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Warhammer 40.000: Dawn of War 2 (Taktik & Strategie) – Warhammer 40.000: Dawn of War 2

…, reißt es meinen schweren Geschützen den Boden unter den Füßen weg. Mein Kommandant hängt über dem Kopf eines hässlichen Aliens. Eine Sekunde später schmeißt ihn das Biest wie eine lästige Fliege zehn Meter… Orks vor mir, Eldar rücken an meiner Flanke vor! Wenn keine Verbündeten eintreffen, kann ich die Stellung trotz meines starken Sperrfeuers nicht länger halten. Doch plötzlich wendet sich das… Ein Augenzeugenbericht liest sich wie eine Huldigung an Verhoevens actionreiches Starship Troopers. Aber welche Sprache spricht die Analyse der taktischen Wirklichkeit?

© Relic Entertainment / THQ

Relic vs. Ensemble

Denn wenn in einer der seltenen Ausnahmen nicht das Verteidigen einer Position im Vordergrund steht, marschiert man durch feindliches Gebiet, um schließlich einen Boss, mehrere Stützpunkte oder eine größere Basis zu vernichten. Dabei sind selbst die Boss-Monster kaum mehr als besonders vitale Gegner, die mit ein oder zwei starken Waffen hantieren. So erledigt man einen außerirdischen Hauptmann nach dem nächsten und behält nicht einmal deren Namen. Im direkten Vergleich ist die spannend erzählte, spielerisch abwechslungsreiche Halo Wars-Kampagne deutlich motivierender, während der klassische Basisbau bei den Ensemble Studios größere taktische Freiräume öffnet. Als Randnotiz empfinde ich es übrigens als seltsam, dass sowohl Tyraniden als auch Orks sowie Eldar am Basisbau festhalten und mithilfe bestimmter Gebäude Einheiten ins Feld rufen, während die Space Marines komplett darauf verzichten.

Taktische Freiräume hätten sich vielleicht ergeben, wenn man mehr als vier Verbündete dirigieren dürfte. Denn weil die eigenen Truppen so stark aufeinander angewiesen sind, ist das Aufteilen der Armee, z.B. um eine stark befestigte Stellung zu umgehen, praktisch ausgeschlossen. Sechs, vielleicht sogar acht Gruppen, die mit weniger

In der Solo-Kampagne verzichtet Relic komplett auf den Basisbau – und damit leider auch auf taktische Möglichkeiten.

Spezialfähigkeiten weniger Mikromanagement erfordern, hätten den taktischen Rahmen spürbar vergrößern können! So bleibt jedoch nur die Wahl: die südliche oder die nördliche Route? Spielerische Unterschiede ergeben sich daraus so gut wie nie. Einzige Variation: Auf vielen Karten können die Space Marines Gießereien, Kommunikationsfelder oder Schreine einnehmen. Das erhöht u.a. die Menge der Erfahrungspunkte oder die Anzahl verfügbarer Spezialangriffe, z.B. eines Artillerieschlags, in den folgenden Einsätzen auf diesem Planeten.

Eine dynamische Kampagne also, ein ständiges Hin und Her zwischen Erobern, Befestigen und Verteidigen strategisch wichtiger Punkte? Mitnichten. An einmal eroberten Bonuszielen zeigen nämlich weder Eldar noch Tyraniden oder Orks Interesse. Stattdessen arbeiten die Space Marines einen Einsatz nach dem nächsten ab, wobei sie mitunter zwischen mehreren Pflichtaufträgen wählen dürfen. Die Missionen finden dann in verschiedenen Einsatzgebieten an unterschiedlichen Schauplätzen bzw. Planeten statt – in der Wüste, im Dschungel oder in der Großstadt – und wiederholen sich leider sehr schnell. Meist ändert sich zwar der Startpunkt, während sich eine andere Partei als zuvor gegen die Menschen wehrt. Motivierend wirken die Wiederholungen allerdings nicht. Da sind mir die optionalen und zufällig erstellten Einsätze lieber, denn dort winken mächtige Waffen oder besondere Rüstungen als Belohnung.

