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Yakuza 6: The Song of Life (Action-Adventure) – Abschied von einer Legende

Drei Jahre ist es schon her, dass Kazuma Kiryu auf PlayStation 4 seinen offiziellen Ausstand aus der Yakuza-Serie gab. Mit einem Abenteuer, das seinem Vermächtnis mehr als gerecht wurde, beendete Sega damals seine Ära und jetzt fällt auch auf Xbox One sowie Windows-Rechnern „endlich“ die letzte Klappe. Ist die Umsetzung gelungen? Immerhin war Yakuza 6 der erste Teil, der im Rahmen der Hauptserie eine neue Engine nutzte. Und dass die technisch anspruchsvoll zu sein scheint, haben wir vor allem der PC-Version im Test durchaus angemerkt…

© SEGA / SEGA

Noch einmal die letzte Klappe

Als ich mit Blick auf die Umsetzungen für PC und Xbox One noch einmal diesen schon drei Jahre alten Test zu Yakuza 6 überflogen habe, fiel mir auf, dass ich dort schon alles gesagt hatte, was ich zu diesem Ende einer Ära und den klassischen Yakuza-Abenteuern ganz allgemein zu sagen hatte. Und das ist auch der Grund, aus dem ihr hier noch einmal den vollständigen Text lest – natürlich einschließlich kleiner Ergänzungen zu den Besonderheiten vor allem der PC-Fassung. Wer sich nur dafür interessiert: Ihr findet sie am Beginn von Seite zwei. Alles andere lest ihr ab den folgenden Zeilen.

Traditionsreiche Geschichte

Nach etwa 40 Stunden mit der PlayStation-4-Version war Kazuma Kiryu damals satte 100 Kilometer gelaufen – gegangen, wohl gemerkt, nicht gerannt. Denn mit Yakuza 6 hat Sega virtuelle Kulissen erschaffen, die so lebendig wirken, dass ich nicht einfach hindurch sprinten konnte, sondern jeden Augenblick wie die Reise an einen exotischen Urlaubsort genossen habe. Und wenn es hier mehr schon als einhundert Kilometer waren, müssen es in den vergangenen zwölf Jahren weit über tausend gewesen sein: mehr als eintausend Kilometer, die ich in den sieben Teilen der Hauptserie (Yakuza 0 zähle ich als Vorgeschichte dazu) und fast allen ihrer Ableger zurückgelegt habe. Die Yakuza-Serie hat einen besonderen Platz in meiner Spiele-Vita eingenommen, weil es mir mehr als jedes GTA das Gefühl vermittelt, mich in einer plastischen Parallelwelt zu befinden.

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Und noch einmal muss Kazuma Kiryu sein letztes Abenteuer bestehen, diesmal unter Windows und auf Xbox One. © 4P/Screenshot

Dabei ist auch Yakuza 6 keine tiefsinnige Lebenssimulation, sondern ein Prügler, in dem Kazuma etliche Ganoven vermöbelt, um irgendwann deren Bosse auszuschalten. Zwischendurch vertreibt er sich in Karaoke-Bars, beim Dartspielen, am Outrun- oder Virtua-Fighter-Automaten, an einhändigen Banditen, im Fitness-Studio, auf dem Baseball-Platz, in Restaurants oder beim Flirt mit einer Hostess die Zeit.

Lupe statt Fernrohr

Dass seine Welt diesmal so lebendig wirkt, liegt aber nicht an der Vielzahl der Beschäftigungen. Es liegt daran, dass Sega gar nicht erst versucht, etwa ganz Los Angeles nachzubauen, und sich vielmehr auf wenige Querstraßen eines einzelnen Stadtteils beschränkt: In Kamurocho, einer verblüffend realitätsnahen Version von Tokios Vergnügungsviertel Kabukicho, spiegeln sich neonstrahlende Reklametafeln im nassen Asphalt. Werbetafeln, Fahrräder sowie Mofas stehen auf dem Bürgersteig, während Geschäfte, Bars oder Cafés zum Hereingehen einladen, damit man dort kurze Abenteuer erleben oder sich die Zeit mit kleinen Herausforderungen vertreiben möge.

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Das Vor-Ort-Gefühl sucht besonders im dörflichen Onomichi bis heute seinesgleichen. Dabei ist Yakuza 6 kein technisches Meisterwerk – Sega legt aber auf so viele Details wert und setzt das normale Laufen als Standardfortbewegung fest, dass man sich wie bei einem Spaziergang fühlt. © 4P/Screenshot

Ständig wechselt das detaillierte Muster der Pflastersteine, die Ventilatoren etlicher Klimaanlagen „zieren“ abgewetzte Mauern vernachlässigter Hinterhöfe – wo Rockstar hauptsächlich das Gefühl einfängt, durch eine große Stadt zu cruisen, richten Segas Entwickler ihren Blick ähnlich wie gute Anime-Zeichner auf scheinbar unwichtige Kleinigkeiten. Das in breiten Asphaltnähten gespiegelte Neonlicht erdet Kamurocho stärker als es ein Meer aus Wolkenkratzern je könnte.

In der Ruhe liegt die Schönheit

Und endlich ist der normale Gang Kazumas wichtigste Fortbewegungsart! Denn zum ersten Mal genießt man das einzigartige Vor-Ort-Sein, wahlweise sogar in Ego-Perspektive, ohne ihn durch Halten eines zusätzlichen Knopfs erst vom Rennen abzuhalten. Diese Langsamkeit hebt das Spielgefühl auf eine Stufe, von der die Serie zuvor ein ganzes Stück entfernt war. Gefühlt steht man direkt daneben, wenn der ehemalige Yakuza jede Tür per Hand öffnet, anstatt einfach hindurch zu preschen. Man beobachtet ihn, wie er jeden Schritt auf eine Stufe setzt, anstatt drüber weg zu gleiten, lauscht allen erstmals komplett vertonten Passanten und Auftraggebern, und begleitet ihn in eins der vielen Etablissement, die alle ohne Ladeunterbrechung begehbar sind. Es fühlt sich großartig an, ein Café am Millennium Tower zu betreten, um vom ersten Stock oder gar der Dachterrasse aus auf die Straßen davor zu blicken.