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Resident Evil 4 (2005) im Test: Survival-Horror in Reinkultur

Mit Resident Evil 4 feiert einer der beliebtesten Ableger des Horror-Shooters am heutigen Tag (11. Januar) ein besonderes Jubiläum. Heute vor 20 Jahren kam das von Capcom zunächst nur für den Nintendo GameCube veröffentliche Actiongame in Nordamerika auf den Markt. Der Release bei uns folgte gut zwei Monate später – und über die Jahre hinweg noch weitere Portierungen, bis hin zum gefeierten Remake im Jahr 2023.

Test Teaserbild zu Resident Evil 4
© Capcom (Adobe Photoshop [M])

Zettelwirtschaft

Irgendwann verliert das Drehbuch, verliert selbst der Hauptdarsteller an Bedeutung und Leon wütet sich fast wie ein anonymer Held durch die finsteren Horden. Nur seine fürsorgliche Beziehung zu Ashley sorgt für emotionale Konturen. Die Zwischensequenzen dienen weniger der Fortführung der Erzählung, als vielmehr der effektvollen Präsentation des nächsten Gegners. Die ist grandios, stylisch, edel. Aber der rote Faden der Ursachen des Übels und der Herkunft der Sekte wird lediglich über knapp zwei Dutzend Notizen, Zettel und Tagebücher weiter gesponnen.

Das ist an sich nichts Schlechtes. Aber erstens wirkt es wie ein antiquierter Stilbruch im Vergleich zu den fantastischen Filmen, und zweitens liest man dort tatsächlich immer von Dingen, die gerade erst passiert sein sollen: Leon kommt in eine Hütte und findet den Schrieb von Luis, der vor wenigen Sekunden da war. Das wiederholt sich im Laufe des Spiels, so dass man sich wie eine Katze vorkommt, die einer Story-Maus hinterherjagt. Warum kann man Luis oder Ashley nicht mal direkt ansprechen?

Unkommunikativer Leon Kennedy

Immerhin hat Capcom den Einstieg und die finalen Stunden sehr gut inszeniert. Es gibt sogar Codec-ähnliche Dialoge mit der Zentrale. Aber diese an sich gute Kommunikationstechnik wurde nicht konsequent genug umgesetzt, denn es ist nicht von Leons Seite aus nutzbar: Snake kann mehrere Personen um Rat fragen, Leon ist auf Anrufe angewiesen. Man hätte über die Funkverbindung nicht nur mehr über die nette Brünette erfahren können, die plötzlich ohne charakterliche Duftmarke verschwindet, sondern auch viel besser als über Zettelchen die Hintergründe und die Rätsel präsentieren können.

Leon hätte so zum Beispiel etwas über dieses spanische Dorf, über den Orden der Illuminati oder Präsidententochter Ashley recherchieren können. Und spätestens, als der Name Umbrella auftaucht, hätte man dem Spieler wenigstens eine kleine Recherchemöglichkeit geben müssen. Und selbst die brechen irgendwann ab, weil die Frequenz von der Sekte gekapert wird. Aber das hat wieder einen anderen Vorteil: Daraufhin ergeben sich einige köstliche verbale Attacken mit viel Zynismus.

Leon ist immer für einen coolen Spruch gut, wenn ihn die Schergen des Bösen anfunken. Und insbesondere die überzeichneten Schurken gewinnen hier an Profil und retten die Story mit ihren Sticheleien, politischen Anspielungen und beleidigten Antworten auf ein befriedigendes Niveau. Vielleicht kann das kürzlich angekündigte Resident Evil 5 hier nachlegen.

Spielspaßflamme lodert

Aber sorgt dieser Wunsch nach etwas dynamischerer Kommunikation für einen Spielspaßeinbruch? Sinkt die Motivation, weil man nach einem ausgefeilteren Drehbuch lechzt? Nein, nicht wirklich. Obwohl ich ein Freund anspruchsvoller Plots bin und hier eher eine Fastfood-Variante bekomme, macht mich die Story satt genug. Denn sie ist weit weg von einem Reinfall: Wenn der mysteriöse Spanier Luis auftaucht, wenn das Ausmaß der Plage deutlich wird und sich der Schatten von Umbrella über das Labor legt, wühlt man sich interessiert durch die kommenden Texte. Am Ende schließt sich auch der erzählerische Kreis zur Resident Evil-Reihe. Ein Archiv speichert das alles zum Nachlesen.

Screenshot aus dem Original Resident Evil 4 von 2005
Ein Mantel mit Verwöhnaroma: Der Händler bestückt euch mit allem, was das Waffenherz begehrt. Credit: Capcom (Screenshot | 4P)

Und es gibt noch eine magische Zutat, die dieses Spiel so großartig macht und die diese Schwächen in der erzählerischen Präsentation locker ausgleicht: der Rhythmus. Dieser süße Wechsel von hektischer Adrenalin-Action und fast schon idyllischer Ruhe. Denn es kann noch so derb abgehen, irgendwann sieht man die blau lodernden Feuer: Da steht eine Schreibmaschine, da wartet ein Händler, da ist man sicher.

Der Kapuzenmann mit der rauen Stimme wird zu eurem treuesten Freund, denn er hat alles, was das Monsterjägerherz begehrt. Und wer ihm zehn Medaillons bringt, bekommt sogar eine spezielle Pistole, die gleich durch zwei Feinde schießt. Neu ist, dass man die Waffen in vier Kategorien aufrüsten kann: Durchschlagskraft, Nachlade- und Feuergeschwindigkeit sowie Fassungsvermögen – ein nicht zu unterschätzender Motivationsfaktor.

Im Laufe des Spiels hat man oft die Qual der Wahl, ob man altgeliebte Eisen weiter tunen oder lieber ganz neue kaufen will. Denn das Sortiment des Händlers wird ständig erweitert und man kann die neuen Schätze meist gleich auf speziellen Schießbahnen ausprobieren. Wer hier gegen die Zeit eine bestimmte Punktzahl erreicht, schaltet kleine Extras wie Figuren der Protagonisten frei.