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The Elder Scrolls: Oblivion im Test – Remaster schön und gut, aber was kann das Original?

Fast 20 Jahre alt ist The Elder Scrolls 4: Oblivion mittlerweile – genau wie unser Test. Zeit für eine kleine Frischzellenkur.

Ein Bild vom Wald aus Oblivion mit rot-blauem Banner.
© Bethesda / Adobe Photoshop [M]

Scheibengespräche & Schlösser

Nur: Diese Dialoge haben leider wenig mit Rollenspiel zu tun. Euer Gegenüber hat einen Sympathiewert von 0 bis 100, den ihr nicht über das Einfühlungsvermögen bei eurer Wortwahl, sondern in einem Minispiel nach oben treiben könnt. Dieses rundenbasierte Spiel wird zu Beginn nicht gut genug erklärt und ist leider nur kurzfristig unterhaltsam: Auf einer viergeteilten Scheibe gibt’s die Optionen Nötigung, Witze, Prahlerei und Einschmeicheln.

Rechts daneben seht ihr anhand der Mimik, wie euer Gegenüber auf die vier „rhetorischen“ Mittel reagiert: Strahlt ein Händler bei einer Nötigung und Prahlerei, sollte ihr die Scheibe so drehen und drücken, dass sie hier gut gefüllt sind. Die beiden Alternativen sorgen meist für Abzüge.

Kurzum: Irgendwann hat man in The Elder Scrolls 4: Oblivion einfach raus, wie man jeden noch so aggressiven Gesprächspartner in einen Grinsemann verwandelt, der einem alles erzählt und die Preise für seine Waren senkt. Selbst ein feindseliger Dorfbewohner mit einem Wert von 0 kann in ein paar Runden auf die 70 geschraubt werden. Natürlich spielt auch euer Charisma eine gewisse Rolle, aber so verlieren manche Figuren an Charakter und werden zu Statistiken degradiert. Die Spielbalance wird immerhin dadurch gerettet, dass man einige Schlüsselfiguren meist nicht über diese Methode zu allem überreden kann.

Und es gibt bessere Minispiele, wie beispielsweise das Schlösser knacken: Ihr seht das Schloss mit seinen Bolzen im Querschnitt. Dann müsst ihr den Dietrich einführen und zum Beispiel vier Bolzen aus dem Weg nach oben schieben – sobald einer oben angelangt ist, müsst ihr mit gutem Timing noch mal drücken. Schafft ihr es, bleibt er oben und ihr könnt euch dem nächsten widmen; schafft ihr es nicht, zerbricht euer Dietrich – knifflig, aber gut!

Magier müssen auf diese illegalen Bereicherungen übrigens nicht verzichten und können es mit Zauberei versuchen. Und wer selbst als Dieb an Grobmotorik leidet, darf das Ganze auch automatisiert versuchen lassen, bis der letzte Dietrich aufgebraucht ist.

Sehr gute Regie

Wer sich abseits des Hauptpfades durch die Wildnis schlägt, Dörfer und Dungeons erkundet oder Städte entdeckt, versinkt schnell in einer Flut von Quests, erlebt ohne strikte Reihenfolge seine eigenen kleinen Abenteuer. Ihr könnt euch aber jederzeit wieder in die Strömung der eigentlichen Story stürzen und euch vom spannenden Plot treiben lassen. 

Das Bedrohungsszenario aus einer fremden Welt ist zwar nicht neu, das dämonische Feindbild scheint klischeebehaftet und der erzählerische Rhythmus vibriert durchaus in einem Herr der Ringe-Takt, aber alles wirkt dennoch sehr eigenständig, sehr durchdacht. Und diese enorme Freiheit erinnert positiv an Spiele wie Grand Theft Auto: San Andreas.

Es gibt keine künstlichen Levelbegrenzungen wie in Fable oder KotOR. Auch die Entwicklung eures Charakters gehört dazu: Zwar wählt ihr zu Beginn über eure Rasse und Klasse Schlüsselattribute, die dann von Anfang an stärker ausgebildet sind, aber je nach Spielweise könnt ihr euch überall verbessern: Wer oft mit stumpfen Waffen austeilt, wird hier ebenso Punkte sammeln wie jemand, der oft schleicht oder oft feilscht. Man ist das, was man spielt. Es sei denn, man trifft einen Trainer: Der kann euch gegen Bares wertvollen Unterricht erteilen und so schneller ausbilden.

Das Spielgefühl ist trotz der Vielfalt sehr kompakt, sehr dicht: Die Regie ist wesentlich souveräner als im Vorgänger, die Protagonist*innen überzeugen mit emotionaler Mimik und ihr seid oftmals nicht nur alleine, sondern in einer Gruppe von Kämpfer*innen unterwegs, müsst ihnen folgen oder sie anführen, bis es zu einem Gemetzel in riesigen Hallen oder im Freien kommt.

Die Intelligenz der Gegner und Mitstreiter*innen macht für ein Rollenspiel eine gute Figur: Zwar gibt es hier und da Totalausfälle, wie einen Bogenschützen, der sich nicht am Kampf beteiligt, aber in der Regel werden Feinde Verstärkung rufen, euch selbst durch Türen hindurch verfolgen und in der Überzahl niedermachen.