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Watch Dogs: Legion (Action-Adventure) – Cyberpunk ohne Rollenspiel

Ob es sich lohnt bei der Londoner Polizei anzuheuern? Allzu schwer kann es ja nicht sein, wenn man sieht, wie so ein Ordnungshüter mitten in einer Prügelei plötzlich vom Übeltäter ablässt und sich ganz anderen Dingen zuwendet. Oder dabei zusieht, wie man einen Kollegen platt macht, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Diese und andere Späße habe ich im Test zu Watch Dogs: Legion jedenfalls am laufenden Band beobachtet. Dabei hätte dieser Cyberpunk-Thriller richtig gut sein können…

© Ubisoft Toronto / Ubisoft

Man stellt also ein Team zusammen, das erstens zum eigenen Spielstil passt: Immerhin fällt es manchen Agenten leichter, unerkannt zu bleiben, während sich andere Vorteile durch den Einsatz von Drohnen verschaffen und wieder andere in bleihaltigen Auseinandersetzungen die besseren „Argumente“ mit sich führen. Zweitens kann es sehr hilfreich sein Spezialisten für bestimmte Situationen im Team zu haben: So können sich ehemalige Albion-Angestellte z.B. in Arealen aufhalten, die ihr früherer Arbeitgeber abgeriegelt hat, so lange sie ihren Ex-Kollegen dabei nicht zu nahe kommen. Und drittens soll wohl der Spaßfaktor beim Ausprobieren mancher Fähigkeiten nicht zu kurz kommen. Kein Wunder, spielt das Sammeln bzw. der Kauf sowie das Ausstaffieren der Agenten vor allem in Bezug auf die Langlebigkeit des Spiels doch eine große Rolle.

Ein optionaler Permadeath-Modus macht das Ganze dabei spannender, da erledigte Agenten dann dauerhaft verlorengehen. Ein wenig XCOM-Wehmut schwingt also mit, falls ein besonders guter Charakter das Zeitliche segnet und man einen Ersatz aufbauen müss…

Es eilt!

Ach, nein. Man muss die Figuren ja gar nicht entwickeln. Verfügen die abseits ihrer Besonderheiten doch alle über dieselben Fähigkeiten, weil Letztere global freigeschaltet werden – über Upgradepunkte, die mal mehr, mal weniger gut in London versteckt sind und als Belohnung für erledigte Missionen winken. Mit anderen Worten, sämtliche Agenten können die gleichen Drohnen hacken. Sie nutzen unterm Strich die gleichen Waffen, Gadgets und Hacks, mit denen sie feindliche Gewehre blockieren oder die Feinderkennung von Drohnen umkehren, sodass es im Grunde egal ist, welchen Charakter man gerade spielt. Die wenigen Fähigkeiten bringen auf gelungene Art Farbe ins Spiel, alle entscheidenden Fertigkeiten erhält man aber durch das allgemeine Freischalten.

Stärker als andere Spiele setzt Watch Dogs: Legion übrigens auf

Mikrotransaktionen

, denn neben einem Season Pass sind auch Agenten käuflich erhältlich, deren Fähigkeiten durchaus reizvoll sein können.

Auch diese Besonderheiten braucht man natürlich nicht, allerdings könnte man auf diesem Weg die eine oder andere Rekrutierung umgehen. Geld und Upgradpunkte werden ebenfalls verkauft. © 4P/Screenshot

Schade, dass eine Spezialisierung auch nicht durch das Leveldesign forciert wird und manche Wege einigen Agenten etwa komplett verschlossen bleiben. Im Ansatz gibt es das zwar, doch fast immer findet man schnell alle notwendigen Hilfsmittel, um ein Dach zu erreichen oder eine verschlossene Tür zu öffnen. Ubisoft scheint hauptsächlich daran interessiert, dass man mit jeder Figur möglichst schnell selbst in schwer bewachte Komplexe eindringt und auf keinen Fall von so etwas wie Rollenspiel oder gemächlicher Stealth-Action aufgehalten wird, denn auch das Infiltrieren ist nur ein Abziehbild dessen, was Gadget-Meister Sam Fisher einst vorgelebt hat.

Heimlich Fäden ziehen

Klar, der Schwerpunkt ist nun mal ein anderer, da das eigentliche Schleichen und Verstecken keine wesentliche Rolle spielt. Man übernimmt vielmehr eine Kamera nach der nächsten, wechselt per Knopfdruck auf eine fliegende Drohne und bewegt eine flinke Metallspinne durch Lüftungsschächte, um einen Datenport zu erreichen. Man öffnet von jedem Punkt aus Türen, lenkt Wachen ab, lässt Fahrzeuge losfahren oder aktiviert Fallen, die Gegner durch Elektroschocks ausschalten. Wie gehabt: Watch Dogs ist mehr Gadget-Manipulation als Stealth-Action, obwohl es viele Bestandteile etwa aus Splinter Cell enthält.