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Far Cry Primal (Action-Adventure) – Prokrastination vor hübschen Bildern

Schön, wenn man seine Ruhe hat! Wenn man den prachtvollen Sonnenaufgang genießen und den Geräuschen der Wildnis lauschen kann. Herrlich, diese grenzenlose Freiheit, in der die Zivilisation noch gar nicht Fuß gefasst hat. In der Steinzeit waren die Wege eben weiter als sie heute sind, die Wälder idyllisch und lebensbedrohlich. Schön, wenn es so wäre! In diesem Test geht es allerdings um Far Cry Primal.

© Ubisoft Montréal / Ubisoft

Ferngesteuerte Urwald-Action

Etliche Kämpfe sind ohnehin zu einfach. Takkar wirkt wie ein übermächtiger Superheld und damit gerade in der rauen Urzeit wie ein Fremdkörper. „Superheld“ ist nicht einmal übertrieben, denn der Jäger herrscht über die Tierwelt: Nachdem er das Blut einer Ratte und sein eigenes aus dem Schädelbecher eines Schamanen getrunken hat, überblickt er seine Umgebung nicht nur aus den Augen einer fliegenden Eule, sondern hetzt auch Wölfe und Löwen auf seine Gegner – im Idealfall noch während man ein Lager im Flug der Eule auskundschaftet. Anschließend lässt er den Vogel selbst auf einen Udam oder Izila stürzen und vorbei ist der Kampf, bevor er überhaupt beginnen konnte. Natürlich gehört in besser bewachten Lagern etwas mehr Finesse sowie das Eingreifen des Superhelden dazu – viel weniger allerdings als in jedem anderen Far Cry.

Ubisoft nutzt die Tiere wie futuristische Gadgets: Auf Knopfdruck entwerten sie gefährliche Situationen, die ohne sie eine spielerische Herausforderung wären. Mit einem einzigen Knopfdruck zähmt Takkar die Tiere auch, nachdem er ihnen einen Köder vors Maul geworfen hat. Da sitzen sie dann und lassen sich von dem besänftigen, auf den sie gerade noch in Rage zu gerannt sind. Man denke an das Einfangen wilder Pferde in Red Dead Redemption und

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Per Knopfdruck stürzen sich die tierischen Begleiter auf markierte Gegner. © 4P/Screenshot

daran, wie die Reittiere stärker und schneller wurden, nachdem sie sich langsam an ihren neuen Besitzer gewöhnt hatten. Es hätte so wenig sein müssen, um ein so viel besseres Spiel zu erschaffen…

Du und dein Superheld

Es gibt ja Lichtblicke in dieser verwässerten Zeitreise, darunter die große Entscheidungsfreiheit beim Eintausch von Erfahrungspunkten gegen die zahlreichen Fähigkeiten. Immerhin könnte man dem Protagonisten eine schnellere Heilung, mehr Gesundheit oder beides verleihen, müsste im Gegenzug aber vielleicht auf das frühe Erlernen des Reitens, eine schnellere Bewegung beim Schleichen oder das Aufspüren einer größeren Menge an Rohstoffen

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In Höhlen findet Takkar vor allem Sammmelgegenstände. © 4P/Screenshot

verzichten. Takkar kann sogar Pflanzen zu sich nehmen, welche die Heilung beschleunigen oder verschiedene Fähigkeiten stärken, so dass er etwa für kurze Zeit schneller rennt. Es ist reizvoll, sich den Superhelden auf diese Art zu Eigen zu machen – doch wozu, wenn dem Abenteuer über weite Strecken der Biss fehlt, der eine durchdachte Charakterentwicklung überhaupt notwendig macht?

Tatsächlich zieht Ubisoft auch dem letzten Spannungsmoment die Zähne, wenn man nach einigen Stunden endlich statt relativ schwacher Wölfe Bären und Säbelzahntiger bändigt. Ein mächtiges Mammut, in den einführenden Minuten noch Symbol für den schweren Kampf der Menschen gegen die Natur, erledigt Takkar dann im Alleingang: Befehl an den Tiger, Speer eins, zwei, drei und vier und schon sackt das majestätische Tier zu Boden. Ein Trauerspiel aus so vielen Gründen.