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A Plague Tale: Requiem (Action-Adventure) – Das Ende der Unschuld

Dreieinhalb Jahre nach dem starken A Plague Tale: Innocence liest das mittlerweile auf 250 Entwickler angewachsene Asobo Studio die Totenmesse für sein Heldenduo Amicia und Hugo. Erneut geht es in spätmittelalterliche Frankreich, das großartig in Szene gesetzt ist. Das schleichlastige Action-Adventure orientiert sich spielerisch, inszenatorisch und mitunter sogar thematisch an Naughty Dogs The Last of Us-Reihe – aber kann es auch qualitativ an das übermächtige Vorbild heranreichen? Pünktlich zum Release hat unser großer Test die Antwort auf diese Frage.

© Asobo Studio / Focus Home Interactive

Muss man Teil 1 kennen, um den Nachfolger genießen zu können? Jein. Die Geschichte von Requiem funktioniert prinzipiell auch ohne das Präludium von 2019, vermutlich entschied sich Asobo deshalb dafür, keine „Das geschah bisher…“-Zusammenfassung anzubieten. Dennoch gehen einem viele Nuancen in der Beziehung von Amicia und Hugo durch die Lappen; zudem fehlt das Grundwissen um Hugos Erkrankung und seine Verbindung zu den Ratten im Spiel. Dass dieser kleine, manchmal kränklich wirkende Knabe kein normales Kind ist, wird auch Neulingen schnell klar – doch könnte für sie die galoppierende Entwicklung, die ihn in Teil 2 irgendwann Massen der Nager kontrollieren lässt, zu schnell passieren.

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A Plague Tale: Requiem ist kein schlechtes Schleichspiel, das Ducken unter Tische und Bänke funktioniert z. B. gut. Es fehlen jedoch Mechaniken wie Leichen entsorgen oder eine Sichtbarkeitsanzeige, die von anderen Titeln schon vor 15 Jahren etabliert wurden. © 4P/Screenshot

Doch gehen wir einen Schritt zurück, zu den Basics, die A Plague Tale: Requiem ausmachen: Als Spieler lenkt man die jugendliche Amicia durch Schluchten und Hinterhöfe, durch Werkstattgebäude und über Waldwege, oft führt sie ihren kleinen Bruder an der rechten Hand – und in vielen Szenen sind die beiden auch nicht allein unterwegs. Da ist z. B. Lucas, der Alchemie-Lehrling und Begleiter aus Innocence, aber auch neue Figuren treten auf den Plan. Das sorgt für Abwechslung, nimmt etwas Schwermut aus dem Abenteuer und hilft in vielen Situationen: Je nach Begleiter dreht er oder sie auf euren Befehl hin Schalter, legt Wachen verwirrende Brände oder rettet euch mit Alchemie-Hokuspokus die Haut. Amicia umschleicht viele Feinde, kann aber auch ein bisschen kämpfen: Wie in The Last of Us darf sie mit aufgesammelten Messern einen ansonsten aussichtslosen Nahkampf für sich entscheiden oder die ihr körperlich überlegenen Feinde zumindest einmal zurückstoßen – schon beim zweiten Treffer gehen euch aber die Lebenslichter aus. Im Spielverlauf erhält Amicia eine tödliche Armbrust, die Bolzen dafür sind aber so spärlich gesät, dass ihr sie nur mit Bedacht einsetzen solltet. Im Gegensatz zu Teil 1 gibt es nun drei Schwierigkeitsgrade – auf dem mittleren kommt man meist ohne Probleme durch, Requiem ist wie sein Vorgänger ein in spielerischer Hinsicht recht simpel gestrickter Titel.

Stealth light


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Das Artdesign ist stellenweise absolut fantastisch. Später im Spiel kommen etliche Momente, die diese atmosphärische Waldszene locker in der Schatten stellen – wir zeigen euch davor aber natürlich nix. © 4P/Screenshot

Das heißt aber nicht, dass ihr euch beim Flüchten, Schleichen und Überleben gar keine Mühe geben müsst. Gut, bei ersterem schon, denn so manche „Eine Million Ratten quillen aus den Löchern und legen ein Dorf in Schutt und Asche“-Szene hat den spielerischen Gehalt einer Fluchtsequenz wie man sie aus Call of Duty kennt. Das sieht dann pompös und dramatisch aus, ist aber im Grunde nur geskriptetes Buhei. In den Stealth-Passagen wird das Spiel langsamer: Es geht zwar viel um Licht und Schatten respektive Verstecken vs. Gesehen-Werden, eine Art Sichtbarkeits-Anzeige spart sich das Spiel aber. Helle Flecken am Rand des Bildschirms deuten darauf hin, dass ihr von dieser Seite aus gesehen werden könnt, Icons über den Köpfen der Feinde verraten ihren Alarm- oder Such-Zustand. Sie auszutricksen ist leicht, weil sie selten gut suchen und superschnell vergessen. Hätten nicht viele von ihnen einen Metallhelm auf dem Schädel, wäre es für Amicia und ihre Steinschleuder ein Kinderspiel. In einem etwas oberflächlichen, aber durchaus launigen Katz- und Mausspiel tötet man die Wachen ohne Helm, versteckt sich in hohem Gras, umgeht Stellen voller Ratten, flankt durch Fensteröffnungen und lockt Feindpatrouillen durch Lärm oder geworfene Dinge von sich weg.

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Die Armbrust als Zweitwaffen für Amicia geht in Ordnung. Sie steuert sich ein bisschen träge und hat wenig Munition – dafür ist sie ziemlich tödlich. © 4P/Screenshot

Dazu gibt es mit der Schleuder, der Armbrust und befüllbaren Tontöpfen dreierlei Optionen, eure verschiedenen Alchemie-Gimmicks einzusetzen: Mit der Schleuder z. B. knockt ihr Feinde aus, löscht und entzündet Fackeln und Feuertöpfe oder werft Köder, um Rattenschwärme zu dirigieren. Andernorts nutzt Amicia das Mittelalter-Multitool, um hängende Dinge herabzuschießen und Mechanismen zu lösen. Oder zum Verstärken einer Feuersbrunst: Dann leuchten die Flammen für kurze Zeit noch heller und schaffen so vielleicht genau den Meter mehr an Sicherheit vor den Ratten, um unbeschadet zum Ausgang zu gelangen. Oft ist dies eine Metalltür, die dem Spieler symbolisiert – jetzt bist du erstmal sicher, ganz egal ob dir gerade die Häscher an den Hacken hingen. Requiem nutzt also grundsätzlich ein sehr ähnliches Toolset wie sein Vorgänger, bietet aber mehr Spielraum zum Experimentieren. Das ist willkommen, weil auch die Areale ein wenig komplexer sind als in Teil 1. Szenen, wo Amicia Hugo kurz allein lässt und sich dann beeilen muss, damit er keine Panik bekommt, gibt es nicht mehr – ich habe sie nicht vermisst.