Ich habe mich richtig gefreut, als 2K Sports die Zusammenarbeit mit Spike Lee ankündigte. Was würde der Macher von Filmen wie „Do The Right Thing“, „Jungle Fever“ oder „Malcolm X“ aus der Karriere in NBA 2K16 herausholen? Um es kurz zu machen: Eine streng lineare Schnulze voller Übertreibungen und Widersprüche. Ja, der familiäre Ansatz ist lobenswert. Ja, es gibt einige Highlights (hier im Video), wenn der Zickenkrieg zwischen Schwester und Frau entbrennt, wenn Berater Dom Pagnoti seinen GTA-Italo-Auftritt hat oder wenn der Vereinsbesitzer den sorgsamen Vater mimt, bevor er plötzlich ausflippt – das ist schauspielerisch klasse. Aber nach knapp fünf Stunden war ich sehr froh, dass sich der 58-jährige
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Regisseur und sein Motion-Capturing-Ensemble verabschiedeten, damit ich endlich die richtige Karriere spielen kann. Dem „American Dream“ dieses Filmvorspiels fehlt einfach die nachvollziehbare Entwicklung und vor allem Freiheit der Entscheidung.
Man beginnt in den Sozialbauten Harlems als junges Talent bei den „Midtown Bulldogs“ mit dem vollkommen bescheuerten Namen „Frequency Vibrations“ – von der schwarzen Familie und dem Freund auch noch „Freq“ genannt. Trotzdem spielt man mit einem Charakter, den man ansonsten sehr frei im Editor erstellen kann. Ich fühlte mich mit meinem weißen 2-Meter-plus-X-Center samt Vollbart in der Familie von normalem Wuchs samt Zwillingsschwester (!) „Cee Cee“ und Hip-Hop-Kumpel „Vic van Lier“ zwar liebevoll behandelt, aber wie ein außerirdischer Freak – denn jede Gestik, jeder Spruch sowie der Slang im Allgemeinen sind natürlich auf dieses Milieu abgestimmt. Als mein Hüne den groovigen Familientanz mit Hüftschwung aufführte, sah er aus wie ein Neanderthaler auf Speed.
Dramatische Konflikte, keine Entscheidungen
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Spike Lee kann man nicht den Vorwurf machen, dass der selbst erstellte Asiate, Hispano oder Weiße dort vielleicht wie ein Fremdkörper wirkt – auch damit hätte die Karriere richtig cool werden können! Aber selbst wenn man mit einem Schwarzen loslegt, wird die Regie zwar immer wieder auf unheimlich wichtige berufliche und private Entscheidungen zugespitzt, so dass man regelrecht mitfiebert und endlich bestimmen will, ob man diesen großmäuligen Italo-Berater überhaupt engagiert, ob man das vierjährige Studium auf dem College noch zu Ende bringt oder ins kalte Profiwasser springt, ob man seinem alten Kumpel treu bleibt oder ihn schasst – aber all diese wichtigen Entscheidungen kann man gar nicht treffen. Wie enttäuschend!
Man schaut bloß einem Film zu, während man zwischendurch etwas Basketball spielt; von der Highschool in der kleinen Turnhalle über vier Spiele am College sowie acht Spiele als NBA-Rookie. Hier verpassen es die Entwickler übrigens, clevere Trainings, Taktik und Spielzugübungen für Einsteiger einzubauen.
Schauspielerische Highlights, fehlende Entwicklung
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Immerhin darf man zwei Dinge bestimmen: Auf welches College man geht und welches NBA-Team-Angebot man annimmt. In diesen Momenten zeigt die Karriere wiederum ihre Stärken, wenn sich die jeweiligen Vereine mit ihren Agenten persönlich vorstellen, ihre Ziele und Pläne darlegen – das ist cool! Auch die biografischen Rückblicke sind gelungen, wenn die Mutter einen als Kind beschreibt, und den Namen immerhin erklärt, oder der Kumpel von alten Zeiten berichtet. Auch wie die Familie auf die erste Verpflichtung reagiert, wie sie dabei auf den jeweiligen Ort etc. eingeht, ist toll. Aber obwohl das Drehbuch durchaus die richtigen Themen und Konflikte anspricht, lässt es viel auf dem Weg von der Highschool über das College bis zum NBA-Rookie liegen. Warum spielt der Jugendtrainer z.B. als Mentor gar keine Rolle? Warum kann man in der Jugendzeit als Power Forward, Point Guard etc. nicht wenigstens rudimentäre Fähigkeiten in dem Bereich erwerben? Warum gibt es kein Trainerfeedback nach schlechten Leistungen, obwohl diese in den Ladezeiten erwähnt werden? Es gibt im kompletten Einstieg nicht mal eine Halbzeitansprache! Auch deshalb fühlt sich das filmische Engagement von Spike Lee manchmal wie ein Fremdkörper an.
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Hinzu kommen einige plumpe Übergänge sowie Widersprüche im Drehbuch: Die eigene Ehefrau fällt quasi vom Himmel; man hat gar keine Wahl, ob man mit dem Kumpel einen draufmachen oder trainieren will, trotzdem kommt man angeblich zu spät zum Training. Viel wichtiger ist, dass die Glaubwürdigkeit der Karriere fehlt: Man wird einfach viel zu früh hochgejubelt – nicht nur von der eigenen Familie, was aber noch verständlich wäre, sondern auch vom Vereinsinhaber. Und das, obwohl man als Rookie mit einer alles andere als berauschenden Gesamtwertung von 58% startet, dazu keinerlei Fähigkeiten, Plaketten oder zumindest erhöhte Attribute besitzt, die das eigene Talent irgendwie unterstreichen würden, während andere Rookies bei über 70% auf dem Feld stehen. Selbst wenn man in seinem ersten Jahr richtig schlechte Spiele macht, suggeriert einem das Drehbuch samt Umfeld, dass man schon der Größte ist. Außerdem vermisst man abseits der Familie jegliche sportliche Persönlichkeiten im Team, also Rivalen oder etablierte Stars, die sich um den Rookie kümmern, oder zu denen man sich so oder so verhalten kann – das gab es noch in NBA 2K15 und das hätte gerade hier viele Potenziale eröffnet, man hätte sich aktiv beweisen und erstmal Respekt und Spielzeit verdienen müssen.