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Fallout 76 (Rollenspiel) – Postapokalyptischer Super-GAU

Fallout hat sich bei Bethesda von einem Taktik-Spektakel vor dem Hintergrund einer Postapokalypse zu einem der Rollenspiel-Schwergewichte schlechthin gemausert – offline wohlgemerkt. Doch mit dem überraschend  im Frühjahr angekündigten Fallout 76 verabreicht man dem Ödland eine Online-Kur und hat sich wie seinerzeit bei The Elder Scrolls Online erst einmal den Groll der Community zugezogen. Im ersten Teil unseres Tests verraten wir, welchen Eindruck wir nach 15 Stunden im nuklear verseuchten Virginia haben.

© Bethesda Game Studios / Bethesda

Update vom 22.11.2018 – Test, Teil 3:



Vergebliche Liebesmüh

Angesichts der Tatsache, dass der Patch annähernd so groß wie das ursprünglich installierte Spiel ist, sind die angedeuteten Performance-Auswirkungen nicht komplett spürbar. Ja: Es wirkt, als ob die Landschaft insgesamt flüssiger aufgebaut wird. Und die Serverabbrüche haben abgenommen. An den Lags oder den plötzlich aufploppenden Gegnern bzw. unbeteiligter Fauna hat sich aber immer noch nicht viel geändert. Und damit wird das V.A.T.S.-System  vollends von einem taktisch enorm wichtigen Werkzeug in den Auseinandersetzungen der Offline-Fallouts von Bethesda zu einem unberechenbaren Glücks- und Reaktionsspiel degradiert, so dass ich es irgendwann nicht mehr genutzt habe. Mit dem Patch wurden auch einige nervige Bugs behoben – allen voran die fehlerhafte Questreihe des Bürgermeisters von Grafton. Und nachdem mir der Support freundlich (aber bestimmt) mitgeteilt hat, dass mein verlorenes C.A.M.P. (wie von mir vermutet) nicht wieder hergestellt werden kann, habe ich mich auch mit diesem Gedanken angefreundet und ein paar Stunden mit der Sammlung von Rohstoffen verbracht, um wieder einigermaßen auf dem Stand vor dem Verlust zu sein.

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Hier war noch alles gut: Das wieder aufgebaute Lager ist zwar noch nicht perfekt, aber bietet alle Crafting-Möglichkeiten und ist gut geschützt… © 4P/Screenshot

Natürlich habe ich in dieser Zeit auch ein paar weitere Missionslinien weiter verfolgt. Und obwohl die für die Atmosphäre wichtigen NPCs natürlich weiterhin fehlen, sorgen die Audiologs und die Texte in ihren besten Momenten annähernd für bekanntes Fallout-Spielgefühl. Auch die neuen Gebiete, die ich auf der Reise durch die postapokalyptischen Appalachen kennengelernt habe, konnten punktuell immer wieder dafür sorgen, dass sich Fallout 76 langsam, aber sich wieder der Grenze zwischen ausreichend und befriedigend näherte. Es gibt immer noch genug Mankos, die mir eine „gute“ Unterhaltung verderben: Wie z.B. die auch nach dem Patch inkonsistente Ökonomie, bei der Händler auf ihrem Konto nur einen Bruchteil der Kronkorken gutgeschrieben bekommen, die ich ihnen bei einem Kauf gebe – wodurch der Tauschfaktor von u.a. Fallout 4 komplett ausgehebelt wird. Oder auch das Kartensystem für die Figurenupgrades im Rahmen des S.P.E.C.I.A.L.-Systems. Es gibt zwar an den Levelfortschritt gekoppelte Kartenfreischaltungen, doch die zufällig gefüllten Packs, die bei jedem Fünfer-Level verteilt werden, lassen mir keine Chance, mich gezielt zu verbessern. Ich warte ewig und drei Tage, um die Karten zu bekommen, damit ich meinen Hacken-Perk auf die Maximalstufe bekomme. 

