Und Ezio alleine kann in der Vergangenheit diese erzählerische Last nicht tragen. Hier merkt man AC2 an, dass es „nur“ der mittlere Teil der geplanten Trilogie ist. Man erfährt so viel, wie nötig ist, um etwaige Fragen aus dem Vorgänger zumindest im Ansatz zu beantworten, aber nicht genug, um vollends zufrieden zu stellen. Zudem bleibt für Spieler, die den Vorgänger nicht kennen, zu viel unbeantwortet: Was ist der Animus? Was sollen die ganzen futuristischen Zeichen in der altertümlichen Spielwelt? Hier lässt Ubisoft alle Neu-Assassinen im Regen stehen. Und oben drauf gibt es einen Haufen neuer Fragen sowie einen weiteren Cliffhanger, der mich zwar höllisch neugierig auf Teil 3 macht, aber im Gegensatz zum Vorgänger noch unzufriedener zurücklässt.
Assassinen unter sich
Stellt man die Fähigkeiten Ezios und Altairs gegenüber, hat der Meuchelmörder der Renaissance klar die Nase vorn: Nicht nur, dass er im Kampf die gleichen Konter- und Ausweichmöglichkeiten oder Wurfmesser zur Verfügung hat und er in den
Kanälen Venedigs auch schwimmend entkommen kann. Er kann im z.B. auch seinen Gegner entwaffnen, dessen Waffe selbst schwingen, ihn im Nahkampf packen und ihm weitere Schläge und Tritte verpassen, während Altair seinen Feind nur von sich wegstoßen konnte.
Außerdem kann er mit Rauchbomben seine Feinde verwirren und so eine ungefährlichere Flucht vorbereiten. Er hat zudem die Möglichkeit, eine Klinge mit Gift zu versehen und einen Feind auf diese Art und Weise auszuschalten. Er kann sogar eine Art Schusswaffe benutzen, deren Zielvorrichtung allerdings enorm viel Zeit in Anspruch nimmt. Und er kann jetzt tatsächlich in der Menge untertauchen: Jedes Mal, wenn er sich unbemerkt unter eine Gruppe von mindestens vier Passanten mischt, wird Ezio für die Wachen nicht mehr erkennbar. Optisch wird dies durch ein futuristisches Muster unter den Füßen der Gruppe sowie eine Graufärbung von Ezio und den Zivilisten kenntlich gemacht.
Viele Waffen, mächtige Klingen
Man hat also deutlich mehr Möglichkeiten, seine Tötungsmissionen zu lösen und unerkannt zu entkommen. Doch unter dem Strich spielt sich Ezio trotz aller Erweiterungen und zusätzlicher Optionen gar nicht so anders wie ich es erwartet hätte und wie es sich anhören mag. Was vor allem einer bislang noch nicht erwähnten Ergänzung seines Arsenals zuzuschreiben ist: Der Doppelklinge. Denn anstatt wie sein mordender Kollege zur Zeit der Kreuzzüge eine Klinge im Ärmel zu haben, verfügt er über zwei, deren Möglichkeiten immer wieder für hoch befriedigende Momente sorgen. Wenn sich Ezio unbemerkt an zwei Wachen heranschleicht und einen links, einen rechts, dann beide fallen lassend die Soldaten aus dem Verkehr zieht, sieht das nicht nur gut aus – es sorgt auch für Genugtuung.
Gleiches gilt, wenn sich Ezio aus einigen Metern Höhe wie ein Adler auf seine nichts ahnenden Opfer stürzt und sie mit seiner Doppelklinge beinahe in den Boden spießt. Das Problem mit diesen Klingen: Sie sind zu mächtig. Was wiederum dazu führt, dass man fast immer nur mit ihnen unterwegs ist und die anderen angebotenen Möglichkeiten nur in Ausnahmefällen nutzt oder wenn man dazu vom Missionsdesign gezwungen wird. Bei Tötungen aus dem Schatten heraus ist ihre Effizienz klar, logisch und nachvollziehbar – und nicht zuletzt unheimlich befriedigend, wenn man feststellt, dass der Plan aufgegangen ist. Aber dass man mit den kleinen Doppelklingen im normalen Kampf mit entsprechendem Einsatz des Konterns ebenso tödlich ist, wirkt befremdlich und entwertet auch die neuen Möglichkeiten des Entwaffnens.
Die martialische Leichtigkeit
AC2 gerät trotz ebenso eleganter wie martialischer Tötungsmanöver niemals über den schmalen Grad der Gewalt zum Selbstweck hinaus. Ganz im Gegenteil: Als Teil einer pompösen Kampfchoreografie kann man die Grazie nicht genug bewundern, mit der Ezio dem schier übermächtigen Feind die Doppelaxt entreißt, sich schwungvoll um seine Achse dreht und dann die Schneide im Helm des Gegners versenkt. Aber Kenner des Vorgängers werden sich erinnern, dass bereits in Jerusalem aufwändig choreographiert gekämpft wurde. Dementsprechend wirkt das Kampfsystem eher wie eine Ergänzung denn wie eine Weiterentwicklung.
Und der Kampf scheint insgesamt auch gegen zahlenmäßig überlegene Gegner deutlich einfacher – vor allem auch dann, wenn Kumpanen an Ezios Seite kämpfen, die Feinde ablenken, so dass man diesen dann gemütlich von hinten mit einem Treffer das Lebenslicht ausbläst, bevor man zum nächsten Opfer weiter zieht, das sich natürlich nicht um einen kümmert.
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Szenen wie die Kutschen-Verfolgung sollen für Abwechslung sorgen, lassen aber viel Potenzial auf der Strecke liegen… |
Die Tode, die ich über die gesamte Kampagne einstecken musste, resultierten nicht in einem einzigen Fall aus Kampfverlusten, sondern aus Falscheinschätzungen beim Abspringen von zu hohen Gebäuden. Und das war im Vorgänger noch anders – dort hat auch das normale Gefecht ab und an zu Altairs Ableben geführt.
Schauplatz vs. Spielplatz
Die größte Designänderung findet sich im Missionsdesign: Die Zeit, in denen man sechs von zehn meist eintönigen Aufgaben lösen musste, bevor man sich an sein Attentatsziel heranwagen durfte, ist glücklicherweise vorbei. Stattdessen reist Ezio in etwas weniger engem Korsett weitestgehend linear von Florenz durch die italienische Provinz über das imposante Venedig bis nach Rom. Das bedeutet aber nicht, dass man abseits seines Rachefeldzuges nichts mehr zu tun hat. Aber anstatt dem Spieler ein Areal zum Austoben zu geben wie z.B. in Just Cause, nutzt man die offene Welt hier, um den Meuchelmördereien ein ansprechendes Ambiente zu verpassen – hier stellt man sich gerne mal auf ein Dach und schaut einfach nur zu, wie das Leben pulsiert.
Dieses Ambiente hätte allerdings noch glaubwürdiger gewirkt, wenn auch die Bevölkerung einen Verhaltensfortschritt gemacht hätte. Dass Händler und Passanten ihrem Tag- oder Nachtwerk nachgehen und die Straßen füllen, kennt man bereits aus dem Vorgänger. Und auch viele Reaktionen, wie das Zurückweichen der Zivilisten, nachdem sie einen bei einer verbotenen Tat wie z.B. dem neuerdings möglichen Ausrauben der besiegten Gegner beobachtet haben, sind keine neuen Verhaltensmuster.