Veröffentlicht inTests

Yakuza 6: The Song of Life (Action-Adventure) – Abschied von einer Legende

Drei Jahre ist es schon her, dass Kazuma Kiryu auf PlayStation 4 seinen offiziellen Ausstand aus der Yakuza-Serie gab. Mit einem Abenteuer, das seinem Vermächtnis mehr als gerecht wurde, beendete Sega damals seine Ära und jetzt fällt auch auf Xbox One sowie Windows-Rechnern „endlich“ die letzte Klappe. Ist die Umsetzung gelungen? Immerhin war Yakuza 6 der erste Teil, der im Rahmen der Hauptserie eine neue Engine nutzte. Und dass die technisch anspruchsvoll zu sein scheint, haben wir vor allem der PC-Version im Test durchaus angemerkt…

© SEGA / SEGA

Famos gestaltet

Ja, ich habe gerade eine komplette Seite lang nur das Laufen durch virtuelle Kulissen beschrieben. Aber gerade in einer offenen Welt ist das Mittendringefühl für mich von entscheidender Bedeutung. Yakuza 6 erzeugt jedenfalls nach wie vor die mit Abstand beste Illusion Teil einer lebendigen Welt zu sein!

Bleibt die Frage, ob die Umsetzungen für PC und Xbox One technisch so gelungen sind, dass man mit diesen ebenso versinken kann. Und tatsächlich ist das praktisch ohne Einschränkungen der Fall. Die Xbox-Fassung ist dem PS4-Original dabei naturgemäß am nächsten; tatsächlich können wir keine nennenswerten Unterschiede feststellen. Unter Windows genießt man dabei ausreichend viele Optionen, um das Erlebnis an die Leistung des Rechners sowie Vorlieben in Sachen Steuerung anzupassen. Wer Yakuza 6 mit allen Details erleben und 60 Bildern pro Sekunde erleben möchte, braucht nur einen halbwegs flotten Rechner und sollte das Programm im Vollbild laufen lassen. Denn dann tut es das zwar mit einer so hohen Priorität, dass man Windows nach einem Task Switch praktisch nicht mehr benutzen kann, doch als rahmenloses Fenster läuft es leider wesentlich langsamer.

Etwas bedauerlich ist, dass selbst mit zweifachem SSAA viele Objekte vor allem im Hintergrund flimmern, und dass der Boden einige Meter vor bzw. hinter Kazuma deutlich an Schärfe verliert. Dafür hat man neben zahlreichen anderen Einstellungen die Möglichkeit die allgemeine Bewegungsunschärfe  abzuschalten – eine Option, die es ohnehin in jedem Spiel geben sollte. Ausschließlich auf PC kann man die Steuerung außerdem bis hin zu den Minispielen fast komplett an seine Bedürfnisse anpassen. Selbstverständlich darf man dabei auch mit Maus und Tastatur prügeln, Karaoke singen usw. Ich empfehle allerdings dringend das Verwenden eines Gamepads, denn darauf wurde der Yakuza-Krimi zurechtgeschnitten.

Herr Kiryu und sein Enkel

[GUI_STATICIMAGE(setid=90610,id=92637726)]
PC-Spieler kommen in den Genuss von 60 Bildern pro Sekunde, verschiedener Grafikoptionen sowie der Möglichkeit die Steuerung weitgehend frei zu belegen. © 4P/Screenshot

Doch zurück zum eigentlichen Spiel, in dem Kazuma bald in der kleinen Stadt Onomichi ankommt, wo die neue Ruhe sogar eine noch größere Bedeutung gewinnt. Der beschauliche Ort könnte nämlich nicht weiter vom hektischen Treiben des schillernden Vergnügungsviertels entfernt sein. Auf den Stufen zwischen einer höher gelegenen Tempelanlage und der Brücke über eine Bahnanlage bestimmt dort beinahe dörfliche Idylle das Bild.

Was Herr Kiryu dort sucht? Den Vater seines Enkelsohns. Oder vielmehr: des Sohns von Ziehtochter Haruka, die von einem Wagen erfasst wurde, während sie das Baby im Arm hielt. Kazuma will herausfinden, ob es sich um einen Anschlag oder einen Unfall handelte – wobei er selbstverständlich einem Komplott auf die Schliche kommt, das einmal mehr eine Intrige in einer Intrige in einer Intrige versteckt.

Und so vergehen etliche Stunden langweiliger Exposition, die mit guter Erzählung oder gar glaubhaften Charakteren nicht das Geringste zu tun haben…

Zwischen Pathos und Schlaftablette

Nein, für hochklassige Filmszenen steht die Yakuza-Serie schon lange nicht mehr. Ich kenne japanische Filme und mag viele deren Eigenheiten – ganz zu schweigen von Takeshi Kitano (Battle Royale, Hana-bi), der in Yakuza 6 nicht nur eine tragende Rolle spielt, sondern dessen virtuelles Alter Ego ihm verblüffend ähnlich sieht. Doch für meinen Geschmack übertreiben die Spieleregisseure einfach maßlos, wenn sie fast ausschließlich Tiraden ellenlanger Erklärmonologe mit teils absurdem Overacting inszenieren.

Brauchbare Charakterisierungen sucht man vergebens; Motive und Gefühlswelten werden stets wie abschließende Erkenntnisse ausgedehnter Therapiesitzungen und mit der Ernsthaftigkeit einer aufpeitschenden Motivationsrede proklamiert, gerne unter plötzlich ausbrechenden Tränenbächen oder noch plötzlicher einsetzendem Gebrüll.