Bei Tag muss man diese Konflikte natürlich nicht befürchten. Wer nicht mit 120 Sachen durch die atemberaubende Landschaft düsen will, kann jederzeit aussteigen und überraschend weitläufige Areale zu Fuß erkunden – die phänomenale Sicht auf Gipfel und Schluchten erstreckt sich über Kilometer. Die Bergwelt sieht fantastisch aus, weil Hänge und Bäume, Felsen und Büsche wie gemalt wirken. Ich habe noch nie so eine authentische Darstellung einer waldigen Landschaft gesehen. Hier und da rollt sich zwar Gras in einiger Entfernung auf und es gibt etwas Tearing, aber technisch ist Alan Wake hinsichtlich der Texturen und Weitsicht ein Augenschmaus.
Allerdings entlarvt eine Erkundung schon nach ein paar hundert Metern das Problem dieser Spielwelt: So authentisch die Pflanzen und Bäume auch aussehen, so leblos sind diese Wälder. Man trifft höchstens auf die allgegenwärtigen Krähen, aber sonst machen sich Tiere und Menschen rar. In den düsteren Phasen bei Nacht kann man das verstehen, aber wo sind die Bewohner von Bright Falls bei Tag? Hätte es nicht wenigstens mal Wanderer, Arbeiter oder Ähnliches geben können?
Abseits landschaftlicher Reize ist die Erkundung also eine Enttäuschung. Remedy entwirft kilometerlange Serpentinen und platziert in regelmäßigen Abständen bloß leere Autos, leere Aussichtstürme und leere Fabriken. Man findet auf diesen Autofahrten höchstens Munition, Waffen oder Thermosflaschen. Wo sind geheimnisvolle Höhlen? Warum hat man nicht wenigstens ein, zwei zusätzliche Charaktere eingebaut? Das Aufgebot an Personen ist erschreckend gering. Dafür entschädigt allerdings das mediale Angebot: Man kann bis zu elf Radio- und vierzehn TV-Sendungen finden, um mehr über
Brights Falls zu erfahren oder sich einfach zu amüsieren, weil Twilight Zone köstlich veräppelt wird oder Bewohner interviewt werden.
Schwache Animationen
Hinsichtlich der Bewegungen der Menschen kann Remedy nicht in der ersten Liga mitspielen: Alan bewegt sich fast so hüftsteif wie Max Payne anno dazumal, kann sich nicht ducken und darf manchmal selbst knietiefe Zäune nicht überspringen. In den Zeitlupen ist er ein agiler Panther, aber ansonsten wirken seine Animationen auch beim Aufheben oder Öffnen träge. Schön ist allerdings, dass er nach einem Spurt sichtbar verschnaufen muss. Ansonsten beschränkt sich sein akrobatisches Repertoire darauf, dass er über Abgründe springen kann. Es gibt auch einige Hüpf- und Kletterpassagen, aber die sind hinsichtlich Anspruch oder Weitläufigkeit nicht der Rede wert.
Die Mimik so mancher Protagonisten kann im Zeitalter von Uncharted 2 <a class="DYNLINK" onmouseover="DynToolTipp_Show('Klicken für Gameinfos‚)“ onmouseout=“DynToolTipp_Hide(); “ href=“javascript:DynCont_Display(‚Gamefinder‘,’runmod.php?sid=%7BSID%7D&LAYOUT=dyncont_gf&spielid=250228′)“>
Die deutsche Lokalisierung
Die deutschen Sprecher hinterlassen gemischte Gefühle: Auf der einen Seite gibt es sehr gut gesprochene Figuren wie den Arzt oder Barry, auf der anderen Seite einige fehl besetzte wie Alans Frau oder die Polizistin. Ein ganz schlimmer Fauxpas: „Wir müssen beim Diner anhalten“ wird mit druckstarkem Doppelkonsonant als „Wir müssen beim Dinner anhalten“ gesprochen. Angesichts der langen Entwicklungszeit und der enormen Wirkung von Stimmen verwundert es, dass man Alan nicht prominenter besetzt hat. Sein deutscher Sprecher ist zwar okay, aber alles andere als markant oder charismatisch – manchmal spricht er fast teilnahmslos. Immerhin kann man auf das amerikanische Original umschalten, das wesentlich besser wirkt.
Mehr akustische Emotionen und weniger belangloses Gequatsche hätten dennoch dramaturgische Wunder gewirkt, denn Alan kommentiert nahezu alles. Und das kann nerven, denn das Offensichtliche wird nicht dadurch gruselig, dass man es nochmal ausspricht. Im Bereich der inneren Monologe sinkt die Qualität der Texte rapide ab, weil es viel zu selten um Alans Gefühle geht. Wenn man sich dann vor Augen hält, dass er seinen eigenen Roman erlebt, besteht der zum Großteil aus seichten Beobachtungen der Marke „Es ist dunkel.“ oder „Das Haus schien leer.“ oder „Ich musste schnell weiter.“