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Oculus Quest (Hardware) – Endlich frei!

Kein teurer PC, keine störenden Kabel, kein Gebastel mit dem Smartphone: Oculus Quest verspricht ein neues Freiheitsgefühl in der Virtuellen Realität, ganz ohne im Zimmer aufgebaute Sensoren. Und anders als bei der alten Oculus GO erweist sich das 6DOF-Tracking (Six Degrees of Freedom) als erfreulich präzise, so dass wir uns tatsächlich völlig in manchen der Roomscale-Spiele verloren haben. Mehr zum autarken VR-Headset und dem Spiele-Lineup im Test.

© Oculus / Facebook / Oculus / Facebook

Etwas frontlastig

Mit all der Hardware im Gerät macht sich auch das relativ hohe Gewicht von rund 570 Gramm (etwa 100 Gramm mehr als bei der Rift) negativ bemerkbar. Im Gegensatz zur Vive Pro ist es nicht gut ausbalanciert sondern frontlastig, so dass sich mein Nacken nach ein paar langen Tagen mit der Quest ein wenig verspannt anfühlte. Für Mobil-Verhältnisse ist das Kopfband mit seinem nach oben klappbaren Bügel aber trotzdem verhältnismäßig komfortabel. Zieht man die drei Klettverschlüsse ordentlich an, sitzt die Brille auch bei schnellen Drehungen sicher vorm Gesicht, so dass man sich komplett aufs Spiel konzentrieren kann.

Den Nachteil daran konnte ich nach Eikes erstem Testspiel auf seiner Glatze bewundern: Danach lief er etwa eine Stunde lang mit einem fetten roten Streifen auf der Stirn herum. Im Gegenzug war er geradezu entzückt darüber, wie problemlos seine Brille unters Headset passte. Der Abstandshalter dafür ist schnell und elegant unterm Gesichtspolster verstaut. Ritsch-ratsch, klick-klack, ritsch-ratsch – und binnen Sekunden sitzt der schmale Plastikbügel sicher unterm Schaumstoff. Eine weitere Stärke ist der mechanische IPD-Regler für die individuelle Einstellung des Pupillenabstands, der z.B. bei der rein digitalen Lösung von Rift S oder PlayStation VR fehlt. Allgemein fühlt sich die Verarbeitung des Headsets relativ wertig an. Sinnvoll wirkt zudem die Akku-Größe für rund zweieinhalb Spielstunden. Obwohl ich dank entspannter Augen hier auch mal länger als eine Stunde am Stück spiele, reichen kurze Pausen meist, um wieder einen Großteil der Energie mit dem USB-C-Adapter nachzuladen.

Sparprogramm beim Sound

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Vom Schutzgitter des Guardian-Systems macht das System leider keine Screenshots – es lässt sich aber kinderleicht auf den Boden zeichnen! © 4P/Screenshot

Gespart hat Facebook leider beim Sound: Anders als bei der Rift gibt es keine klappbaren eingebauten Ohrhörer. Stattdessen plärrt der Sound aus seitlichen Schlitzen im Kopfbügel. Ein Vorteil daran ist, dass man das Headset jedem Interessierten in Sekundenschnelle überstülpen kann. Meine Kollegen beschwerten sich aber ziemlich schnell über die Lärmbelästigung und es mangelt klar an Bässen! Auch die räumliche Abmischung leidet, so dass ich meine Gegner mit eingestöpselten In-Ear-Kopfhörern (liegen nicht bei) besser orten konnte. Ich bin gespannt, wie gut sich Valves Index-Headset in diesem Punkt schlagen wird: Dessen Hörer berühren bekanntlich ebenfalls nicht die Ohrmuscheln, sondern „schweben“ lediglich darüber.

Musik- und Filmfans finden im Store bereits einige Apps für 360-Grad-Videos von Konzerten, Dokus, Nachrichtensendungen, Horror-Kurzfilmen und mehr. Als ich z.B. mitten über den Zuschauern auf dem Tomorrowland-Festival thronte oder auf einem Kran eine Flugzeug-Enteisung beobachtete, wirkte das Umschauen bereits deutlich sauberer und detailreicher, als ich das von entsprechenden frühen Angeboten auf Oculus Rift oder PlayStation VR gewohnt war. Ein cooles Feature ist zudem, sich mit Hilfe der App „Wander“ und Google Street View an bestimmte dreidimensionale Orte auf der Erde zu beamen und kleine Expeditionen zu starten.

Brauchbarer Videogenuss

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Die alten Touch-Controller der Rift (oben) und die neuen Exemplare der Quest im Vergleich. © 4P/Screenshot

Wer möchte, kann sich für virtuelle „Führungen“ online mit Freunden oder anderen Nutzern verbinden – was wir momentan aber mangels Teilnehmern noch nicht ausprobiert haben. Auch 2D-Videos und Fotogalerien lassen sich betrachten und per USB oder Cloud-Diensten wie Dropbox und Instagram übertragen. Dank der gestiegenen Auflösung erinnern Filme beinahe schon an die Bildqualität eines alten 720p-Projektors. Mit der Quest könnte ich mir also schon eher vorstellen, unterwegs ein wenig auf die virtuelle Leinwand zu starren als bei älteren Headsets. Twitch-Nutzer und Youtuber können übrigens unkompliziert Spielszenen mitschneiden oder streamen, allerdings nicht von den Copyright-geschützten Video-Angeboten. In Europa sind bislang keine großen Streaming-Dienste wie Netflix oder Amazon verfügbar, sondern lediglich Red Bull TV, Fox Now, Neverthink sowie diverse Kanäle mit geschätzt über hundert 3D-Videos. Ebenfalls verfügbar ist ein Web-Browser von Oculus.