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Street Fighter 6 im Test: Straßenkampf für alle!

Sind wir mal ehrlich: Kampfspiele sind leider nur bedingt partytauglich! Eine seltene Ausnahme ist Smash Bros., dank simpler Steuerung und knuffiger Figuren findet hier jeder Zugang. Mortal Kombat geht auch, bloß nicht auf Kinderpartys: Steuerkreuz hin, her, Knöpfchen, irgendwas Krasses passiert dann schon. Selbst bei Tekken führt wildes Tastenhämmern unerfahrener Gäste mitunter rasch zu ansehnlichen Ergebnissen. Wie ich über die Jahre allerdings immer wieder feststellen musste, gilt das nicht für Street Fighter. Hier gibt’s allein sechs Knöpfe fürs Schlagen und Treten unterschiedlicher Härte und Geschwindigkeit. Simpelste Spezialangriffe erfordern entweder Viertelkreis-Bewegungen oder müssen durch Halten von Richtungstasten aufgeladen werden. Spätestens jetzt treffen ratlose Blicke meiner Gäste auf überfordertes Stöhnen und letztendlich haben auf dieser Party weder ich noch meine weniger geübten Freunde Spaß. Street Fighter 6 ändert das: Jeder, der halbwegs einen Controller bedienen kann, soll schnelle Erfolge sehen, sich daran erfreuen und schließlich ganz tief eintauchen in die Welt von Street Fighter 6. Wie das gelingen soll und ob Capcoms jüngster Streich auch für erfahrene Tasten-Kämpfer interessant bleibt, klärt dieser Test.

© Capcom / Capcom

Fade Weltreise

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Die eigentlichen Kämpfe im World-Tour-Modus erinnern an Capcoms Final-Fight-Reihe: Verprügelt mehrere Ganoven gleichzeitig und ruft Verbündete wie Dee Jay zu Hilfe! Wahlweise mit klassischer oder moderner Steuerung. © 4P/Screenshot

Der World Tour Modus richtet sich an Neulinge in der Welt des Straßenkampfs und ist nicht weniger als ein 20-30-stündiges Rollenspiel, das mit einem enorm umfangreichen Charakter-Editor beginnt, bei dem ihr euch vom Verhältnis von Muskelmasse und Definition bis hin zum Winkel des Nasenlochs austoben dürft, zeitgemäß bestimmt ihr Erscheinungsbild, Geschlecht und Stimme unabhängig voneinander. Weil man hier locker Stunden verbringen kann, erleichtert das Spiel die Entscheidung durch eine Reihe von Vorschlägen und Zufallsgeneratoren. Ob Ihr euch selbst originalgetreu nachbaut oder bizarr deformierte Monster erschafft, bleibt eurer Kreativität und Geduld überlassen. Bloß die Haare sind unansehnlich und die Auswahl an Frisuren zu gering, immerhin lässt sich bei den meisten die Haarlänge anpassen. Spätere Veränderungen am Aussehen sind beim Kosmetiker für kleines Spielgeld möglich.

 

 

Auf der Suche nach Stärke und einem Sinn fürs Kämpfen erkundet ihr mit eurem Avatar Metro City. Richtig, die Stadt aus Final Fight, in der Bürgermeister Haggar die letzten Jahre das Verbrechen bekämpfte und nun Gangster Thrasher Damnd mit der Mad Gear Gang sein Unwesen treibt – eingefleischte Capcom-Fans bekommen hier ihre Portion Arcade-Nostalgie! Erkundet die Straßen bei Tag und Nacht, erledigt Botengänge, geht Shoppen, verbessert und färbt Kleidung, messt euch im Duell mit Passanten oder reist um die Welt, um bei legendären Straßenkämpfern in die Lehre zu gehen. So steigt ihr allmählich im Erfahrungsrang auf, werdet stärker und erlernt neue Stile und Spezialattacken. Besucht eure Lehrer regelmäßig und erweist ihnen mit Geschenken eure Aufwartung, um Beziehungen zu pflegen, wodurch sie euch weitere Angriffe beibringen und im Kampf zu Hilfe eilen. Mit der Zeit erspielt ihr mehrere Slots für Spezialattacken eurer Meister, die ihr frei mischen dürft. Mit Chun Lis Spinning Bird Kick gepaart mit Blankas Elektroschocker, Dee Jays Schuss und Kens Uppercut ist man für die meisten Fälle ganz gut gewappnet, unterwandert aber jede Spielbalance. Das Erspielen neuer Moves dauert eine gefühlte Ewigkeit und man kloppt sich endlos durch selten anspruchsvolle Kämpfe.

 

 

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In charakterspezifischen Tutorials lernt ihr sämtliche Grundlagen und Besonderheiten aller Moves, sorgfältig aufbereitet, komfortabel zu nutzen und insgesamt sehr lehrreich, aber auch ziemlich anspruchsvoll. © 4P/Screenshot

Ähnlich unausgewogen ist der Rüstungsaspekt der Kleidung: Sehr früh erhält man ein Blanka-Kostüm mit völlig überzogenen Statuswerten, das obendrein noch verbessert werden kann. Das reduziert alle anderen Kleidungsstücke auf ihren kosmetischen Aspekt, den man erfreulicherweise separat bestimmen darf. Warum allerdings die mögliche Farbpalette neuer Klamotten so beschränkt und kostspielig ist, wird nicht erklärt. In seiner zusammengestückelten Holprigkeit ähnelt die World Tour eher einem No More Heroes und wirkt technisch wie inszenatorisch wie ein 20 Jahre altes PS2-Spiel: Personen, die weiter als fünfzehn Meter entfernt sind, bewegen sich mit sichtbar reduzierter Animationsqualität. Beim Rennen oder Laden neuer Bildschirme blenden langsam Personen und Objekte ins Bild. Texturen sind oft unscharf, die Spielwelt wirkt statisch und leblos, nie aus einem Guss.

 

 

Unabhängig von Grafik- oder Leistungsmodus gibt es einen Regler für verringerte Eingabeverzögerung. Er deaktiviert V-Sync, was für permanentes Tearing sorgt – ein hoher Preis dafür, dass der Effekt in der Stadt ohnehin keine Rolle spielt. Die Hintergrundmusik dudelt derweil belanglos vor sich hin und die wenigsten Gespräche sind vertont. Meist raunen die Figuren irgendwelche Phrasen, während der eigentliche Dialog mit meinem stummen Protagonisten in Textkästen stattfindet.

Umfangreicher geht kaum: Der Trainings-Modus bietet etliche Einstellmöglichkeiten für Anfänger und Profis – inklusive Frame-Zähler für jeden einzelnen Move.

Für Kämpfe wechselt das Spiel in die klassische Seitenansicht und konfrontiert euch meist mit mehr als einem Kontrahenten gleichzeitig. Erfüllt ihr dabei bestimmte Voraussetzungen, prügelt ihr besondere Beute und Rohstoffe aus den Gegnern. Das Herumexperimentieren mit dem eigenen Avatar und die Loot-Spirale locken, allerdings dürfte es Spieler mit ernsteren Ambitionen bald in Richtung Fighting Ground ziehen.