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Assassin’s Creed 2 (Action-Adventure) – Assassin’s Creed 2

Im November letzten Jahres sorgte Assassin’s Creed 2 für heiße Diskussionen. Denn obwohl im Vergleich zum Vorgänger viele sinnvolle Änderungen eingebaut wurden, konnte uns Ezio nicht vollends überzeugen. Bei der jetzt erhältlichen PC-Fassung wird wieder heiß diskutiert. Allerdings stehen dieses Mal weder das Spiel noch die Verbesserungen zu den Konsolen-Fassungen  im Mittelpunkt, sondern die Premiere des neuen DRM-Systems von Ubisoft. Das ist schade, denn auf dem PC ist das Abenteuer empfehlenswerter als je zuvor.

© Ubisoft Montreal / Ubisoft

Klettern auf Schienen 2.0

Das Klettern im Vorgänger hinterließ ein zwiespältiges Gefühl. Auf der einen Seite war es ein erhebendes Gefühl, immer höhere Türme zu erklimmen, die Aussicht zu genießen oder bei den intensiven Fluchtversuchen geschickt wie eine Katze und ohne Unterbrechung von Vorsprung zu Vorsprung, von Dach zu Dach oder von Balken zu Balken zu hüpfen. Doch irgendwann wurde klar, dass die auf Automatismen und einfachste Bedienung zugeschnitte Sprung- und Klettermechanik sich dem cineastischen Erlebnis unterordnen musste, das man kreieren wollte, anstatt auf lange Sicht auch spielerische Höhepunkte zu setzen. Das machte die aus den Klettereien resultierende Aussicht nicht weniger spektakulär, aber ich wünschte mir schon im Vorgänger mehr Herausforderung.

Es ist sehr leicht, bis zum Absprungpunkt klettern. Assassin’s Creed setzt nach wie vor auf Schienen-Kraxeln.

Die gibt es in AC2 – allerdings leider nicht so konsequent und weitreichend, wie ich es mir vorgestellt hatte. Denn im Wesentlichen klettert Ezio die italienische Architektur ebenso frisch, fromm, fröhlich und frei sowie mit minimalem Einsatz  empor. Es wird zwar eine  neue Mechanik eingeführt, die geringfügiges Timing erfordert, um höhere Sprünge von Stein zu Stein einzuleiten, die ab und an sogar eingesetzt werden muss, um weiterzukommen. Doch gibt es dadurch keine grundsätzliche Änderung des Spielgefühls.

Verpasste Akrobatik-Chancen

Dabei hätte es kaum aufwändige Mittel gebraucht, um sowohl Abwechslung als auch Herausforderung etwas zu steigern: Wie wäre es z.B. mit einer Ausdaueranzeige gewesen, die abnimmt, je länger man ununterbrochen den Fassadenkletterer mimt, so dass man unter Umständen abwägen muss, ob man jetzt die nächsten 15 Meter bis zum sicheren Mauersims auf sich nimmt oder vielleicht doch eine kleine Pause einlegt, damit man sich erholen kann? Der PS2-Klassiker Shadow of  the Colossus hat gezeigt, wie ein solches System aussehen kann und bewiesen, dass es funktioniert.

Zumal Ezio in einer Szene nach einer Verfolgungsjagd deutlich außer Atem ist und zeigt, dass er nicht übermenschlich ist. Auf der anderen Seite jedoch kann er einen gut 150 Meter hohen Turm in einem Rutsch erklimmen, ohne das geringste Zeichen von Erschöpfung zu zeigen! Auch das Fallen über mehrere Stockwerke hinunter, das man durch einen simplen Knopfdruck beenden kann, der Ezio an den nächsten verfügbaren Mauervorsprung klammert, ist aus frustminimierender Sicht nachvollziehbar, hätte aber durch Quicktime-Events aufgewertet werden können, die länger und schwieriger werden, je länger Ezio fällt.

Zurück zur Erschöpfungs-Idee: Die hätte sich auch wunderbar geeignet, um Fluchtsequenzen mit einer zusätzlichen taktischen Ebene zu versehen. Verausgabe ich mich jetzt, um den Fluchtweg über Dächer und mit Dauersprint zu wählen, was beides Energie kostet, oder nutze ich eine der anderen Untertauchtaktiken in der Menge? Doch zurück zur Realität: Das nahezu unveränderter Klettern ist nur ein weiterer Mosaikstein, der zeigt, dass die Risikobereitschaft des Teams nicht all zu weit reicht. Natürlich kann man argumentieren, dass mit dem Vorgänger im Allgemeinen ein enormes Risiko gegangen wurde, dessen Erfolg man jetzt nicht mit einer vermeintlich unnötigen Weiterentwicklung gefährden möchte. Doch als Spieler möchte ich nicht nur das Gleiche in Grün, sondern nach Möglichkeit mit neuen Herausforderungen und Optionen überrascht werden. Und dafür ist die nur minimal erweiterte Klettermechanik nach wie vor zu wenig und der zweitgrößte Schwachpunkt.

KI-Problematik

Das größte Problem jedoch, das mich immer wieder aus der sorgfältig aufgebauten Renaissance-Atmosphäre heraus reißt, sind nicht die bereits aus Teil 1 bekannten futuristischen Versatzstücke, die beim Untertauchen in der Masse grafisch nochmal betont werden. Es ist das Verhalten der Wachen: Auf der einen Seite machen sie verdammt viel gut. Sie stöbern

Die aufwändige Architektur vermittelt ein lebendiges Bild der Renaissance.

nach einem geglückten Fluchtversuch auch mal misstrauisch in dem Heuhaufen, in dem Ezio sich versteckt hält; sie verfolgen Ezio je nach Fahndungslevel so lange, bis die Sichtlinie längerfristig unterbrochen ist; sie lösen Gruppen auf, in denen sich Ezio versteckt halten könnte, um ihm so auf die Schliche zu kommen; sie sehen es gar nicht gerne, wenn man Fahndungsbriefe von der Wand reißt oder die Zivil-Bevölkerung grundlos anrempelt.

Aber die Wachen sind auch so sehr in ihren Skripten gefangen, dass mitunter unsinniges Verhalten zu Tage tritt, Ein Beispiel: Ein Soldaten-Duo hält auf einem Turm Wache und läuft von A nach B nach C. An Punkt B hängt Ezio an der Außenseite des Turms und wartet darauf, eine seiner neuen Meuchel-Möglichkeiten einsetzen zu können. Der Moment naht: Die beiden kommen auf die Brüstung zu, sie drehen sich um und Ezio schlägt zu. Lautlos zieht er den auf eine seiner ausfahrbaren Klingen aufgespießten Wachmann über die Kante, ohne dass sein Kamerad es merkt. Das ist okay. Das kann passieren. Ezio ist ein Meister seiner Kunst. Nachdem Schütze Hirntot allerdings an Punkt C angekommen ist und sein Kamerad weit und breit nicht zu sehen ist, marschiert er einfach weiter. Er dreht seine Runde, als ob nichts passiert ist. Kein Zeichen der Verwunderung, keine Nachfrage, wo sein Kumpel stecken möge. Keine Reaktion. Nichts. Er marschiert weiter zu Punkt B, wo Ezio ihn auch von seiner Qual erlöst…