Veröffentlicht inTests

Top Spin 3 (Sport) – Top Spin 3

Spiel, Satz und Sieg: die Gegnerin. Mein Mädel hält ihren Schläger zittrig auf Hüfthöhe, als würde sie einem Schäferhund drohen und beißt die Zähne so fest zusammen, dass ich mich um ihren Zahnschmelz sorgen müsste – wenn ich nicht selbst kurz davor wäre, das Gamepad gegen die Wand zu schmettern! Echte Emotionen? Für ein Sportspiel die höchste Auszeichnung. Hass auf die Steuerung? Der Tod jedes Sportspiels!

© 2K Sports / Take 2

Die Taktik-Blockade

In der Theorie hat das taktische Spiel dennoch funktioniert; so lange jedenfalls, bis mir ein Kollege flüsterte, ich müsse den Knopf für Slice, Lob usw. schon direkt nach einem gerade ausgeführten Schlag drücken. In der Tat: Je eher man damit anfängt, die Taste zu halten, desto kräftiger fliegt der Ball übers Netz. Gute Idee, denn das Prinzip ist vertraut: Wer zeitig drückt, haut stärker drauf. Schlechte Ausführung: Drückt ihr erst dann, wenn der gegnerische Ball im Anflug ist, könnt ihr nicht druckvoll spielen. Drückt ihr hingegen schon früher, „steht“ ihr so zeitig auf der Schlagtaste, dass ihr keinen Schlag sinnvoll erwidern könnt. Denn ihr müsst einen Lob auch ausführen, wenn ihr ihn einmal vorbereitet. Falls ein Stop sinnvoller wäre, weil euer Kontrahent vom Netz zurück an die Grundlinie geht, habt ihr Pech: Sobald ihr die Taste loslasst,

Wenn ihr Pech habt, sprintet Federer nach vorn, obwohl ihr nach links laufen wollt.

um euch für einen anderen Schlag zu entscheiden, verstolpert ihr und der Punkt geht an den Gegner – Blödsinn!

Immerhin: Erstmals erzielt ihr in Top Spin auch mit normalen, flachen Schlägen Punkte, falls ihr sie früh genug ansetzt. Pam hätte allerdings das rechtzeitige Halten der Schlagtaste mit der verlangten Beinarbeit verbinden müssen. Stattdessen könnt ihr euch selbst mit gedrücktem Knopf weiter frei bewegen, was das schnelle Erreichen der optimalen Position entwertet. Und nicht zuletzt greift euch hier plötzlich das an anderer Stelle fehlende automatische Verhalten eures Profis unter die Arme: Sobald ihr die entsprechende Taste gedrückt haltet, läuft das vermeintliche Ass nämlich selbstständig in die seiner Meinung nach optimale Position. Ihr wollt also in die Mitte der Grundlinie oder ans Netz sprinten? Dann bewegt sich euer Alter Ego wie von Geisterhand in die per Tastendruck bestimmte Richtung, mit einer von ihm gewählten Geschwindigkeit – die Spieler entscheiden nämlich selbst, ob sie laufen oder sprinten.

Knirschende Zähne

Dem Spielgefühl setzen schließlich jene Situationen eine Pistole auf die Brust, in denen die angeblichen Profis – zu denen immerhin mindestens sieben Weltranglistenerste zählen – vor dem Filz stehen wie die Apachen vor dem Dampfross: Kommt der Ball genau auf sie zu, zeigen sie nicht einmal den Ansatz einer Ausweich- und anschließenden Schlagbewegung. Verpassen sie einen Ball ganz knapp, versuchen sie mitunter nicht einmal, ihn mit einem flotten Hechtsprung oder wenigstens einem Ausstrecken des Arms noch zu erreichen. Volleys gelingen nur deshalb oft nicht, weil der Typ am Netz trotz extrem kurzen Antippens der Schlagtaste keinen Finger krumm macht. Ich weiß, dass reale Sportler mit den hyperaktiven Virtua Tennis-Cracks so viel gemein haben wie Fußball mit Curling. Ja, es ist zudem eine gute Idee, dass 2K Sports versucht, die Faszination einer echten Tennisübertragung einzufangen. Und sieht man den Ballwechseln nur zu, wirken sie tatsächlich erfrischend glaubwürdig. Aber Himmel, in einem Spiel ist es eine schlechte Idee, wenn meine Figur nicht tut, was ich ihr sage. Zumindest muss sie immer zeigen, dass sie überhaupt auf meine Eingaben reagiert! Das war der Punkt, an dem ich mir überlegte, in welche Wand sich das Gamepad am besten einpassen würde.

Der Witz ist, dass die Entwickler ihren realitätsnahen Ansatz an anderer Stelle ohnehin beiseite schubsen – dort nämlich, wo ich nicht wählen darf, wie viele

Ist euer Profi physisch oder psychisch angespannt, gelingen präzise Schläge seltener.

Gewinnsätze bzw. -spiele ein Match innerhalb meiner Karriere dauern soll. Die Tatsache, dass keinem Gegner annähernd so viele erste Aufschläge misslingen wie seinem realen Vorbild, ist zwar vernachlässigbar, könnte echten Simulations-Fans aber ebenfalls ein Dorn im Auge sein. Und dass eine aufregende Spielsituation die Fähigkeiten der Profis ebenso negativ beeinflussen kann wie eine schlechte Fitness, ist großartig – hat aber leider kaum spürbare Auswirkungen. Nicht zuletzt deutet auch das halbherzige Ausnutzen des rechten Analogsticks (für kräftige Aufschläge, Lobs und Stops) darauf hin, dass Top Spin 3 nicht dort angekommen ist, wo es Pam wissen wollte. Risikoschläge, immerhin das Markenzeichen der Serie, sind selbstverständlich noch möglich: Mit dem rechten Schalter gelingen besonders harte Schläge, mit dem linken platziert ihr sie präzise in der gewünschten Ecke, die Kombination der beiden ist ebenfalls möglich – falls ihr das perfekte Timing beim Loslassen der Schlagtaste nicht verpasst.

Schwankende Form

Das ist eine weitere der guten Ideen, weil man so nicht abgehetzt am Ball ankommen und trotzdem wie ein junger Gott schmettern kann. Aber müssen verpatzte Risiko- (und sonstige) Schläge denn nach Schema F im Aus oder Netz landen? Die schlechte Ausführung wirkt jedenfalls zu starr, denn stimmt das Timing nicht, zieht das Programm den Ball automatisch zu vorgegebenem Punkt A oder B. Wieso wird es nach verpatztem Timing nicht bedeutend schwieriger, einen vermasselten Risikoschlag im gegnerischen Feld zu platzieren? Dann gäbe es zumindest die Möglichkeit, den Fehler im letzten Moment noch auszubügeln – meinetwegen mit einem ungefährlichen Lob. Die hier verwendete Ins-Aus-Automatik zerstört zwar keineswegs den Spielfluss, die Glaubwürdigkeit leidet aber drunter. Sie leidet auch bei gewöhnlichen Schlägen, denn schon das richtige Timing und ein kurzer Schwung des Analogsticks sorgen für einen gut platzierten Ball. Warum bleibt mir nicht wie im Vorgänger ausreichend Zeit, um die Bälle präzise ins gegnerische Feld zu setzen?