So bewegt sich die Shooter-Serie auf einem Terrain, das von Konami und Ubisoft beackert wird: Stealth-Action. Und schaut man genauer hin, finden sich zahlreiche Elemente, die man entweder aus MGS 5: Ground Zeroes oder den letzten Sam-Fisher-Abenteuern kennt. So kann man z.B. bis zu sieben Ziele mit seinem Fernglas „markieren“, was dazu führt, dass ihre Silhouetten auch durch massive Wände hindurch zu sehen sind. So hat man immer eine Übersicht, wo Gefahr lauern könnte – insofern man das Gelände vorher ausgekundschaftet hat. Natürlich kann man auch versuchen, stets und überall zu improvisieren. Doch dann hat man selbst auf den niedrigen Schwierigkeitsgraden kaum eine Überlebenschance. In der Sniper-Elite-Welt bleibt nur am Leben, wer zumindest ansatzweise einen Plan hat und auch mal im Schatten bleibt, um seine Chance zu nutzen – oder wer die dynamische Geräuschkulisse nutzt, um seine Schüsse zu übertünchen. Man kann sogar eine Entdeckung seitens der Feinde für seine Zwecke nutzen. Denn haben die Feinde Verdacht geschöpft und nehmen die Suche auf, hat man noch Zeit, seinen Standort zu wechseln. Es bleibt nur ein „Geist“ an der Stelle zurück, an der man gesehen oder vermutet wurde. Unter entsprechenden Umständen kann man sogar einen „Geist“-Erfahrungspunkt-Bonus hinzugewinnen, wenn man aus dem nun möglichen Hinterhalt zuschlägt. In seinen besten Momenten erreicht Sniper Elite 3 mit dem neu gewonnenen Schleich- und Hinterhalt-Fokus ein sehr intensives Spannungsniveau.
Genie und Wahnsinn
Traditionell in Shootern eher vernachlässigt, konnte man angesichts des linearen sowie actionorientierten Ansatzes der Vorgänger über die eher schwache KI hinweg sehen. Jetzt, in einer offeneren Welt und mit frischen, auf Schleichen fokussierten Mechanik ist die Spannung und der Spaß deutlich abhängiger von den Routinen, mit denen die Gegner durch
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die Abschnitte bewegt werden. Und leider haben sie nicht genug Fortschritte gemacht, um mit der mechanischen Entwicklung Schritt halten zu können. Haben die Feinde einen erstmal im Visier oder die Verfolgung aufgenommen, reagiert die KI gut – mitunter sogar zu gut. Dann antizipiert sie sogar mein Hervorlugen aus der Deckung schneller, als ich den Gedanken habe – fast so, als würde das Spiel den Impuls aus dem Pad zuerst an die KI schicken. Aber okay, das kann ich schlucken und unter dem Stichwort „fordernd, aber gelegentlich unfair“ abhaken. Auf der anderen Seite lässt sie sich jedoch sehr schnell übertölpeln und ich konnte haufenweise Situationen beobachten, in denen sie nicht auf mich reagiert, obwohl ich nur noch wenige Meter von ihr entfernt bin. Dass zudem nach Entdeckungen von Leichen (meist gute initiale Reaktionen der Feinde) die gegnerischen Soldaten nach ablaufen des Timers ihre Arbeit aufnehmen, als ob nichts gewesen wäre und wieder ihre vorgegeben Patrouillen aufnehmen, ist bedauerlich und macht das Verstecken der leblosen Körper überflüssig.
Es gibt drei Verhaltensweisen: Routine (Patrouille bzw. „dumm“ herumstehen), Verdacht bzw. Suche sowie Angriff. Ohne Zwischenstufen oder graduierliche Veränderungen. Das geht so weit, dass nach einer Suche das „All Clear“ eingeblendet wird und die Gegner wieder die Aufmerksamkeitsspanne haben, als ob nichts passiert wäre. Quasi das Zweitweltkriegs-Gegenstück zum „Blitzdingsen“ der Men in Black. Spannender und interessanter wäre es, wenn einige des Afrika Korps z.B. nach und nach panisch würden und vielleicht sogar desertieren würden. Oder wenn sie sich schließlich zusammenrotten, weil sie feststellen, dass sie die einzigen vier sind, die von ursprünglich vielleicht 20 oder 30 übrig sind. Doch wie man es dreht und wendet, kann man die Schwächen der KI sehr schnell ausnutzen. Entweder, indem man mit der schallgedämpften Pistole von Vorsprung zu Vorsprung huscht und alle nacheinander ausschaltet – mitunter reagieren die Feinde nicht einmal, wenn man bei einem Dreiertrupp den etwa einen halben Meter hinter den anderen zwei gehenden
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Kameraden niederstreckt . Oder indem man versucht, aus dem Hinterhalt einen sofort tödlichen Nahkampf-Angriff zu starten. Der ist im Übrigen zu mächtig und verspricht sogar frontal zu viel Erfolg. Mit diesen teilweise nicht mehr intelligent zu nennenden Verhaltensstörungen der Kontrahenten beraubt sich Sniper Elite 3 seines Potenzials.
Shooter-Design statt Open-World-Variabilität
Beim grundlegenden Missionsdesign hält Rebellion im Gegensatz zu den Basis-Mechaniken zu sehr an Elementen fest, die eher in einen linearen Shooter passen würden: finden, töten, zerstören. Man hat eine große offene Welt zur Verfügung, in die von den Designern haufenweise Optionen gepflanzt wurden, um unentdeckt zu bleiben. Und es ist nichts Besseres eingefallen als diese Standardaufgaben. Wie wäre es denn z.B. damit gewesen, dass nur bestimmte Soldaten getötet werden dürften? Immerhin hätte man dadurch das Auskundschaften gefördert. Oder das die Belohnung am Ende höher ausfällt, wenn man möglichst wenige Leichen hinter sich zurücklässt? Dies hätte zu einem Umdenken und Ausprobieren anderer Herangehensweisen geführt. Doch hier bleibt Sniper Elite 3 zu sehr in seinen Shooter-Wurzeln verhaftet, bei denen man nur dann erfolgreich ist, wenn der Abschnitt leer geräumt wurde. Da der gut funktionierenden Ballermechanik per se kein Vorwurf gemacht werden kann, wird man in dieser Hinsicht solide unterhalten. Doch letztlich führt alles darauf hinaus, dass man alles feindliche Leben im Kriegsgebiet vernichtet.