Das spazierende Spiel

Man darf nicht vergessen: The Last of Us revolutioniert nichts. Und es inszeniert weder ein Storytelling-Experiment wie Dear Esther noch ein rätselhaftes Erlebnis wie Journey, sondern knallharte Triple-A-Action mit einem Drehbuch und Schauspielern, die auch vom alten Eastwood stammen könnten – das ist filmreife Unterhaltung mit toller Lokalisation. Die Spielmechanik zwischen Deckungsaction gegen Feindwellen und Erkundungsreizen inklusive Sammelei und Waffenaufrüstung ist altbekannt; zu Kampf, KI, Fähigkeiten und Rätseln später mehr. Aber gerade deshalb ist es so wichtig, dass Entwickler darüber hinausgehen, sich nicht nur in Zwischensequenzen an reifere Themen wagen, sondern auch die Art des Storytellings während des Spielens nach vorne bringen. Auch wenn das Echo von Uncharted immer wieder mit kleinen Rudimenten durch dieses lineare Abenteuer hallt, besitzt The Last of Us eine wesentlich erwachsenere Ansprache und reifere Dramaturgie.
Der erzählerische Hintergrund, also eine apokalyptische Welt, durch die sich Helden schlagen, ist ja nichts Neues. Vor allem nicht innerhalb eines Genres, das sich mit Survival und Horror auseinander setzt. Auch die Story von der plötzlichen Apokalypse inklusive Flucht von A nach B in der Hoffnung einer Rettung bedient zunächst Stereotypen. Aber es kommt nicht darauf an, was erzählt wird, sondern wie gut es erzählt wird. Was es in dieser Form nämlich noch nicht gegeben hat, auch nicht in The Walking Dead oder Heavy Rain, in 08/15-Shootern schon gar nicht, ist dieser außergewöhnliche Spiel- und Erzählrhythmus: Naughty Dog lädt immer wieder zum Spazieren und Nachdenken ein. Man bekommt Lust, das Tempo rauszunehmen, auf die Charaktere zu achten und den Dialogen zu lauschen. Es entsteht nach enormer Anspannung, die mal an den subtilen Horror von Silent Hill, mal an den Terror von Resident Evil ab Teil 4 erinnert, immer wieder eine Entspannung. Man atmet durch, wird zum Verweilen, Beobachten und Erkunden eingeladen. Achtet mal darauf, was Ellie alles nebenbei anstellt, was sie beobachtet und einsteckt. Ähnlich wie Elizabeth in Bioshock Infinite führt sie ein faszinierendes Eigenleben.
Idylle in der Zerstörung

Dass man auf dem Weg von Boston nach Utah immer wieder stehen bleibt, liegt natürlich auch an der fantastischen Kulisse, die idyllische Schönheit inmitten deprimierender Zerstörung zeigt– es gibt eine Szene, die einfach so wunderschön ist, dass ich minutenlang mit Ellie gestaunt habe. Schon das Licht durchflutete Fenster im Hauptmenü, durch das grüne Pflanzen in die Dunkelheit ranken, deutet den kontrastreichen Stil der kommenden Stunden an, der zum ebenso kontrastreichen Spielerlebnis passt. Man atmet regelrecht auf, wenn man aus finsteren Betonbunkern voller Freaks an die frische Luft kommt, durch Licht durchflutete Wälder oder Vororte im Abendrot spaziert. Die Natur ist hier genauso ein Symbol für die Hoffnung wie diese Mädchen.
Und Naughty Dog geht technisch einen Schritt weiter als noch in Uncharted: Obwohl man zu Beginn noch relativ begrenzte städtische Areale erkundet, öffnen sich die Gebiete im weiteren Verlauf, so dass man sich regelrecht verirren kann. Selbst dann ist die Hingabe der Grafikdesigner, was Kleinigkeiten innerhalb der Landschaft oder Gebäuden angeht, erstaunlich: Achtet mal auf den vereisten Fluss im verschneiten Wald, schaut euch das gestrandete Schiff an der Küste an. Selbst innerhalb von dunklen Kanälen und Katakomben, zaubern die Grafiker über flirrende Lichtschächte, durch die Decke wuchernde Bäume oder überflutete Areale so etwas wie Wildnisflair. Die Reise führt durch Regen und Sturm, bei Tag und Nacht, durch diverse Jahreszeiten – grafisch werden alle Register gezogen, die PlayStation 3 wird hier technisch ausgereizt.