Mit der Antwort auf diese Frage hatten Altair und ich bei seiner Premiere tagelang gerungen. Sicherlich hatte Assassin’s Creed vor allem in der Schlussphase mit einem sich wiederholenden Missionsdesign zu kämpfen, das im PC-Director’s Cut auch nicht durch die zusätzlichen Aufgabentypen aufgefangen werden konnte. Und das „Klettern auf Schienen“, das kaum Herausforderungen bot, verlor ebenfalls auf Dauer an Reiz. Dem gegenüber standen jedoch prächtig choreografierte Kämpfe sowie eine Atem beraubende Kulisse, die seinerzeit trotz einer gewissen Diskrepanz zwischen der glanzvollen Architektur und der im Vergleich dazu eher spröde wirkenden Bevölkerung begeistern konnte.
Nicht zu vergessen die Geschichte, die einen Bogen zwischen der von der Hauptfigur Desmond Miles erlebten „virtuellen“ Vergangenheit auf der einen sowie der düsteren Gegenwart auf der anderen Seite spannen konnte. Die Story wurde inklusive einem Hauch historischer Mystery sehr gut erzählt und konnte mich lange Zeit in einen Gewissenskonflikt ziehen: Ob die Meuchelmorde trotz des Assassinen-Credos „Nichts ist wahr! Alles ist erlaubt!“ wirklich die beste Lösung für die Probleme sind? Assassins Creed lieferte ein erzählerisches und auch grafisches Erlebnis, das man in dieser Form noch nicht gesehen hatte. All das sorgte in seiner letztlich trotz einiger spielerischer Defizite für den Gold-Award.
Dementsprechend hat der junge Italiener Ezio Auditore da Firenze, der die Nachfolge Altairs antritt, große Fußstapfen zu füllen. Das Team von Ubi Montreal muss beweisen, dass man sich die Kritik am Vorgänger zu Herzen genommen und daraus gelernt hat – das zu einfache Klettern, das redundante Missionsdesign, die kleinen KI-Schwächen und Logikmacken sowie die lieblos verteilten Sammelquests. Irgendwann klapperte man die Metropolen nur noch nach Schema F ab, denn auch das interessante Konzept der Menschenmenge wurde nicht kreativ genug eingesetzt. Wird diesmal alles spannender, fordernder und letztlich unterhaltsamer?
Altair vs. Ezio
Schon in der Einstiegsphase, in der man den jugendlichen Draufgänger und Frauenschwarm Ezio kennenlernt, werden vor allem die kleinen Änderungen des Kampfsystems deutlich.
Der Kern mit seinen einfachen über verschiedene, gut (Maus/Tastatur) bis optimal (360-Pad für Windows) funktionierenden Kontrolloptionen zu erreichenden Konter und Ausweichmöglichkeiten bleibt unangetastet; das gilt auch für die nach wie vor beeindruckende Choreografie der Auseinandersetzungen. Neu ist allerdings die Möglichkeit, die Gegner zu entwaffnen oder die Waffen bereits besiegter Feinde aufzunehmen und diese einzusetzen, wodurch die Kämpfe eine zusätzliche Dynamik und taktische Ebene gewinnen: Es ist z.B. nicht unmöglich, aber verdammt schwierig, einen vernünftigen Schwertangriff gegen einen Gegner zu landen, der mit seinem schweren Hammer einen effektiven Block setzt. Ganz zu schweigen von den Pikenieren, deren Reichweite schwer zu umgehen ist.
Und so kämpft und klettert man sich durch die ersten Szenen, lernt das architektonisch bildhübsche Florenz kennen und muss schließlich mit ansehen, dass der schon länger schwelende Groll zwischen Ezios Familie und den nach Macht strebenden Pezis in einer Gefangennahme seines Vaters und der Brüder sowie deren Hinrichtung gipfelt. Dass dies eine perfekte Motivation für Rache ist, steht außer Frage. Dennoch bleibt die Figur des Ezio in dieser Hinsicht erstaunlich blass: Er bekommt von seinem
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Ezios Talent als Meuchelmörder ist unbestritten. Seine Beweggründe sind aber häufig zu undurchschaubar oder gar unglaubwürdig. |
Vater den Schlüssel zu einer Truhe, in der die Assassinen-Utensilienauf ihren Einsatz warten, zieht sie an und auf einmal wird aus Ezio, dem jugendlichen Draufgänger Ezio, der unüberwindliche Meuchelmörder. Zu schnell, zu hastig, zu unreflektiert.
Während Altair im Vorgänger bereits als Attentäter eingeführt wurde, dann aber durch seine Zweifel an Tiefe gewann, ist der Wandel Ezios zu unscheinbar. In einem Moment ist er der nette Junge von nebenan, im nächsten der eiskalte Killer, der im Gegensatz zu Altair nicht über seine Taten zu reflektieren kann oder will. Ein paar Sequenzen später werden die Figur Ezios sowie sein Verhalten zwar deutlicher und nachvollziehbarer, doch Zweifel an seiner Motivation bleiben. Denn spätestens, wenn alle Pezis ausgelöscht sind und er der eigentlichen Verschwörung dahinter noch nicht auf die Spur gekommen ist, fragt man sich, wieso er weiter Rache üben möchte? Wiederum etwas später wird zwar auch dies erklärt, doch Ezio ist als Figur nie ganz so greifbar wie sein Urahn im Geiste. Das sind erzählerische Schönheitsfehler in einer insgesamt guten Inszenierung, die vor allem mit ihren hochklassig besetzten deutschen Sprechern von Anfang bis Ende punktet.
Desmond vs. Desmond
Ein Hauptpunkt, der bei mir die Faszination des Vorgängers ausmachte, wird in AC2 übrigens bis auf wenige Ausnahmen außer Acht gelassen: Die Gegenwart Desmonds. Der erzählerische Überbau, der beim Spieler vor dem Schirm immer wieder für ein Nachdenken sorgte, wird hier nahezu komplett ignoriert. Ironischerweise waren im ersten Teil und sind auch hier die erzählerisch stärksten Momente gerade jene, in denen beide Ebenen, also die virtuelle Vergangenheit und die von Desmond erlebte Realität, vermischt werden. Was aber hier viel zu selten passiert!