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Fallout: New Vegas (Rollenspiel) – Fallout: New Vegas

Nach ein paar Schüssen in den Kopf ist das Leben für die meisten Getroffenen vorbei. Aber in Fallout: New Vegas fängt es für einen totgeweihten Kurier erst an: Er überlebt den mörderischen Überfall, weil ihn ein seltsam freundlicher Roboter aus dem blutigen Sand birgt und ein hilfsbereiter Arzt rechtzeitig die Kugeln entfernt. Bitte dreimal raten, wofür sich der frisch gerettete Held im darauf folgenden Abenteuer brennend interessiert? Richtig, und so beginnt er seine Suche in der sengenden Hitze des postnuklearen Amerika.

© Obsidian Entertainment / Namco Bandai

Skeptischer Einstieg

Attacke in vollem Lauf: Vor allem die Banditen greifen mit Macheten, Knüppeln und sonstigen Nahkampfwaffen an.

Die anfängliche  Art der Charaktererstellung im Zwiegespräch mit dem Doktor ist zwar unterhaltsam, weil ich nicht genau weiß, was am Ende eines Psychotests heraus kommt. Aber ich freue mich danach mehr über die Möglichkeit, die obskuren Ergebnisse manuell ändern zu können. So starte ich mit meinem erstellten Wunschkurier in einem Kaff namens Goodsprings, sammle erste Informationen über die Tat und helfe den wenigen Anwohnern gegen Banditen, um mich für die Kronkorken mit Lebensmitteln und Ausrüstung einzudecken. Schon bald erfahre ich etwas über die außenpolitische Machtlage im Amerika des Jahres 2281: Zwei große Parteien kämpfen um den strategisch wichtigen Hoover-Staudamm. Man muss das vier Jahre vorher angesiedelte Fallout 3 nicht kennen, um sich zurechtzufinden, aber es gibt ein paar Anspielungen für Kenner – wie etwa Aktionen der stählernen Bruderschaft.

Ansonsten werden die politischen Karten zwischen Arizona und Nevada neu gemischt: Da wäre zum einen das konservative Militär der Republik Neu Kalifornien (RNK) mit seinen Rangern und Offizieren, das aufgrund seiner strengen Gesetze beim Freiheit liebenden Landvolk eher misstrauisch beäugt wird. Auf der anderen Seite lauert die Armee der Legion, die vor allem aufgrund ihrer Brutalität und Sklaverei gefürchtet ist – ihre Soldaten sehen aus wie eine Mischung aus Mad Max-Barbaren und römischen Centurionen. Zwischen diesen Mächten agieren noch zahlreiche Banden, rivalisierende Händler, Kultisten und vor allem die große Stadt New Vegas, die sich bisher weder der RNK noch der Legion angeschlossen hat. Auch dort kämpfen drei mafiöse Gruppen um die Macht. Und wer ist eigentlich Mr. House? Der Pate? Aber obwohl das neugierig macht und sich nach angenehmer Fraktionsvielfalt anhört, die vor allem im späteren Verlauf für Spannung sorgt, tue ich mich mit dem Abenteuer zunächst schwer.

Eine Technik, die nicht begeistert

Man erstellt seinen Charakter in einem Psychotest, kann aber später alles manuell anpassen.

Nicht nur, weil die Kuriergeschichte etwas aufgesetzt wirkt, sondern weil die Kulisse zwei Jahre nach Fallout 3 nicht gerade begeistert. Der Asphalt lockt zwar in Ego- oder Schultersicht mit angenehmer Schärfe und im Vergleich zu anno 2008 wirkt das Spiel gerade auf Konsolen etwas weicher, farbenfroher und der Himmel einladender – der Abstand zum Rechner ist diesmal deutlich geringer. Das Rollenspiel zeigt allerdings eine Wüstenkulisse, die hinsichtlich der Texturen und Details eine Klasse hinter Red Dead Redemption <a class="DYNLINK" onmouseover="DynToolTipp_Show('Klicken für Gameinfos‚)“ onmouseout=“DynToolTipp_Hide(); “ href=“javascript:DynCont_Display(‚Gamefinder‘,’runmod.php?sid=%7BSID%7D&LAYOUT=dyncont_gf&spielid=251953′)“>

