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The Surge 2 (Rollenspiel) – Kopf, Arm und Bein ab!

Vor zwei Jahren präsentierte Deck 13 mit The Surge ein innovatives Spiel in der Tradition der Soulsreihe, das bei uns gut abgeschnitten hat (Wertung: 82%). Mit eigenen Ideen wie den einzeln anvisierbaren Trefferzonen sowie dem Beutesystem konnten sich die Frankfurter von From Software emanzipieren. Was hat der Nachfolger des  Kampf-Abenteuers zu bieten?

© Deck13 / Focus Home Interactive

Rüstungen und Module

Es gibt nicht nur leichte, mittlere und schwere Rüstungen, die alle einzeln aufrüstbar sind und in einem kompletten Set von Kopf bis Fuß wertvolle Boni spendieren. Es gibt auch zig ein- und zweihändige Waffen von Schwertern, Speeren, Äxten, Hämmern bis hin zu Klauen und hybriden Klingen in zehn aufrüstbaren Stufen, die eigene Bewegungs-, Kombo- und Reichweitenmerkmale besitzen sowie evtl. Zusatzschaden wie Strom, Feuer, Nano etc. anrichten.

Es lohnt sich also, zu experimentieren! Im Zentrum der Charakterentwicklung steht der modulare Ausbau der eigenen Mech-Rüstung, der ein wenig Puzzle-Charme versprüht: Man hat nur begrenzt Platz für Module, die spezielle Eigenschaften wie

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Die Auswahl an Modulen wird immer größer: Aber welche baut man ein? Man hat nur begrenzt Energie. © 4P/Screenshot

Heilinjektionen, Energie- oder Ausdauerboni, weniger Gift- oder Nanoschaden, mehr Feindschaden oder diverse Hilfsanzeigen haben können. Wer Platz sparen will, kann übrigens auch die Statusanzeigen der Feinde oder die visuelle Hilfe bei Angriffen deaktivieren.

Weil diese Module unterschiedlich viel Energie benötigen, überlegt man immer, welche Kombo man für welches Areal oder welchen Boss aktiviert. Innerhalb bestimmter Intervalle des Aufstiegs schaltet man weitere Modulplätze frei, so dass ein sehr motivierender Kreislauf des Aufrüstens und Umverteilens entsteht. Fühlt man sich in Nioh z.B. eher erschlagen von der Beute, wird hier aus der Fülle ein kombinierbares Spiel, in dem man sowohl aus Modulen als auch Rüstungen eigene Sets für andere Situationen erstellen kann. So zeigt The Surge 2 auch, dass Kisten, Beute und Sammelei nicht per se schlecht sind, sondern unterhalten können – wenn man sie kreativ einbindet.

Reaktionen und Figurenverhalten

Warum habe ich bisher nicht viel zur Story gesagt? Weil die Geschichte innerhalb der totalitären Stadt von Jericho City keine all zu große Anziehungskraft entwickeln kann. Dafür wirken der Einstieg mit dem Absturz des Helden, die Fraktionen, Konflikte,
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Innerhalb der dystopischen Science-Fiction werden die Bewohner überwacht und von Polizeitruppen in Schach gehalten. © 4P/Screenshot
Figuren und Dramaturgie nur in Ansätzen interessant, aber meist zu durchschaubar oder bemüht konstruiert, zumal man nichts politisch beeinflussen kann, obwohl es zu Beginn tatsächlich noch so scheint, als würde hier etwas Deus Ex grüßen. Da wirkt es auch fast so, als könne man Begleiter rekrutieren, aber es bleibt bei der Drohne als Helfer.

Lediglich die Visionen eines verschwundenen Mädchens sowie das mysteriöse Monster, das seine Nano-Spuren hinterlässt und von einem Spezialtrupp gejagt wird, können als erzählerische Köder etwas länger neugierig machen. Trotzdem haben sich die Frankfurter erzählerisch gesteigert, indem sie über Audiologs und Gespräche ein dystopisches Bild zwischen Bladerunner und Fallout zeichnen, zumal sie immer ein Augenzwinkern und teilweise köstlichen schwarzen Humor parat haben – selbst innerhalb einer Quest kann man böse überrascht werden.


Dabei beweisen sie stellenweise mehr Fingerspitzengefühl als so manches ausgewachsene Rollenspiel: Es gibt eine Szene, in der man einem Händler etwas stehlen kann, das hinter der Theke rot leuchtet. Aber anstatt das einfach zuzulassen, beschwert

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Innerhalb der neun Sektoren werden auch kleine Geschichten erzählt. © 4P/Screenshot

sich der Händler und aus dem Diebstahl wird eine Quest um eine gescheiterte Beziehung, wenn man weiter nachfragt – genau solche Situationen sorgen für atmosphärische Verdichtung.

Die gelingt The Surge 2 hinsichtlich des Figurenverhaltens zwar nicht immer, wenn sich etwa die Jünger eines gerade getöteten Priesters über sein Fehlen wundern, während die ganze Stadt schon über seinen Mörder tratscht. Aber es lohnt sich, die Leute nicht nur nach erfolgreichen Quests, sondern auch nach Ereignissen wie Bosskämpfen nochmal anzusprechen. So entsteht zumindest etwas Rollenspielflair und die situative Illusion einer reaktiven Spielwelt. Allerdings kann man sich weder Fraktionen anschließen noch den Lauf der Geschichte beeinflussen. Lobend erwähnen muss man, dass das Spiel komplett auf Deutsch angeboten wird und die Sprecher einen guten Job machen.