Rollenspiel in der Luft
Es ist erstaunlich, dass schon sehr früh ein charmantes Rollenspielflair spürbar wird: Wenn sich die Leute z.B. nach Aloy umdrehen, wenn man ihre Kommentare hört oder selbst einfache Nebencharaktere ansprechen kann. In den gut geschriebenen Dialogen kann man nicht nur nachfragen und so mehr über die Spielwelt erfahren, sondern muss sich auch manchmal entscheiden, ob man eher rational, verständnisvoll oder wütend reagiert. Meist dient das nur der eigenen situativen Interpretation von Aloys Charakter, und nicht etwa einer permanenten Entwicklung hin zu einer eher milden oder rachsüchtigen Heldin. Aber das wird später dramatischer, wenn man am Ende einer Mission mit viel Verrat und Opfern z.B. über Leben und Tod entscheiden muss.
![[GUI_STATICIMAGE(setid=81507,id=92540715)] [GUI_STATICIMAGE(setid=81507,id=92540715)]](https://dev.4p.de/wp-content/uploads/sites/13/2024/04/92540715-vollbild.jpg)
Das geht hinsichtlich der Haupt- und Nebenqueststrukturen sowie Konsequenzen zwar nicht ganz, aber fast so weit, dass man sich an The Witcher 3 erinnert fühlt. Man gerät in laufende Überfälle oder kleine Schlachten, wenn Wachen auf einer Brücke aggressive Maschinenwesen zurückschlagen oder wenn in ein befreites Banditenager die Händler und damit der Frieden einkehrt – all das sorgt für Dynamik und Glaubwürdigkeit. Hinzu kommen die wie Dungeons aufgebauten Brutstätten, deren labyrinthartige Düsternis für ein atmosphärisches Gegengewicht zur freien Natur sorgt und die ähnlich wie in The Legend of Zelda meist einen Bosskampf im Zentrum sowie neue Fähigkeiten zur Manipulation von Maschinenwesen bereithalten.
Glaubwürdige Spielwelt
Die Spielwelt ist nicht frei von Widersprüchen, denn dass man mit Pfeil und Bogen oder Stabschlägen sichtbar gepanzerte Maschinen ausschalten oder auf Knopfdruck mitten im Kampf mal eben Pfeile herstellen kann, fühlt sich
![[GUI_STATICIMAGE(setid=81507,id=92540719)] [GUI_STATICIMAGE(setid=81507,id=92540719)]](https://dev.4p.de/wp-content/uploads/sites/13/2024/04/92540719-vollbild.jpg)
einfach seltsam an. Außerdem darf man in jedem Lager auch als Fremde die dortigen Kisten plündern. Und bei allem Lob für das Rollenspielflair, muss man natürlich festhalten, dass man hier weder Fraktionen beeinflussen noch den Charakter von Aloy außerhalb ihrer Kampf-, Jagd- und Sammelfähigkeiten etwa rhetorisch oder moralisch entwickeln kann. Trotzdem liegt hier eine gehaltvolle Würze in der Luft, weil Guerrilla Games scheinbar mehr wollte als lediglich Action in hervorragender Kulisse zu inszenieren. Vor allem, wenn man der etwa 25 bis 30-stündigen Hauptquest folgt, bemerkt an allen Ecken und Enden den erzählerischen Ehrgeiz, eine glaubwürdige Welt zu erschaffen. Und das Fundament dafür lieferte ein sehr gutes Drehbuch, das auch die sozialen Aspekte thematisiert.
Die matriarchalische Gesellschaft rund um die Verehrung an eine Urmutter,
![[GUI_STATICIMAGE(setid=81507,id=92540716)] [GUI_STATICIMAGE(setid=81507,id=92540716)]](https://dev.4p.de/wp-content/uploads/sites/13/2024/04/92540716-vollbild.jpg)
strenge Rituale sowie Initiationen wird in vielen Facetten dargestellt. In dieser fernen Zukunft der Erde haben die Frauen das Sagen – zumindest im Stamm der Nora. Aber das hilft Aloy als „mutterloses“ Mädchen überhaupt nicht: Wer war ihre Mutter überhaupt? Woher kommt sie? Zumal sie sich noch weiter entfremdet, als sie nach dem Sturz in eine Höhle zwei Dinge findet, die ihr Leben und die Suche nach Antworten entscheidend verändern: Zum einen Spuren einer untergegangenen Zivilisation, die sich trotz Hightech vor irgendetwas fürchtete. Zum anderen einen kleinen Chip, den so genannten „Fokus“, der Aloy digitale Einsichten in ihre Umwelt ermöglicht, die andere nicht gewinnen. Sie bekommt plötzlich holografische Informationen, kann leuchtenden Spuren folgen, Indizien und Feinde aus der Distanz analysieren. Daraus ergeben sich ähnlich wie über Geralts Hexersinn viele detektivische, teilweise über mehrere Etappen laufende Quests, die sie z.B. von einem Tatort zum Täter führen. Und es ist auch für den Spielrhythmus eine gute Entscheidung, dass Aloy während der Nutzung des Fokus‘ stark verlangsamt ist und nicht kämpfen kann. So gibt es neben der Action während der Jagd auch genug investigative Ruhephasen.