Sind wir mal ehrlich: Kampfspiele sind leider nur bedingt partytauglich! Eine seltene Ausnahme ist Smash Bros., dank simpler Steuerung und knuffiger Figuren findet hier jeder Zugang. Mortal Kombat geht auch, bloß nicht auf Kinderpartys: Steuerkreuz hin, her, Knöpfchen, irgendwas Krasses passiert dann schon. Selbst bei Tekken führt wildes Tastenhämmern unerfahrener Gäste mitunter rasch zu ansehnlichen Ergebnissen. Wie ich über die Jahre allerdings immer wieder feststellen musste, gilt das nicht für Street Fighter. Hier gibt’s allein sechs Knöpfe fürs Schlagen und Treten unterschiedlicher Härte und Geschwindigkeit. Simpelste Spezialangriffe erfordern entweder Viertelkreis-Bewegungen oder müssen durch Halten von Richtungstasten aufgeladen werden. Spätestens jetzt treffen ratlose Blicke meiner Gäste auf überfordertes Stöhnen und letztendlich haben auf dieser Party weder ich noch meine weniger geübten Freunde Spaß. Street Fighter 6 ändert das: Jeder, der halbwegs einen Controller bedienen kann, soll schnelle Erfolge sehen, sich daran erfreuen und schließlich ganz tief eintauchen in die Welt von Street Fighter 6. Wie das gelingen soll und ob Capcoms jüngster Streich auch für erfahrene Tasten-Kämpfer interessant bleibt, klärt dieser Test.
Neben Overdrive, Parry und Rush ist Drive Impact die vierte Mechanik rund um die grüne Anzeige: Ähnlich wie die Focus Attack in Street Fighter IV aktiviert ihr den Splatoon-artigen Spezialeffekt mit zwei Tasten und durchdringt damit sogar bis zu zwei feindliche Hiebe, ehe ihr selbst einen verheerenden Treffer landet. So angeschlagene Kontrahenten taumeln oder prallen an Wänden ab, sodass ihr mit fast allem nachlegen könnt, was das Repertoire hergibt – all das für den schmalen Preis von nur einem grünen Balken. Ausgenommen sind erneut lediglich Würfe. Dafür eignen die sich hervorragend, um gegnerische Drive Impacts zuverlässig und mit großem Zeitfenster abzuwehren. Alternativ kontert ihr rechtzeitig mit einem Drive Reversal – also einem eigenen Drive Impact.
Bei der Vielzahl der Einsatzmöglichkeiten solltet ihr die Drive-Anzeige immer im Blick behalten. Sie füllt sich zwar von alleine, ist sie jedoch komplett leer, wird euer Kämpfer blass und wechselt für einige Sekunden in den Burnout-Modus. Bis die Leiste wieder voll ist, fehlen etliche Moves und ihr seid geschwächt – nur in diesem Zustand gibt es in Street Fighter 6 beim Blocken Chip-Damage!
Von den neuen Drive-Mechaniken abgekoppelt sind die Super Arts. Im Prinzip sind sie nichts anderes sind als altbekannte Super Specials, allerdings mit neuem Kniff und eigenem Energievorrat: Jeder Kämpfer hat drei unterschiedlich starke Attacken, die eine entsprechende dreistufige Anzeige am unteren Bildrand erfordern – entscheidet nach Bedarf, ob ihr einen schwachen Super Arts mehrmals oder den starken nur einmal ausführen wollt!
Next Gen-Prügeln
Als kleine Auflockerung zwischendurch gibt es im Fighting Ground noch den Spielmodus „Extremer Kampf“. Sechs verschiedene Regelwerke variieren die Anforderungen an den Sieg. Haut den Gegner fünf Mal um, teilt euch eine gemeinsame Energieleiste oder erledigt zuerst alle eingeblendeten Aufgaben. Für noch mehr Variation sorgen Gimmicks wie ein wilder Stier, Elektroschocker oder Bomben.
