Lange mussten Spieler mit Hang zu logistischem Mikromanagement auf eine zeitgemäße Neuinterpretation von Spielen wie Transport Tycoon, Railroad Tycoon oder Industriegigant warten.Doch nachdem Cities in Motion von Colossal Order vor allem hinsichtlich des öffentlichen Nahverkehrs interessante Aufbau-Strategie mit wirtschaftlichen Aspekten über zwei Teile hinweg anbot, war es vor allem das 2014 erschienene Train Fever, das sich in die Herzen der Fans spielen konnte. Dabei war das von einem kleinen Team entwickelte Projekt vor allem in der Anfangsphase von zahlreichen Bugs geplagt, während inhaltlich vor allem das auf wenige Rohstoffe ausgelegte Warensystem und die geringen wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten störend auffielen. Das änderte jedoch nichts daran, dass sich eine interessierte (Modding-)Community um das Spiel scharte.
In der Fortsetzung hält das mittlerweile mehr als doppelt so große Team von Urban Games an den Kernmechaniken fest: Man ist immer noch hauptsächlich damit beschäftigt, den Transport von Rohstoffen sowie den Personennah- und -fernverkehr zu optimieren bzw. die dafür benötigten Fahrzeuge bereitzustellen. Dafür steht einem vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart ein Fuhrpark von mehr als 120 Vehikeln zur Verfügung. Dazu gehören nicht nur Pferdefuhrwerke, Kutschen oder Lokomotiven samt Fracht- oder Personenwaggons, sondern später auch Schiffe und Flugzeuge. Letztere sind zwar erst wirklich sinnvoll, wenn man im Endlosspiel auf einer großen Karte unterwegs ist, doch mit ihnen ergeben sich neue umsatzstarke, aber auch kostenintensive Routen. Einen Fortschritt hat man auch bei der Anzahl der Rohstoffe bzw. Rohstoffketten gemacht. Wirklich aufwändige, sich über mehrere Produktionzyklen oder auf zahlreiche Fabriken verteilte Ketten sind zwar nicht dabei. Doch im Vergleich zum Vorgänger mit seinen vier Rohstoffen hat man in Transport Fever weitaus mehr Möglichkeiten zur Verfügung, um sowohl seinen Kontostand als auch den Fortschritt der Städte, die man beliefert, sowie der Rohstoffquellen bzw. verarbeitenden Industrie positiv zu beeinflussen. Flacher Wirtschaftsteil
Allerdings hat man erneut darauf verzichtet, den Wirtschaftsteil zu optimieren. Nahezu alles ist fix bzw. vorgegeben. Die Kosten für den Ausbau des Schienen- oder Straßennetzes richten sich nach der Route sowie den dafür nötigen Geländemodifikation, wobei es mitunter sinnvoller ist, die Strecke ungeachtet der Wirkung auf das Landschaftsbild zu heben oder zu senken, da man erhebliche Beträge sparen kann, wenn man die verschiedenen Höhenstufen durchschaltet. Man hat nach wie vor keine Option, eigene Fabriken zu errichten, um so z.B. an einem Wirtschaftsboom zu partizipieren oder kostengünstige Schienenstränge bzw. Holzbohlen zum Verlegen herzustellen. Auch die Produktion firmeninterner Treibstoffe ist nicht möglich. Man kann nicht versuchen, den Wert mindernden Verschleiß durch besonders hohe Qualität der Instandhaltung/Reparaturen zu beeinflussen. Irgendwann sollte man nur darüber nachdenken, seinen Fuhrpark komplett zu modernisieren. Man kann auch nach wie vor keine eigenen Preise festlegen. Das wird dadurch relativiert, dass man sich ohnehin niemals in einem Preiskampf befindet – es gibt keinerlei Konkurrenz. Die Nachfrage wird durch die Bedürfnisse der einzelnen Städte und ihrer Bewohner geregelt. Und natürlich dadurch, inwieweit man dieser nachkommen kann. Beliefert man eine Stadt mit ihren Wunschgütern, wächst sie, während die jeweiligen Industrien ihre Produktion ebenfalls anpassen, so dass man das Bild der Karte nachhaltig beeinflussen kann. Das Stauverhalten in späteren Epochen bietet allerdings nach wie vor Luft nach oben und wirkt deutlich unrealistischer als bei Cities in Motion.