geht, und zweitens sind die manipulierten Systeme bzw. Charaktere nicht auf komplexe oder wenigstens interessante Art miteinander verbunden. Um einen elektronischen Schlüssel herunterzuladen, klickt man die ihn tragende Wache ja einfach per Drohne oder Kamera an, anstatt sich vorsichtig heranzuschleichen oder den Gegner gar zu überwältigen.

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Beobachten, manipulieren, infiltrieren: Im Vordergrund steht das Hacken der zahlreichen Drohnen und Kameras. Sichtbare Schalter kann man dabei jederzeit aktivieren. © 4P/Screenshot

Wäre wenigstens das Schleichen selbst aufregend, aber weder die fast immer im rechten Winkel zueinander angeordneten Deckungen noch ärgerliche Fehler wie unsichtbare Wände, durch die die Spinne partout nicht hindurch kommt, sind dem zuträglich. Und warum wird eigentlich fast keine der vielen Kameras von Wachen beobachtet? Stattdessen kann man gemütlich davor entlangspazieren, obwohl man längst gesucht wird. Dabei würde es Legion schon aufwerten, wenn es eine Person gäbe, die ständig entsprechende Monitore im Blick hat – bis man sie vorübergehend ablenkt oder gar ausschaltet. Stattdessen gibt es ganz selten mal spezielle Kameras, deren Sichtfelder kleine Sperrzonen darstellen. Spannend.

Wozu hat man graue Zellen?

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Leider sind die Gegner nicht clever und das Schleichen meist anspruchslos. Dieser hier wird zwei Sekunden später vergessen haben, dass er gerade einen Agenten entdeckt hatte. © 4P/Screenshot

Hinzu kommen Schwächen im Verhalten der Wachen, die von bedauerlich bis fehlerhaft reichen. Das organisierte Suchen nach einem Eindringling kennen sie z.B. nur vom Hörensagen, während sie sich durch schnelle Takedowns viel zu leicht ausschalten lassen. Sie erkennen ja nicht einmal, dass ich die große Spinne direkt in ihrem Sichtfeld unter einem hohen Schreibtisch parke. Manchmal weisen sie auch ihre Drohnen an, ein Gebiet zu durchsuchen, ohne dass auch nur eine einzige dieser Aufforderung erkennbar nachkommen würde. Immerhin reagieren Wachen auf geöffnete Türen und Sicherheitsschranken, gehen insgesamt aber viel zu nachlässig mit ihren Aufgaben um.

Nicht einmal das Hacken selbst, also der thematische Kern, wird auf coole Art inszeniert. Das Knacken von Software, das manuelle Finden von Passwörtern oder wenigstens das Eingeben eines Codes zum Öffnen von Tresoren? Existiert nicht. Das alles geschieht immer über einen profanen Knopfdruck. Einzige Ausnahme ist das Umleiten elektrischer Verbindungen, damit ein blockiertes Signal ans Ziel gelangt, wo es Türen öffnet oder Terminals aktiviert. Doch selbst dieses Minispiel hat mit Hacken nicht das Geringste zu tun. Es ist eine langweilige Fleißaufgabe, die weder die grauen Zellen fordert noch in irgendeiner Form die Coolness des Cyberspace vermittelt.