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[GUI_PLAYER(ID=108714,width=400,text=Die ersten zehn Minuten von Killzone: Shadow Fall.,align=right)]Die politische Ausgangslage von Killzone: Shadow Fall ist interessant, weil sich in ihr durchaus Weltgeschichte spiegelt: Geflüchtete Helghast und einheimische Vektaner leben in einer geteilten Stadt – zwischen Hass und Vorurteilen, Armut und Luxus. Die Trennung wird von einem riesigen Damm symbolisiert, der wie ein Mahnmal der Unüberwindlichkeit zwischen den Völkern steht, satte zwei Kilometer hoch und 24 Kilometer lang. Als die Kamera dieses Monument ins Visier nimmt, an das sich die ganze Stadt mit ihren elegant geschwungenen Wolkenkratzern und glänzenden Fassaden schmiegt, zeigt sich auch die Schönheit dieser Metropole, die wie ein futuristisches Dubai an der Küste thront.
Architektonisch ist dieses Spiel nicht nur hier am Boden beeindruckend, sondern auch später im Weltraum, wenn man plötzlich wie ein Wurm vor einer Raumstation von orbitaler Größe schwebt. Der Einsatz von Licht und Schatten ist stellenweise grandios, die Sicht ist weit und die Oberflächen von Gestein oder Holz sind schartig, porös, gemasert. Sieht das besser aus als Battlefield 4 auf PlayStation 4? Ja. Zwar gibt es auch weniger prächtige Abschnitte in den etwas monotonen Minen und Containersiedlungen, außerdem kann dieses Spiel innen nicht so glänzen wie außen. Aber Guerrilla Games bereichert seine bisher recht düstere Spielwelt nicht nur mutig um mehr Farbe, sondern auch um idyllische Facetten, die man bisher noch gar nicht kannte – auf Vekta gibt es Sonne, Wald und Wasserfall. Diese prächtige Aussicht hilft den Bewohnern natürlich nicht. Es herrscht eine angespannte Stimmung.

Und die wird stellenweise sehr gut transportiert: Es gibt Checkpoints, Durchsuchungen, Überwachungskameras sowie ständiges Misstrauen unter allen Beteiligten. Es gelingt Killzone sogar, der Gesellschaft der Siegermacht den Spiegel vorzuhalten. Schließlich hat es mit der Integration der Fremden nicht geklappt: Da hocken junge Helghaner (gekleidet im unfreiwillig komischen Stil der Hitlerjugend) wie indoktrinierte Opfer des Systems ohne Hoffnung auf eine Zukunft, wollen sich sogar umbringen. Sie werden von radikalen Hetzern aufgewiegelt, während auf der anderen Seite junge Vektaner als Kämpfer für die Heimat scharf gemacht werden. Natürlich bleibt es bei viel Schwarz und Weiß. Aber Killzone bringt zum ersten Mal so etwas wie eine Grauzone in diesen ideologischen Konflikt, zumal auch die Menschen dahinter sichtbar werden. Dazu tragen Dossiers, Comics sowie gesprochene Tagebücher zumindest einen Teil bei. Die Qualität dieser erzählerischen Brotkrumen reicht allerdings von steinhart bis genießbar. Man liest sie nur auf, weil sie irgendwo funkeln. Aber nicht, weil man sich davon eine Information erhofft. Warum eigentlich nicht?
Äußere Inszenierung und Regie
Aber vergesst die anspruchsvolle ideologische Bühne: Letztlich ist das hier auch nicht mehr als ein fucking Shooter. Und das merkt man recht schnell, denn die Story kann trotz der brisanten Lage keine Sogwirkung entfachen, weil die Identifikation mit den wenigen Charakteren schwer fällt. Der eigene Chef ist ein fanatischer, aber stellenweise gut gespielter (!) Arsch, der wie der große böse Wolf der vektanischen Spezialeinheiten seine Beute im Hintergrund erlegt. Man selbst ist sein abgerichtetes Hündchen Lucas Kellan, das bald von der Leine gelassen wird.
Die äußere Inszenierung ist mal wieder wesentlich besser als das eigentliche Drehbuch und eine Regie, die sich zu wenig Zeit für Entwicklung und Motive lässt, ja sogar plump ganze Jahre im Leben des „Helden“ überspringt. Warum hat man seiner Ausbildung nicht etwas Zeit gegeben? Es werden kaum charismatische Antagonisten aufgebaut und es gibt einige Logiklücken. Als kleiner vektanischer Junge begleitet man seinen Vater auf der Flucht aus der Zone der Helghast – aus irgendeinem Grund wird gerade alles abgeriegelt und es gibt kein freies Geleit auf die Seite der Vektaner. Warum arbeiten die beiden überhaupt dort? Schon bald erkennt man die ersten schwer bewaffneten Patrouillen der Helghast, die alles mit ihren rot glimmenden Blicken durchkämmen. Das Artdesign dieser grimmigen Soldaten ist immer noch eine

Augenweide. Sie sehen wesentlich plastischer aus, was Kleidung, Knöpfe, Nieten und Details angeht als noch in Killzone 3: Polygone, Texturen und Lichtpunkte pro Figur wurden vervielfacht.
Aber das hilft nichts, wenn das Schauspiel nicht gut genug ist. Obwohl man gleich zu Beginn eine spannende Situation mit tragischem Ausgang erlebt, wollte es mir nicht so unter die Haut gehen wie es sollte. Ich dachte, dass man Gefühle mit den neuen Konsolen viel besser transportieren könne, weil ja dann alles so viel potenter sei? Okay, lassen wir den Sarkasmus. Die fehlende emotionale Anbindung rührt jedenfalls nur zum Teil daher, dass die Tonabmischung mitunter Probleme hat, wenn der Vater viel zu leise ist; später gibt es auch mal eine komplett englische Passage, die die Übersetzung übersehen hat.
Viel zu schnell schlüpft man aber nach dem Vorfall in die Rolle eines Jungen, der unter Ausnutzung des Rachemotivs zum besonders eifrigen „Shadow Marschall“ erzogen wird und den Feind daraufhin in zig Missionen infiltriert. Schade, dass sich Guerilla nicht mehr Zeit lässt. Schade, dass man nicht von Beginn an in die Rolle eines Helghaners schlüpfen durfte, um die andere Seite hautnah zu erleben. Immerhin wird diese Perspektive bald von einer mysteriösen Frau eingenommen, die aufgrund ihrer eigenen Sicht auf den politischen Status quo sowohl Neugier als auch Zweifel beim sturen Befehlsempfänger Lucas weckt.
Rotkäppchen hatte ja schon immer Talent, den Wölfen das Handwerk zu legen. Und diese Lady ex machina rettet noch einige andere dramaturgische Kohlen aus dem Feuer, verleiht dem letzten Drittel der knapp zehn Stunden währenden Kampagne noch etwas Würze. Kurzum: Ich mag sie. Oder suche ich schon nach Motiven wo keine sind? Schaut selbst. Die Niederländer um Hulst scheinen zumindest von mythisch-deutscher Symbolik fasziniert zu sein. Aber das rettet die guten erzählerischen Ansätze auch nicht mehr. Deshalb schaltet man den Kopf recht früh auf Klischee-DurchZug und will zumindest in 1080p ordentlich Higs aufmischen.