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Die Siedler: Aufstieg eines Königreichs (Taktik & Strategie) – Die Siedler: Aufstieg eines Königreichs

Wirtschaftswunder, Exportweltmeister, Baumarktfetisch – Deutschland ist für seine Aufbautugenden bekannt. Aber nicht nur im realen Alltag wird gerne gehämmert, gesägt und gewerkelt, sondern auch virtuell in aller Pracht vor dem heimischen Monitor. Natürlich spielt man auch gerne Krieg, aber noch viel lieber zimmert man in teutonischer Gemütlichkeit an seinem ganz eigenen Reich. Wie fühlt man sich als König in einem fiktiven Mittelalter?

© Blue Byte / Ubisoft

Erster kontra zweiter Blick

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So spielt sich der mittelalterliche Aufbau – schade nur, dass er immer auf dieselbe Art abläuft.

Zunächst werden allerdings beide Parteien verwöhnt. Schon der erste Blick in diese mittelalterliche Welt ist ein zauberhafter: Prächtige Städte mit Fachwerk, bunten Schildern und geschäftigen Leuten. Nur erinnern die weniger an die putzigen Siedlerfigürchen der Anfangszeit als vielmehr realistisch angehauchte Liliputaner aus Gullivers Reisen – vor allem die Helden mit ihren viel zu großen Köpfen. Aber man gewöhnt sich an diesen Stil und er hat auch seine Berechtigung: Schließlich geht es nicht nur um knuffiges Häusle bauen, sondern auch ums nackte Überleben – witzige Animationen inklusive. Wenn man mit der Kamera auf Entdeckungsreise geht, wird man neben grasenden Rehen und hoppelnden Hasen auch streunende Wolfsrudel oder vor sich hin brummende Braunbären finden. Vorsicht: Die greifen an! Der Held muss gerade bei den ersten Ausritten auf der Hut sein. Die Lands

chaft begeistert gerade noch mit ihren satten Herbsttönen und goldenen Feldern, irgendwann rieseln dann die ersten Schneeflocken hinab und tauchen alles in ein flockiges Weiß. Und das Vereisen der Flüsse sieht einfach fantastisch aus…

Die Level- und Gebäudedesigner haben wirklich sehr gute Arbeit geleistet – märchenhafte Anmut und mittelalterliche Architektur geben sich ein idyllisches Stelldichein. Der zweite Blick entlarvt allerdings auch Schwächen, denn obwohl das Treiben üppig, ansehnlich und bunt ist, vermisst man grafisch noch mehr Einzelheiten sowie Individualität und in Sachen Benutzeroberfläche bessere Hinweise: Warum gibt es keine interaktive Hilfe, wenn man in der Kampagne nicht an die Wolle kommt? Oder wenn die wirklich gute deutsche Sprachausgabe plötzlich etwas von „Ein Imker

Lebendige Landschaften, schöne Wälder und idyllische Ausblicke – in Sachen Design sieht auf den ersten Blick alles klasse aus.
hat keine Bienenstöcke mehr“ erzählt, obwohl ich drei (!) habe? Leider kann man das rote Fragezeichen nicht anklicken, um zu erfahren, woran es hapert – das wird auch Einsteiger ärgern.

Das ist allerdings kein großes Manko, denn dieses Spiel ist ansonsten sehr gut zu steuern; etwas mehr Interaktivität hätte nicht geschadet. Dass die Kamera beim Schwenk in dicht bevölkerte Städte oder Scrollen selbst starke Rechner (Intel Core 2 6400, 2,13 Ghz, 2 GB Ram, GeForce 8800 GTS) leicht ins Stottern bringt, ist ärgerlich, aber weniger schlimm. Aber dass man die Vertreter einzelner Berufe einfach geklont hat, sorgt für erste Ernüchterung: Hätte man nicht wenigstens zwei, drei Typen von Jägern oder Fischern anbieten können? Schade auch, dass die Wahl des Anführers keine Auswirkung auf das Design der Bewohner und Gebäude hat: Der Steinmetz von Beduine Hakim ist immer noch blond; lediglich seine Burg erstrahlt im arabischen Stil.

Geklonte Anführer

Innerhalb der Kampagne, in der ihr vor jedem Auftrag zwischen Anführern mit bestimmten Fähigkeiten wählen dürft, ist

So sieht eine Siedlung aus, wenn man fleißig war: Was mit Holzfällern, Lagerhaus & Co beginnt, führt irgendwann zu schmucken Patrizierhäusern mit Theater und allem Drumherum.
dieses Klonen jedoch unverständlich. Denn hier entdeckt man mehrere Dörfer und die Ältesten, die als animierte Portraits mit einem Kontakt aufnehmen, sehen tatsächlich alle gleich aus. Warum hat sich hier keiner die Mühe gemacht und mal eben ein paar andere Modelle mit dem Editor erstellt? Das wirkt einfach lieblos und steht diesem ansonsten so liebevoll gestalteten Spiel schlecht zu Gesicht.

Und wenn man durch die Gassen seiner Stadt streift, wird man trotz der vielen lobenswerten Details im Handwerk, die sogar einzelne Arbeitsgriffe wie das Räuchern des Imkers oder Wurstaufhängens des Metzgers zeigen, einige hässliche Bewegungen sehen. Nicht die ab und zu auftauchenden Clippingfehler, sondern das Übereinanderlegen von zwei, drei oder vier Figuren, wenn diese dieselben Laufwege haben. Sprich: Ab und zu entdeckt man ein Polygon mit mehreren Gesichtern, wenn z.B. Bauer, Jäger und Holzfäller zusammen von A nach B spazieren – es gibt keine Kollisionsabfrage.