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Vector 36 (Rennspiel) – WipEout auf dem Mars

So müssen sich die ersten Rennfahrer gefühlt haben: Anstatt im Rahmen abgesteckter Regelwerke kontrollierte Wettbewerbe auszutragen, haben sie eine möglichst starke Maschine in ein möglichst leichtes Gehäuse geschraubt und mal getestet, ob man ein solches Geschoss mit handelsüblichen Reifen überhaupt auf der Straße halten kann. Genau diesen Nervkitzel fängt Vector 36 hervorragend ein! Den Frust, nachdem der Schuss ins Blaue mal wieder danebenging, allerdings auch.

© Red River Studio /

Freud und Leid

Ich hatte mich riesig auf dieses Spiel gefreut – und mich selten so über ein Spiel geärgert. Denn wer nicht eine gehörige Portion Geduld mitbringt, den stößt Vector 36 beinahe mutwillig von sich weg. Tatsächlich hatte ich schon während der Early-Access-Phase einen der Flieger zusammengestellt, die auf dem Mars gegen Zeit und Konkurrenten um die Wette schweben; das war ohne Anleitung eine ganz schöne Tortur. Damals fehlte immerhin ein Tutorial, so dass vor allem das Umrüsten der Gleiter reines Glücksspiel war. Wer nicht wusste, wo er welche Teile eigentlich anbringen soll, in welche Richtung man sie drehen und mit welcher Leistung programmieren soll, der konnte stundenlang experimentieren, ohne wirklich schlauer zu werden.

Mit der Veröffentlichung des fertigen Spiels aber… nein, eben nicht! Es gibt noch immer keine gute Einführung in das relativ komplexe Anbringen und Verstellen von Turbinen, Kühlern, Treibstoff usw. Im Shop sieht man nicht einmal,

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Auf dem Mars vertreiben sich Adrenalinjunkies in selbstgebauten Gleitern die Zeit. © 4P/Screenshot

welche Bauteile man bereits besitzt, welche Funktion sie haben und man erfährt auch nicht, wie sich deren Eigenschaften eigentlich auswirken. Teure Turbinen sind nämlich nicht unbedingt leistungsfähiger als günstigere. Warum man teuren Fusionstreibstoff statt günstigen Plasmas verwenden sollte, obwohl er doppelt so schnell ausgeht, ist zunächst ein Rätsel. Untereinander vergleichen darf man die Teile schon gar nicht.

Man kann zudem nicht simulieren, wie sich der Flieger verhalten wird, sondern muss dafür stets einen Probelauf laden. Wem das nach mühevoller Arbeit klingt, der trifft ins Schwarze. Und wer darauf keine Lust hat, der sollte die Finger von Vector 36 lassen! Denn auch die staubtrockene Präsentation, der neben einer notwendigen Führung auch eine klar strukturierte Kampagne fehlt, macht die Landung in dieser Quasi-Simulation nicht leichter. Wer mit dem Gamepad spielt, bewegt den „Mauszeiger“ außerdem per Analogstick: Eine an Controller angepasste Menüführung gibt es nicht, was vor allem für Nutzer der Virtual-Reality-Version unbequem ist.

Eine Frage der Balance

Ich würde die Schwächen nicht in dieser Form an den Anfang eines Artikels stellen, wenn sie nicht so auffallend wären. Wer nicht leidensfähig ist, dürfte zu Vector 36 keinen Zugang finden – und das ist eigentlich verdammt schade. Denn wer sich einmal reingefunden hat, genießt ein tolles Fluggefühl und atemberaubende Rennen auf einer fiktiven Version unseres Nachbarplaneten. Dort haben Menschen Anlagen installiert, um u.a. Terraforming vorzunehmen, während sie

Vector 36 unterstützt die

Virtual-Reality-Headsets

von Oculus und HTC sowie das OSVR.

Wie üblich profitiert man dabei von einem starken Mittendringefühl, wobei HUD-Elemente gut erkennbar platziert wurden. Spät auftauchende Details fallen allerdings stärker auf und eine völlig unnötige automatische, wenn auch kurze Kamerafahrt vor jedem Start kann Unwohlsein verursachen.

Dass sämtliche Menüs mit Gamepad umständlich zu bedienen sind, stört zudem das Erlebnis außerhalb der Rennen. © 4P/Screenshot

sich die Zeit mit Wettrennen vertreiben.

Dafür benötigen sie ein Chassis, mindestens fünf Turbinen (vier zum Schweben, eine zum Beschleunigen), entsprechende Kühler, einen Stabilisator und mehr. Die Teile werden an freien Flächen der Hülle befestigt, können untereinander vertauscht sowie so weit verschoben werden, wie Platz vorhanden ist. Wichtig sind Feineinstellungen wie das Verstellen mancher Winkel: In Abhängigkeit von der Gewichtsverteilung könnte das Haupttriebwerk etwa dafür sorgen, dass die Maschine den Flieger auf der gewünschten Höhe hält. Experimente machen sich dabei bezahlt: Seit ich einfach mal zwei Kühler montiert habe, kann ich den Nachbrenner ununterbrochen nutzen, ohne dass die Maschinen überhitzen.

Während des Flugs variieren Piloten außerdem die Balance zwischen der für den Schub und den fürs Schweben verantwortlichen Turbinen. So tauschen sie Sicherheit gegen Schnelligkeit. Das kann riskant sein, der Geschwindigkeitsgewinn ist allerdings enorm. Tatsächlich ändere ich auf manchen Kursen immer wieder die Balance, um den Besonderheiten mancher Streckenabschnitte gerecht zu werden. Dieses Eingreifen in die Mechanik unterstützt das griffige und im Sinne der Science-Fiction glaubwürdige Fluggefühl.