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Top Spin 3 (Sport) – Top Spin 3

Spiel, Satz und Sieg: die Gegnerin. Mein Mädel hält ihren Schläger zittrig auf Hüfthöhe, als würde sie einem Schäferhund drohen und beißt die Zähne so fest zusammen, dass ich mich um ihren Zahnschmelz sorgen müsste – wenn ich nicht selbst kurz davor wäre, das Gamepad gegen die Wand zu schmettern! Echte Emotionen? Für ein Sportspiel die höchste Auszeichnung. Hass auf die Steuerung? Der Tod jedes Sportspiels!

© 2K Sports / Take 2

Einen ganz dicken Minuspunkt sammelt außerdem die Karriere, denn wo ihr im Vorgänger an jedem Wochenende wählen konntet, ob ihr ein Turnier spielt, in einer Trainingssitzung eure Fertigkeiten aufwertet oder einem besonderen Ereignis, z.B. einem Wohltätigkeits-Match beiwohnt, spult ihr diesmal ein Turnier nach dem nächsten ab. Es gibt kein Training und damit keine Minispiele, sprich: keine Abwechslung mehr. Ihr geht auch nicht mehr auf Trainersuche, um mit jedem Coach bestimmte Fähigkeiten zu fördern. Zu allem Überfluss müsst ihr außerdem ein Jahresziel erreichen, also einen bestimmten Tabellenrang innerhalb eurer Klasse, bevor ihr das Prozedere in der nächst höheren Klasse wiederholen dürft. Verfehlt ihr das Ziel, beginnt ihr die Meisterschaft von vorn – und des bedeutet immerhin ein Turnier mit je drei Partien pro Monat. Dabei setzen die Entwickler sogar eine gute Idee um, wenn sie euch an jedem Wochenende wählen lassen, ob ihr ein schweres oder einem leichtes Turnier spielen wollt. Für die echte Herausforderung gibt’s mehr Punkte; falls ihr scheitert, gehen euch die Punkte natürlich durch die Lappen… Seltsam ist nur die schlechte Ausführung,

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Boris Becker in Bild und Ton…
denn ihr trefft sowohl im leichten als auch im schweren Turnier auf dieselben Gegner – mit dem Unterschied, 

dass ihr dieselbe Person, der ihr im schweren Wettkampf 0:3 unterlegen seid, im leichten Turnier mit

3:0 vom Platz putzt. Glück im Unglück: Die Inkonsequenz ist zu verschmerzen, da Pam seinen Realitätsanspruch zu diesem Zeitpunkt längst verspielt hat.

Unser Boris!

Nur schwach schimmert die einstige Größe der Serie noch durch, wenn ihr eure Karriere auf kleinen, sehr idyllischen Plätzen beginnt, um euch Stück für Stück über größere Turniere bis in die Grand Slams zu kämpfen. Ausgerechnet Wimbledon steht allerdings nicht auf eurem Turnierplan; die „London Open“ gleichen den Verlust aber aus. Dort und in den French oder US Open steht ihr dann nicht mehr unbekannten Nachwuchs-Assen gegenüber, sondern schlagt gegen Nadal, Monfils oder Sharapova auf. Die Gesichter der Stars erinnern zwar teilweise an Karikaturen ihrer Vorbilder, der Wiedererkennungswert ist trotzdem vorhanden.

Und vielleicht liegt’s ja daran, dass die Erinnerung täuscht, weil sie in den letzten Jahren nicht mehr regelmäßig auf dem Platz standen; richtig gut haben die Entwickler aber die Legenden Boris Becker, Björn Borg und Justine Henin getroffen. Dabei erkennt man die Ex-Profis nicht nur am Aussehen sofort wieder: Dieses Hin- und Herschwenken beim Aufschlag, das Warten auf den Return, die Faust nach dem Punktgewinn – das ist unser Boris! Schade nur, dass die drei Altstars zum größten Teil nur im schnöden Einzelspiel in Erscheinung treten. Ich hätte z.B. gerne einige ihrer großen Momente einmal „live“ erlebt!

Ein Turnier für alle

Doch aller Kritik zum Trotz: Mit einem Aspekt darf Top Spin 3 jederzeit hausieren gehen. Denn von der umfangreichen und dennoch verständlichen Charaktererstellung dürfen sich sogar die Tiger Woods-Macher ein Stück abschneiden. Ihr könnt zwar nicht ein Bild eures eigenen Konterfeis einbinden, dürft aber von Kopf bis Fuß am Wunschego basteln. Das geht so weit, dass ihr bestimmte Punkte des Gesichts anwählt und sie in die gewünschte Position zieht. Wer will, 

… und im Schnappschuss. Schon der Bart verrät: Matches aus seinen jungen Jahren dürft ihr leider nicht nachempfinden.

greift hingegen auf eine große Anzahl vorgegebener Köpfe, Oberkörper, Hüften usw. zurück, ändert auf Wunsch noch verschiedene Parameter oder entscheidet sich gleich zu Beginn für eine der zahlreichen Ganzkörper-Vorlagen. Die Kreationen wirken zwar nicht ganz so überzeugend wie die Golfer von EA Sports – passen damit andererseits gut in die Kulisse. Denn auch wenn das Umfeld plastischer aussieht als zuletzt, wenn T-Shirts und Gesichter schweißnass werden, wenn Lachfalten detaillierter und Wiederholungen wieder eingeführt wurden: Das Bild ist schon wegen kleiner

Clippingfehler nicht so harmonisch wie das des Vorgängers, die Bewegungen der Profis wirken abgehackt, ihre Emotionen lassen sich nicht manuell abrufen, das wenig begeisterte Publikum klatscht zu zaghaft und unruhige Kanten gehören weder auf PS3 noch auf 360 zum guten Ton. Zu allem Überfluss werden die Ballwechsel auf PS3 stellenweise sogar unverzeihlich stark ausgebremst! Nicht nur wegen des mäßigen Spielgefühls: Auch technisch wirkt das Spiel wie der Grobschliff einer frühen Version.

Im Gegensatz dazu stehen Onlinespiele und -turniere, in denen ihr entweder das Können eures selbst erstellen Profis oder das der lizenzierten Asse auf die Probe stellt. Wer in der weltweiten Rangliste aufsteigen will, muss dabei auf die eigenen Kreationen zurückgreifen. Das gilt auf für Internet-Turniere, denn die sind nur im Ranglisten-Wettbewerb wählbar. Pam liegt viel daran, alle Spieler in der „World Tour“ zusammenzubringen – das ist denn auch einer der Gründe, weshalb ihr online ebenso Punkte sammelt wie in der Sololaufbahn, um die acht Fähigkeiten eures Alter Ego weiter aufzuwerten. Eins muss man den Entwicklern zugestehen: Die Verbindung zwischen Solo- und Online-Karriere gelingt ihnen damit fast nahtlos!