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Ghost of Tsushima (Action-Adventure) – Blut im Sommergras

Im Jahr 1274 wird die Insel Tsushima von den Mongolen angegriffen. Im Auftrag von Kublai Khan sollen sie ganz Japan erobern. Als sie zu Zehntausenden am Strand landen, stellen sich ihnen 80 berittene Samurai entgegen. Genau an diesem Punkt der historischen Überlieferung beginnt Ghost of Tsushima. Danach öffnet sich eines der schönsten und elegantesten Abenteuer, die man in offener Welt erleben kann.

© Sucker Punch / Sony

Beute und Ausrüstung

Sucker Punch geht dabei also nicht in die Tiefe eines klassischen  Rollenspiels: Vieles bleibt an der Oberfläche, es gibt keine Dialogbäume. Und wenn man die Häuser der Bewohner betritt, kann man sich wie in The Witcher 3 am Proviant bedienen – auch wenn es allen sichtbar schlecht geht. Hier wird der folgenlose Diebstahl immerhin dadurch abgeschwächt, dass die Bauern diesen Samurai sofort begrüßen und ihn meist unterstützen wollen – sie sammeln sogar und spenden an einem Tempel, an dem man nach genug guten Taten seine Belohnung abholen kann. Trotzdem hätte man das besser lösen können, indem man diese Beute gar nicht in bewohnten Häusern verteilt und nur nach Missionen ausschüttet.

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Ab und zu muss man das Gelände taktisch erkunden. © 4P/Screenshot

Ähnlich wie in The Last of Us Part 2 ertappt man sich dabei, wie man alles in Räumen durchstöbert – auch in Lagern oder Wäldern kann man auf Knopfdruck abgreifen bzw. ernten. Zunächst wirkt das Sammeln von Holz, Metall, Stoff und Waren in je drei Typen komplett überflüssig, so wie die meisten Ökosysteme in Spielen, denn sie erzwingen ja letztlich unrealistisches Verhalten. Dieses „Blitzlooten“ mit R2 hat mich aber irgendwann nicht mehr gestört, zumal man das Leuchten aus der Distanz, wie etwa Bambus in Wäldern, ja komplett ausschalten kann. Danach muss man schon sehr genau vor einem Strauch stehen, um ihn zu ernten.

Wofür braucht man all den Kram? Zum Aufrüsten natürlich. So kann man, hier sind wir bei unrealistisch, sowohl sein Katana als auch Tanto, sowohl seinen Kurz- als auch Langbogen in mehreren Stufen hinsichtlich Schaden, Reichweite & Co verbessern. Auch die Rüstung, sei es jene des Samurai, des Ronin oder des Wanderers lässt sich in dieser Art mehrstufig verbessern, so dass sie mehr Schaden abhält, besseres Verstecken erlaubt oder schnelleres Bogenschießen. All das benötigt nicht nur Eibenholz, Eisen oder das seltene Gold, sondern auch sehr viel Proviant, so dass man sich spezialisieren muss. Und wofür sind die Blumen? Damit kann man spezielle Farbmuster freischalten oder auch Hüte. Schließlich kann man in sein Katana auch noch Talismane stecken, starke goldene und schwächere graue, die wiederum die Heilung, das Parieren, die Tarnung, die Beute oder anderes anpassen.

Klettern à la Uncharted

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Immer wieder entdeckt man schöne Orte. An denen man auch  mal Sake trinkt… © 4P/Screenshot

Zurück zur Spielmechanik: Gefallen haben mir auch die teilweise überraschend langen Klettertouren zu den Kami-Schreinen, weil sie abseits des Kampfes und des Infiltrierens für akrobatische Unterhaltung à la Uncharted 4 sorgen. Auch hier geht es eher um den Flow, weniger um den Anspruch: Jin kann sich an markierten Simsen hochziehen sowie über Abgründe und auf Äste springen. Manchmal muss man auch durch enge Tunnel kriechen oder schwimmen. Wenn Feinde nahen, kann er sich etwas unter Wasser begeben und die Luft anhalten, aber das tiefe Tauchen in all den schönen Seen bis zum Grund ist leider nicht möglich.

Dafür setzt Jin irgendwann seinen Wurfhaken ein, um daran zu schwingen oder in Bergsteigermanier steile Wände zu erklimmen. Dann wird es spielerisch etwas anspruchsvoller, zumal man sich bei tiefen Stürzen verletzen oder sterben kann – erst wenn man das Abrollen erlernt, kann man sich auch in die Tiefe stürzen. Aber das Schöne an diesen Passagen ist eher der Weg zum Ziel, der einen trotz zunächst offensichtlicher Torii-Tore und selbst Wind schon mal den richtigen Pfad suchen lässt. Wenn man dann ganz oben ankommt, kann man den Panoramablick über diese wunderschöne Insel genießen.