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Mare (Adventure) – Hommage an Ico

Ico lässt grüßen: Eine hilflose Begleiterin, ein künstlicher Vogel und bedrohlich knisternde elektrische Installationen stehen im Mittelpunkt von Mare. Nach drei Jahren Funkstille hat das überraschend veröffentlichte VR-Adventure von Rui Guerreiro und Visiontrick Media unsere Neugier geweckt. Ein schlechtes Vorzeichen aus der Entwicklungshölle oder ein ähnlich vereinnahmendes Kunstwerk wie das surreale Paper Beast?

© Visiontrick Media / Visiontrick Media

Jetzt nur nicht den Blick abwenden…

Ich verrate lieber nicht zu viel über sie und ihre Bannstrahlen, wollte aber immerhin kurz erwähnen, dass ihr Einsatz schön Gebrauch von den Möglichkeiten der Virtuellen Realität macht: Wende ich meinen Blick nur kurz vom Schützling ab, schlurft plötzlich ein ganzes Grüppchen der finsteren Gesellen in ihre Richtung. Auch mechanische Tricks wie die Aktivierung uralter Technik und das Umleiten rostig quietschender Schienenfahrzeuge auf hügeligen Strecken bereichern die Puzzles. Die einzigen schwerwiegenden Kritikpunkte dabei sind, dass das Potenzial der Mechaniken während der kurzen Spielzeit nur angeschnitten wird und dass es so gut wie keine richtig anspruchsvollen Kopfnüsse gibt.

Lediglich das Auffinden der in Randbereichen versteckten Tier-Artefakte gestaltet sich etwas kniffliger; der Rest der Aufgaben lässt sich auch von Einsteigern lösen, wenn sie sich ausgiebig umschauen und ein wenig mit den Fähigkeiten des elektrischen Vogelstrahls experimentieren. Die Einsteigerfreundlichkeit hat natürlich auch ihre Vorteile für die dauerhafte Immersion, da man im Gegensatz zum bockschweren

Myst

(zum Test) nicht darauf angewiesen ist, zwischendurch das Headset für Notizen oder eine Komplettlösung abzusetzen.

Ein Sprung in der Platte


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Die Welt ist durchzogen von manipulierbaren metallenen Apparaturen, Gerippen und Tieren. Die Animationen des Mädchens wirken zwar nicht allzu abwechslungsreich, aber passend. © 4P/Screenshot

Ein Rätsel ist mir außerdem, warum man dem rätselhaften Mädchen in ihrer unbekannten Sprache nur rund fünf Satzfetzen gegönnt hat. Phrasen wie „Ess‘ isch Domino?“ oder „Wolle Kompott?“ sorgten bei mir zunächst für ein Hungergefühl, zumal „Ei-Schute!“ wie ein belegtes Ei-Brötchen einer Hamburger Bäckerei klingt. Auf Dauer schlugen mir die hundertfach wiederholten Satzfetzen aber auf den Magen. Handelte es sich vielleicht nur um Platzhalter-Samples, für die das Team kurz vor Release nicht mehr rechtzeitig Ersatz fand? Die häufigen Rufe haben aber immerhin den Vorteil, dass sich das Mädchen im Gewirr der Treppen oder auch hinter Mauern stets räumlich einwandfrei orten lässt.

Als mich die Spielregie zu einem Alleingang zwang, ertappte ich mich sogar dabei, wie ich das Gebrabbel plötzlich vermisste – und wie die ungewohnte Stille meinen Beschützerinstinkt anfachte. Kein „Weiß i!“, kein „Bazingaaa!“, nur der pfeifende Wind in den Blättern. Nun sag doch was! Da auch das Ende nicht alle Fragen beantwortet, gibt es übrigens eine kleine Extra-Motivation, die bereits beschriebenen versteckten Tier-Artefakte zu sammeln, damit sie ein weiteres Geheimnis enthüllen.