Letztendlich bereitet aber all das bisher Beschriebene nur auf eines vor: Online-Kämpfe! Hinter dem letzten Punkt im Menü des Fighting Ground verbergen sich Ranglisten- und Freundschaftskämpfe sowie ein Kampfsalon, zudem etabliert Capcom mit dem Battle Hub als dritte Säule neben World Tour und Fighting Ground eine ambitionierte Online-Lobby, auf die ich im Rahmen der Online-Beta bereits einen Blick werfen konnte. Der Rollback Netcode sorgt für stabile Matches selbst bei nicht optimaler Verbindungsqualität. Mit meinem Avatar begegne ich anderen Spielern, ich interagiere und kämpfe mit ihnen, im Laden kaufe ich neue Klamotten, Outfits, Farben und vieles mehr, was neben erspielbaren Drive Tickets auch Echtgeld-Einsatz für Fighter Coins erfordert. An Spielautomaten stelle ich mich globalen Herausforderern, die ich nach Region, Verbindungsqualität und sogar System filtern kann – Street Fighter 6 unterstützt plattformübergreifendes Spielen zwischen PS5, PS4, Xbox und PC, ein kostenpflichtiges PlayStation Plus Konto wird vorausgesetzt. Natürlich wird Capcom auch nicht auf regelmäßige Herausforderungen und ein kompliziertes Battle-Pass-System verzichten, um langfristig für volle Server zu sorgen. Ob die zum Launch am 2. Juni 2023 vernünftig laufen, probiere ich aus und reiche die Eindrücke zum Wochenende per Update nach.
Verstörend viele Versionen
Die getestete PS5-Version von Street Fighter 6 erscheint in Deutschland als regulärer Datenträger sowie digital in drei verschiedenen, aber allesamt verstörend komplizierten Paketen: Die Standard Edition für 69,99 Euro umfasst das Spiel samt Farbe 10 für Outfit 1 von sechs Charakteren sowie Titel und Sticker. Verwirrender noch die Deluxe Edition für 94,99 Euro, die ein Jahr Charakter-Pass mit vier Kämpfern sowie die Kostümfarben 3-10 und 4.200 Drive Tickets drauf packt. Die Ultimate Edition für 114,99 Euro hat noch mehr Kostüme, Farben und Drive Tickets und immerhin zwei zusätzliche Stages. Alles nicht so spannend, dafür mit völlig beliebiger Preisgestaltung.
Update zum Battle Hub und den manischen Mikrotransaktionen
Rechtzeitig zum Launch-Wochenende folgt das versprochene Update zum Battle Hub sowie den Mikrotransaktionen: Nach Einrichten bzw. Verknüpfen eurer Capcom-ID wählt ihr den gewünschten Server, prüft Kontakte und aktuell laufende Turniere. Anschließend erkunden wir die Spielerlobby. Am Randbereich befinden sich Spielautomaten, an denen ihr üben dürft oder anderen Spielern zuseht, während ihr darauf wartet, dass sich ein Mitspieler auf dem Platz gegenüber niederlässt und gegen euch antritt. Wie lange das dauert, hängt von euren Filtereinstellungen ab: entweder nur Sony oder alle Systeme. Die Server sind seit Donnerstagabend online, da war noch relativ wenig los, ab dem Releasetag dürfte sich das rasch ändern. Mitten in der Arena befindet sich der Bereich für Avatar-Matches, wo ihr mit eurem aktuellen Charakter aus der World Tour gegeneinander antretet. Wie oben schon beschrieben spotten die Eigenbau-Kämpfer jeglicher Spielbalance, wenn mein Level 46-Charakter gegen Stufe 1 antritt – meine Energieleiste ist locker doppelt so lang.
Dennoch macht die Klopperei Spaß und hier kommen die Mikrotransaktionen ins Spiel. Wer im Kampf etwas hermachen möchte, braucht einen individuellen Style: Am Rand der Arena befindet sich deshalb der Hub Goods Shop, der zeitlich befristete Ausrüstung und Kleidung feilbietet. Diese kostet gleich zwei Währungen: Drive Tickets und Fighter Coins. Drive Tickets erhaltet ihr entweder über eine der beiden digitalen Special Editions oder indem ihr tägliche Herausforderungen absolviert. Fighter Coins verdient ihr als Belohnung oder kauft sie für echtes Geld im jeweiligen Store eurer Konsole. Die Sony-Preise wurden erst im Laufe des Releasetags im Store bekanntgegeben und haben es in sich: 250 Coins kosten 4,99 Euro, 610 Münzen 11,99 Euro. Für 1.250 Einheiten zahlt ihr 23,99 Euro und für 2.750 stolze 49,99 Euro. Damit kosten allein die abgebildeten Schweißbänder mit 200 Punkten knapp vier Euro. Alternativ könnt ihr auch auf sämtliche erspielte Kleidung aus der World Tour zugreifen. Abseits der Avatar-Matches und des Battle Hubs generell spielen Mikrotransaktionen derzeit keine Rolle.