25 Jahre lang hat Todd Howard laut eigenen Aussagen diese Idee im Kopf gehabt: Starfield. Ein Sci-Fi-Rollenspiel mit weit über 100 Stunden Spielzeit, gut 1.000 Planeten und mit all der Erfahrung, die Bethesda seit Morrowind gesammelt hat. Es ist ein riesiges Projekt, auch für Publisher Microsoft. Damit wirklich alles klappt, entschloss man sich verhältnismäßig kurzfristig 2022 dazu, dem Team zehn Monate zusätzliche Entwicklungszeit zu geben. Hat sich das gelohnt? Gehen mit Starfield die Träume zahlreicher Rollenspiel-Fans in Erfüllung? Oder ist das Abenteuer im Weltraum zu ambitioniert und mitunter vielleicht sogar zahnlos? Zeit für eine erste Bestandsaufnahme – und ab Seite 6 auch mit einem Eindruck zur Xbox Series S von unserem Zweittester Michael Sonntag.
Das liegt auch an der Weise, wie Starfield funktioniert: Wer sich in Skyrim dazu entscheidet, von Weißlauf aus in Richtung Flusswald aufzubrechen, der würde das besagte Örtchen nie und nimmer rechtzeitig erreichen. Zu verlockend sind die Ablenkungen abseits des Weges: Ein Räubercamp, ein verirrter Wanderer oder eben eine Höhle, die mich zu einem geheimen Schatz oder einem wertvollen Schwert führt. Manchmal ist es auch nur eine schicke Lichtung in einem Wald, die zum Verweilen und zum Abschweifen der Gedanken einlädt.
In Starfield funktioniert genau diese Vorgehensweise nicht. Man kann nicht direkt von Planet zu Planet oder von Sternensystem zu Sternensystem reisen, denn die Wege sind viel zu riesig. Stattdessen nutzt man den Grav-Antrieb, um in Sekundenschnelle die Distanzen zu überbrücken – immer verbunden mit einer kurzen Animation sowie einem Ladebildschirm (die gibt es übrigens auch in den Städten, wie New Atlantis, wenn man größere Gebäude betritt oder zwischen zwei Stadtteilen reist). Auch das Landen auf einem Planeten funktioniert keineswegs nahtlos, wie man es vielleicht aus No Man’s Sky kennt, sondern man muss zuvor eine der vordefinierten Landezonen anfliegen oder eine eigene festlegen, erneut verbunden mit einem Ladebildschirm. Der Weltraum dient meiner Erfahrung nach der Atmosphäre und den Kämpfen gegen feindliche Raumschiffe, aber einen Grund, minuten- oder gar stundenlang vor sich hinzutreiben, gibt es nicht.
Hat man irgendwann festen Boden unter den Füßen, dann folgt der Griff zum Scanner: Mineralien, Flora und
Fauna dürfen stets einzeln analysiert und abgebaut beziehungsweise geerntet werden. Was das kleine Wunderwerk der Technik auch anzeigt? Sämtliche Points of Interest, die sich in unmittelbarer Nähe der Landezone befinden. Per Knopfdruck sogar mit einer groben Bezeichnung, was mich da erwartet: Eine Höhle, eine Fabrik, eine natürliche Landschaftsformation und ähnliche Dinge. Das spannende Gefühl, bestimmte Gegenden von Hand und ganz ohne Führung entdeckt zu haben, wie es der eine oder andere in jüngerer Vergangenheit aus Elden Ring oder The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom kennt, kam so bei mir gar nicht auf. Stattdessen stellte ich ernüchtert fest: Starfield ist langweilig.
Bethesdas stärkste Story
Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht, denn Starfield glänzt mit einem Punkt, den ich so nie in einem Bethesda-Spiel erwartet hätte: Der Hauptgeschichte. Ich legte also den Drang, alles und jeden Zentimeter bestens zu erkunden vorerst beiseite, und schloss mich den Bestrebungen der Constellation und ihrer Jagd nach
den Artefakten an. Zugegeben: Die Story benötigt etwas Zeit, um richtig in Fahrt zu kommen, denn es geht in den ersten Stunden nur darum, zu verschiedenen Planeten zu reisen und dort weitere Stücke des mächtigen Metalls zu finden.
Stück für Stück zieht die Spannung aber an: Was hat es mit diesen Artefakten auf sich? Was sind das für Visionen und warum werden sie immer nur bei der Person ausgelöst, die als erstes ihre Finger dranhält? Und noch viel wichtiger: Woher stammt dieses Metall? Es gibt viele Fragen, die die Autoren innerhalb der Geschichte mal mehr und mal weniger zufriedenstellend beantworten – inklusive eines doch verhältnismäßig überraschenden Twists. Ohne zu viel verraten zu wollen: Bethesda greift Themen wie Religion, den Ursprung des Universums und die Frage auf, ob wir als Menschheit tatsächlich alleine im Weltraum sind. Einen frischen Blick liefert man zwar nicht, dafür aber wird der Großteil, der zwischenzeitlich auch auf eine gewisse wissenschaftliche Überheblichkeit anspielt, kompetent und spannend erzählt, was in gewisser Weise ein Novum für das moderne Bethesda ist.
Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass Starfields Kampagne das beste Bethesda-Werk seit The Elder Scrolls 3: Morrowind ist. Es gab tatsächlich nur wirklich wenige Dialogzeilen, wo ich mit den Augen rollen musste oder vor Fremdscham lieber gestorben wäre. Dazu tragen auch die Begleiter bei, die man schon recht früh um sich
scharen darf: Anders als zum Beispiel in Fallout 4 stach von ihnen im Laufe der Spielzeit keiner besonders negativ heraus. Ganz im Gegenteil, manche waren sogar wirklich interessant geschrieben, wie zum Beispiel der alleinerziehende Vater und Pseudo-Cowboy Sam Coe. Wirkte dieser in den ersten Minuten mit seinem Auftreten noch abschreckend, konnte ich mich mit ihm und seiner Tochter Cora, die permanent an Bord des Raumschiffs bleibt, immer stärker anfreunden. Zum einen, weil Sams Hintergrund mit seiner Ex-Frau, einer viel zu frühen Schwangerschaft und lauten Streitereien, die man vor dem Kind geheim halten will, einem nur allzu bekannt vorkam. Auf der anderen Seite war Cora, anders als viele andere kindliche Charaktere in Videospielen, nie im Weg und auch keineswegs nervig geschrieben.
Lediglich bei den Romanzen kann Bethesda noch jede Menge lernen, unter anderem vom jüngst veröffentlichten Baldur’s Gate 3. Romantik und Flirten existiert zwar in Starfield, aber so richtig überzeugend ist das im Gesamten nicht. Schade.