liegt, und eine Mimik sowie Figurenanimationen, die eine Klasse hinter Mass Effect 2 <a class="DYNLINK" onmouseover="DynToolTipp_Show('Klicken für Gameinfos‚)“ onmouseout=“DynToolTipp_Hide(); “ href=“javascript:DynCont_Display(‚Gamefinder‘,’runmod.php?sid=%7BSID%7D&LAYOUT=dyncont_gf&spielid=15763′)“>
liegen. Hinzu kommen einige Probleme mit Clippings und Kollisionen: Da versinkt ein Skorpion im Kampf schon mal komplett in der Felstextur, da schwebt schon mal eine Kuh einen Meter in der Höhe, wenn sie einem Schrottauto begegnet und die Todesanimation zeigen manchmal alberne Ragdollverrenkungen, die mit Physik nichts zu tun haben. Warum fliegt ein Mann nach einem Kopfschuss wie eine Puppe acht Meter in die Luft? Dieses Fallout hat einige hässliche Seiten und kann trotz seiner weiten Sicht weder die Pop-ups noch die Fade-ins auf allen Systemen verbergen. Also machen wir es kurz: Obsidian kann im Jahr 2010 keine Technikbegeisterung entfachen, denn auch wenn das Ganze auf dem PC noch etwas schärfer aussieht als auf 360 oder PS3, gibt es auch dort all diese Defizite bis hin zum späten Nachladen von Texturen.

Zwischen Kreuzigung und Countrysong

Aber Obsidian kann eine bizarre Stimmung zwischen Endzeitwahnsinn und Heileweltidylle im 50er-Jahre-Stil erzeugen: Wenn ich auf meiner Wanderung an Gekreuzigten vorbei komme, die noch lebend am Holz hängen (ansprechen? ausrauben? töten bzw. erlösen? danach doch ausrauben?), während im Radio ein Countrysong von romantischer Liebe schnulzt, dann ist das ein Kontrast, der es in sich hat. Man begegnet auf den ersten Blick einer Welt zwischen klaren moralischen Extremen,

Kann man einem Ghul trauen? Das Abenteuer überrascht mit markanten Charakteren und vielen guten Quests.

zwischen brutalem Sadismus und naiver Hilfsbereitschaft. Aber auf den zweiten Blick zeigen sich selbst dort die Grauzonen in all den gut geschriebenen Quests, denn selbst der gesetzestreue Sheriff oder das gerade befreite Opfer kann ein egoistisches Schwein sein. Plötzlich wird man als Retter angepöbelt! Es gibt psychopathische Wissenschaftler und selbst ein Ghul kann zum glaubwürdigen Messias werden, wenn er seine Herde per Rakete ins Paradies schießen will – eine der besten Missionen thematisiert diesen skurrilen Kult. Man ertappt sich dabei wie man vom Ghuljäger fast zum Sympathisanten wird, als der Anführer seine Philosophie erklärt. Oder soll man die Raketen doch sabotieren?

Fallout entführt mit einem sarkastischen Augenzwinkern in eine Welt jenseits von Gut und Böse. Und die deutsche Lokalisierung hinterlässt eine gute Figur: Neben gut übersetzten Texten überzeugen die Sprecher der wichtigen Nebencharaktere mit markanten Stimmen – fanatische Wissenschaftler wettern zornig, alte Cowboys nuscheln Ratschläge und Prostituierte lispeln von unerfüllten Träumen. Trotz der ärgerlichen technischen Fehler, die auch manche Quest betreffen, ist mir das Gebiet um die Mojavewüste nach einigen Stunden ans Herz gewachsen. Das liegt nicht nur an der Gewöhnung oder zu viel Whiskey, sondern an dieser einzigartigen Endzeitstimmung und der weiten Sicht auf ein gefährliches Land, das zwischen kleinen Wüstenstürmen und zerfurchten Canyons nicht nur Riesenskorpione und schnelle Geckos, sondern sehr viel Charakter zeigt. Im Zentrum steht diese monumentale Architektur der Zerstörung, die mich unter endlosen Highwaybrücken marschieren lässt, die sich wie riesige Betonschlangen gen Vegas schlängeln – immer wieder unterbrochen von Kratern und Trümmern, verlodderten Tankstellen und Kaschemmen aus Wellblechschrott. Man entdeckt riesige Kriegsdenkmäler und vergessene Vaults, aus denen Pflanzen sprießen – dieses Fallout ist etwas farbenfroher als der Vorgänger. Und wenn man sich dem Strip nähert und das Licht angeht, wirkt die Glücksspielmetropole wie ein Paradies in der Wüste; jedenfalls von außen. Sobald man die leuchtende Stadt betritt, trifft man auf rivalisierende Banden, Dealer, Erpressungen und Prostitution.