RTS? RPG?

Das Sammeln von Erfahrungspunkten, die Entwicklung von Fähigkeiten, das Anlegen neuer Ausrüstung, zufällig generierte Missionen? Relic greift in die Diablo-Kiste und findet die Blaupause eines klassischen Action-Rollenspiels. Der Kommandant darf sogar wählen, welche drei seiner fünf Kameraden ihn auf dem Schlachtfeld begleiten, sprich: Ich rüste die sechs Soldaten eigenhändig aus und darf die Zusammenstellung meiner Armee frei wählen. Nur der Anführer ist stets dabei. So stecke ich Fernkämpfer Avitus in eine Rüstung, die den Distanzschaden erhöht, drücke Riker ein schweres Schwert in die Hand, entwickle die Infiltrationsfähigkeiten von Cyrus und drücke Tarkus Energiegranaten in die Hand, so dass er nicht von materiellen Vorräten abhängig ist. Nachdem ich Thaddeus mehrere Male im Nahkampf verloren habe, mustere ich den Jetpack-Träger allerdings langfristig aus.

Damit erhält er weniger Erfahrung pro Mission – meine „Hauptdarsteller“ 

Ein Kumpel darf jederzeit die Steuerung von zwei der vier Truppen in der aktuellen Solo-Kampagne übernehmen.

dafür umso mehr. Sollte ich keine Verwendung für einen Ausrüstungsgegenstand haben, kann ich ihn gegen einen kleinen Erfahrungsbonus sogar verschrotten lassen. Das ist nützlich und schafft Übersicht. Unglücklich nur, dass ich im Vornherein nicht sehe, wie hoch dieser Bonus ausfallen wird.

Und wenn die Entwickler schon auf Individualisierung setzen, warum darf ich dann nicht wie im Rollenspiel Gegenstände kombinieren oder bestimmte Ausrüstung – vielleicht gegen Erfahrungspunkte – tauschen? Und wieso kann ich nur die Spezialisierung meines Kommandanten (Nah- oder Fernkämpfer) nahezu vollständig selbst bestimmen? Ja, für die Zwecke dieser Echtzeittaktik sind die gebotenen Möglichkeiten mehr als ausreichend! Es ist sogar ausgesprochen motivierend, eine neue Waffe auszuprobieren, die Werte für Stärke, Ausdauer, Wille und Stärke zu verbessern oder verschiedene Squad-Kombinationen zu testen. Letztlich bezeugen aber auch die Rollenspiel-Elemente einen Aspekt, der Dawn of War II geradezu auszeichnet: In den Grundzügen ist diese Episode des Warhammer-Krieges  stimmig, packend und motivierend. Streckenweise geht sie sogar neue Wege. Auf der Zielgeraden bleibt Relic aber offenbar die Puste weg, denn der große taktische Freiraum will sich nie öffnen und der entscheidende Funke der Individualisierung will nie überspringen.

Zu wenig Gutes!

Als ich die Begriffe der vier Fähigkeiten nachschlagen wollte, fiel mir übrigens erneut auf, wie oberflächlich sich das Handbuch nur den grundlegenden Aspekten des Spiels widmet. Die Erklärungen auf dem Bildschirm geben zwar ausführliche Antworten auf die meisten Fragen, stellen aber selbst erfahrene Taktiker stellen fest, dass der Einstieg in Dawn of War II sehr fordernd ist. Schnell müssen Kommandanten sehr viele verschiedene Fähigkeiten entwickeln, während sie im Gefecht den Überblick über die zahlreichen Angriffsmöglichkeiten behalten müssen. Das kommt besonders in Mehrspieler-Schlachten zum Tragen, denn dort stehen sämtliche Fähigkeiten selbstverständlich von Beginn an zur Verfügung. Nicht zuletzt – und hier liegt vielleicht die größte Stärke des Spiels – treten per Internet oder LAN ganze vier, sehr unterschiedliche Rassen gegeneinander an!