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Dragon Age: Inquisition (Rollenspiel) – Ein Fantasy-Spielplatz in XXL

Vier Jahre hat BioWare an Dragon Age: Inquisition für PC, PlayStation 4 und Xbox One gearbeitet. Kein Wunder, dass sowohl die Vorfreude als auch die Erwartungen bei Rollenspielern groß sind. Mit der Übernahme des Studios durch Electronic Arts ist allerdings auch die Skepsis gewachsen. Können die Kanadier mit ihrem neuen XXL-Konzept begeistern? Können sie ein faszinierendes Abenteuer mit ihren erzählerischen Tugenden, mit dramatischen Entscheidungen und lebendiger Party-Interaktion erschaffen? Und all das in einer offenen Welt à la The Elder Scolls V: Skyrim inszenieren? Mehr dazu im Test.

© BioWare / Electronic Arts

Leerlauf im Angesicht des Weltuntergangs

Warum nutzt man die dämonisch wabernde Hand nicht für Einflüsterungen oder dramatische Zwischenfälle? Warum baut man nicht so etwas wie die dunkle Seite der Macht auf? All diese Chancen für mehr Spannung lässt man liegen. Noch etwas ist komplett ernüchternd für Rollenspiele der Marke BioWare: Die Hauptstory, für die man bei voller Konzentration auf das Wesentliche an die 30 bis 40 Stunden benötigt, schläft nach dem recht überhasteten Einstieg ein – und zwar für viele, viele Stunden. In dieser langen Zeit versinken die wichtigen Gefährten trotz ihrer stetig eingestreuten Kommentare irgendwann als kaum interessante Mitläufer; besteigt man ein Pferd, verschwinden sie sogar wortwörtlich. Dann vermisst man sie kaum, weil sie sich einfach zu wenig einmischen und viel im Klamauk palavern. Die pulsierende Hand? Egal. Die Party? Egal.

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Eine Bresche am Himmel: Wie kann man diese dämonische Bedrohung bekämpfen? © 4P/Screenshot

Sobald man erstmal als Anführer installiert ist und die Hinterlande erforscht, passiert erzählerisch oder zwischenmenschlich nichts Relevantes. Also nichts, was für Dramatik, Konflikte oder Emotionen sorgen würde. Erst mit dem Erreichen der Hauptstadt von Orlais wird die Story rund um den Konflikt zwischen Magiern, Templern und Inquisition endlich wieder fortgeführt. Aber auf was für einem Niveau! Das Drehbuch ist stellenweise plump. Da reichen ein paar Zwischensequenzen für einen Aufruhr nicht aus, wenn man ihn nicht in der Welt selbst spürt – hallo BioWare, ihr wolltet offene Welt, also zeigt es! Val Royeaux sieht zwar auf den ersten Blick malerisch aus, aber wirkt mit seinem französischen Adelsflair wie ein steriler Fremdkörper. Im Vergleich zu einem Assassin’s Creed ist das in den Gassen auch Statik pur, was das Verhalten der Leute betrifft. Ich dachte, wir sind Next-Gen? Auch in anderen Regionen ist die Darstellung der Bevölkerung, die vielleicht unter Schock stehen, panisch reagieren oder zumindest nach der Flucht im Elend hausen müsste, viel zu sauber. Obwohl man in Quests für Nahrung, Kleidung, Waffen & Co sorgen muss, wird das in der Spielwelt zwar auf der einen Seite viel besser abgebildet als noch in Dragon Age 2, aber einfach nicht glaubwürdig genug für das Jahr 2014.

Machtvakuum in landschaftlicher Idylle


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Zwerg Varric kann als Schurke u.a. mit seiner Armbrust helfen. Ihr könnt für jeden Charakter genau einstellen, was er wann machen soll. © 4P/Screenshot

Dabei ist die politische Ausgangslage rein erzählerisch brisant: Weil das Oberhaupt der Kirche samt all seiner potenziellen Nachfolger getötet wurde, ist ja weltweite Unruhe sowie ein Machtvakuum entstanden. Die Völker misstrauen sich, Dämonen sorgen für Angst und Schrecken, Gruppen radikalisieren sich und ziehen aggressiv umher. Wer hat jetzt das Sagen? Die charismatische Anführerin ruft kurzerhand die Inquisition aus, will ein Heer sammeln und die Urheber des Attentats ausfindig machen. Und dann wird man in diese tolle Welt entlassen, zwischen deren Gipfeln, Wüsten und Sümpfen irgendwo auch sehr mächtige Drachen locken – soweit wird man dem Namen des Spiels noch gerecht.

Und die Kulisse ist beeindruckend: Schon die erste mitteleuropäisch anmutende Region, das so genannte

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Die Karte zeigt alle möglichen Ziele, Quests und Sehenswürdigkeiten an – manchmal schon, bevor man die Gegend erforscht hat. © 4P/Screenshot

Hinterland, ist größer als beide Vorgänger zusammen. Man kann später in zig dieser weiten Areale losziehen, die ein breites landschaftliches Spektrum von bewaldet bis bergig, von vulkanisch, sandig bis sumpfig abdecken. Dank der Frostbite-3-Engine sieht das alles verdammt ansehnlich aus, zumal man auch springen und klettern kann, um auch mal höher gelegene Plateaus zu erreichen – auch wenn Letzteres recht schwach animiert wird.

Es entsteht fast schon ein Action-Adventure-Gefühl, wenn man an Steilhängen wandert und der Magier eine zerbrochene Brücke über eine Schlucht repariert. Es gibt schmale Pässe und Wasserfälle, Seen und Höhlen, es entstehen stimmungsvolle Momente, die von rotgoldener Idylle bis bin zu trostloser Düsternis reichen. Innerhalb dieser Regionen wuseln hier und da Tiere wie Widder, Schweine oder Eichhörnchen ähnliche Nager herum. Im Hintergrund locken dunkle Türme oder mächtige Statuen. Aber BioWare macht einen Fehler. Fast alles wird zu früh angezeigt, katalogisiert oder verzeichnet. Man fühlt sich wie auf einer malerischen Sightseeing-Tour mit GPS und Wikipedia-Dauerberieselung. Spätestens hier fühlt man sich dann wie in einem Online-Rollenspiel à la Guild Wars 2.