Das Fass läuft über

Immerhin muss man dem System zu Gute halten, dass man jederzeit die Kartenzusammenstellung ändern darf. So kann man sich zwar auf besondere Situationen einstellen. Doch ein vollwertiger Ersatz für eine komplett vom Spieler vorgegebene Figurenentwicklung ist das nicht. Und noch während die Wertung je nach Missionsqualität, und Lag-Intensität sich irgendwo zwischen 55 und 65 einpendeln sollte, passierte etwas, was in mir nicht einmal mehr Frust und Wut, sondern schlichtweg nur noch Resignation auslöste. Nachdem meine Camp-Position offensichtlich in einem Einzugsgebiet für in der Nähe angesiedelte Super-Mutanten lag, hatte ich die glorreiche Idee, den Standort um gut 50 oder 70 Meter zu verschieben, damit sie mein Lager nicht mehr angreifen – oder zumindest die Chance darauf zu reduzieren. Es war zwar gut geschützt und ich habe auch die Gunst der Stunde genutzt, um den beständigen Einnahmestrom durch die in regelmäßigen Abständen vor den

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… nach einem Umbau ca. 50 Meter entfernt war das Lager, in dem eigentlich die bislang errichteten Bauten, Mobiliar etc. bei einem Umzug aufbewahrt werden, erneut leer. Nicht zum ersten Mal. Und damit hatte ich genug von diesem Fallout 76, bei dem essenzielle Mechaniken mit schwerwiegenden Bugs die Motivation ins Nirwana prügeln. © 4P/Screenshot

Geschütztürmen liegenden Opfer zu optimieren. Doch auf Dauer war es nervig, alle Nase lang und ggf. beim Craften und Sortieren des Inventars angegriffen zu werden.

Gesagt, getan: Das Lager kurzerhand verschoben und dann war es soweit. Alle bis hierhin erstellten Lagerbauten waren wieder weg – alle Werkbänke, alle Wasseraufbereiter, alle Generatoren. Alles. Betten, Geschütztürme, Regale, meine Truhe. Alles. Und damit machte sich keine Aggression in mir breit. Das war vor ein paar Tagen. Jetzt fühlte ich einfach… gar nichts. Es war mir egal. Eine Serie, in der ich seit ihrer Auferstehung im Jahr 2009 offline hunderte Stunden investiert und emotionale Verbindungen zur Spielwelt und einzelnen Figuren darin aufgebaut hatte, hat mich schlichtweg verloren. Mit Bugs. Mit Inkonsistenzen. Mit einem Spielkonzept, das zwar versucht, die Essenz von Bethesda Offline-Fallouts in eine Online-Welt zu packen, aber krachend scheitert, da die schwache Technik mitsamt ihrem unzureichenden Netzcode nicht einmal in der Lage ist, eine Spielwelt mit 24 Spielern ohne Probleme darzustellen. Dementsprechend hat sich meine Enttäuschung in argen Grenzen gehalten, als ich bei einem weiteren Einloggen feststellen musste, dass mein Camp wieder weg war – vermutlich verdrängt von dem Bau eines anderen Spielers, der sich mit dem Standort meines Lagers überlappte. Bei der Weltauswahl achtet Fallout 76 offensichtlich nicht einmal darauf, ob die Standorte von Spielercamps miteinander kollidieren. Aber wisst ihr was? Es ist mir egal.  Man kann Bethesda-Rollenspielen sicherlich viel vorwerfen. Doch sowohl Skyrim als auch Fallout 3 oder 4 haben die Mankos durch inhaltliche Qualität aufgefangen. In Fallout 76 steht dies jedoch in einem krassen Missverhältnis. Mein Tipp an Bethesda: Repariert, was ihr könnt, damit zumindest zukünftige Spieler in vielleicht einem halben Jahr oder Jahr ein einigermaßen gutes Spiel vorfinden. Und hofft inständig, dass der Schaden, der durch dieses marode Machwerk der Marke zugefügt wurde, eine nur geringe Halbwertszeit besitzt. Immerhin scheinen mit Elder Scrolls 6 und vor allem Starfield die Bethesda Game Studios für die nächsten Jahre ausgelastet zu sein, so dass die vielleicht acht bis zehn Jahre zum nächsten richtigen Singleplayer-Fallout ausreichen könnten, damit die Spieler dieses Desaster vergessen.