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Horizon Zero Dawn (Action-Adventure) – Ronja Maschinentochter

Als Guerrilla Games vor zwei Jahren Horizon Zero Dawn ankündigte, konnte man die Nervosität von Sony spüren. Kein Wunder, denn die bisher für den Shooter Killzone verantwortlichen Niederländer wagten sich nicht nur in die von Grand Theft Auto, Assassin’s Creed, Far Cry & Co dominierte offene Welt, sondern wollten eine Art apokalyptische Steinzeit mit Pfeil, Bogen und Maschinen inklusive weiblicher Heldin inszenieren – das irritierte sogar den Sonychef. Ob dieses riskante Abenteuer auf PlayStation 4 überzeugen kann, verrät der Test.

© Guerrilla Games / Sony

Auf der Jagd nach Antworten

Die Story weckt auf zwei Ebenen, einer biografischen und historisch-politischen, die Neugier: Man will mehr über Aloys Eltern und ihre Gründe erfahren, das Kind diesem Schicksal auszusetzen. Und man will natürlich mehr über diese Welt erfahren, in der die ganz unterschiedlichen Stämme auf dem mysteriösen Fundament einer uralten Hightech-Zivilisation sowohl untereinander als auch gegen die Maschinenwesen Krieg führen. Wer ist dafür verantwortlich, dass sie immer aggressiver werden? Dass die prophezeite „Verderbnis“ droht? Wer in den Gesprächen aufmerksam zuhört und dazu die Notizen, Datenpakete, Audiologs sowie Spuren beachtet, wird so langsam das Bild einer Welt mit gewachsener Geschichte erkennen, in der die „Roten Raubzüge“ mit ihrer Vertreibung, Sklaverei und Menschenopfern für tiefes

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Aloy kann sich in drei Bereichen nach einem Aufstieg entwickeln: Jäger, Krieger und Sammler. © 4P/Screenshot

Misstrauen gesorgt haben, in der es Tyrannen und Rebellen gab. Und ähnlich wie in allen guten Abenteuern in offener Welt gibt es angesichts der Weite natürlich auch ein geografisches Ziel, eine Art zivilisatorische Mitte, auf die man aus der primitiven Peripherie heraus zusteuert – in diesem Fall ist es die Stadt Meridian, wo einst der Sonnenkönig thronte.

Guerrilla Games verleiht der Story also eine historische Tiefe und eine nachvollziehbare persönliche Perspektive. Aber wie sieht es mit der Dramaturgie aus? Es gelingt ihnen nicht nur an der richtigen Stelle des Einstiegs für einen unerwarteten Wendepunkt zu sorgen, der in seiner brutalen Inszenierung fast wie ein Stilbruch wirkt und der aus der immer noch lernenden Jägerin plötzlich eine Gejagte gemacht – an dieser Stelle lässt tatsächlich Killzone grüßen. Es gelingt ihnen aber auch noch viel später, die Story um frische Komponenten zu bereichern, die auch einem SciFi-Thriller gut zu Gesicht stehen würden. All das ist erwähnenswert, weil diese Action in offener Welt erzählerisch so positiv überrascht. Und wenn Aloy draußen unterwegs ist, zeigt Horizon: Zero Dawn auch seine technischen und spielerischen Stärken.

Die ferne Schönheit

Dass auch Landschaften etwas über die Vergangenheit erzählen können, wenn man sie mit subtiler architektonischer Sprache füllt, hat u.a. Bethesda nicht erst mit The Elder Scrolls 5: Skyrim sowie Fallout 4 immer wieder demonstriert.

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Oben zeigen gelbe Markierungen am kompass die nächsten Ziele an. Die Benutzeroberfläche lässt sich manuell anpassen und viele Hilfsfunktionen sind deaktivierbar. © 4P/Screenshot

Wenn man mit Aloy durch die Wälder, Steppen, Dschungel und Schneefelder pirscht, vorbei an grasenden Herden, entdeckt man nicht nur ganz unterschiedliche Zivilisationen und Baustile innerhalb der Stammeswelt, die von primitiv bis imperial reichen. Abseits der eigentlichen Aufgaben erkennt man immer wieder Überreste alter Maschinen, verfallene windschiefe Türme, halb im Wasser dahin rostende Fahrzeuge, unter dichter Vegetation begrabene Höhlen oder riesige Stahlgerippe, die sich wie Rampen hin zu Berghängen strecken und durch deren Bauch man so weit hinauf gelangt, bis man den Panoramablick genießen kann – manchmal kann Aloy dort tatsächlich über ihren Fokus ein Fenster in die Vergangenheit öffnen und einen kurzen Blick auf ein Stadion oder ein anderes Bauwerk werfen, bevor es unterging. Ein schöner Kniff.

Aloy hinterlässt Spuren im Schnee, Gräser biegen sich im Wind oder bei Kontakt, jedes einzelne Haar ist erkennbar und alles an Ausrüstung von der Ledertasche bis zum Mützenzipfel bewegt sich. Aber nicht diese Feinheiten oder die imposanten Wetter- und Klimawechsel sind es, die von peitschendem Regen bis hin zu Schneefall und Sandstürmen alles an partikelreichen Veränderungen anbieten. Sondern es ist diese malerische Hingabe zu Kleinigkeiten und Landmarken, die das Erkunden dieser Welt so stimmungsvoll gestaltet. Wenn man in alpiner Kulisse mit Aloy an Felswänden hinauf klettert, über Abgründen auf Seilen balanciert und nach dem Gipfelsturm an einer Winde hinunter ins Tal rast, fühlt man sich an Uncharted 4: A Thief’s End erinnert. Und spätestens wenn man an einem der riesenhaften Langhälse hinauf kraxelt,

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Nach der Jagd kann man die Maschinenwesen plündern. © 4P/Screenshot

während er weiter wie ein Maschinenturm durch die Landschaft stampft, wird auch Shadow of the Colossus zitiert. Ein Wermutstropfen bleibt jedoch das Wasser: Zwar kann Aloy schwimmen und auch getarnt direkt unter der Wasseroberfläche tauchen, aber sie kann nicht in die Tiefe hinab und Seen oder Flüsse wirklich bis zum Grund erkunden.

Aber dieses prächtige Spiel bestätigt die technische Kernkompetenz von Guerrilla Games auf beeindruckende Art. Es ist ganz einfach eines der schönsten Erlebnisse in offener Welt. Daran können auch kleine Schwächen nichts ändern: Zum einen wirken die Gesichter meist zu klar und sauber – selbst nach Kämpfen oder Klettereinsätzen verschmutzt da zu wenig bis gar nichts Zum anderen ähneln sich gerade im Startgebiet viele Figuren stark, zumal man hinsichtlich der Mimik und Gestik sowie Lippensynchronität nicht an die Perfektion von Uncharted herankommt. Dafür muss man die deutsche Lokalisierung ausdrücklich loben, denn die Sprecher überzeugen auch bei weniger relevanten Charakteren. Übrigens: Wir habenhauptsächlich auf der PlayStation 4 Pro getestet. Da es auf PlayStation 4 keine gravierenden Unterschiede gibt, sondern technisch eine nahezu gleichwertige Präsentation, gibt es auch nur eine Wertung.