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Resident Evil 6 (Action-Adventure) – Resident Evil 6

Als Capcom zum ersten Mal live Spielszenen aus Resident Evil 6 präsentierte, war ich erleichtert. Immerhin gab es vorher Schlagzeilen, die das Call of Duty-Gespenst an die Wand malten. Aber in der Haut von Leon S. Kennedy erforschte man für eine Stunde ein düsteres Areal – fast wie in alten Zeiten. Als die Japaner danach betonten, dass sie an die Tradition der Reihe anknüpfen und den Horror auf eine neue Ebene bringen wollen, habe ich mich richtig auf diesen Test gefreut.

© Capcom / Capcom

Der Absturz mit Chris Redfield

[GUI_PLAYER(ID=97822,width=400,text=Spätestens mit Chris mutiert das Spiel zum 08/15_Shooter.,align=right)]Mit der Kampagne rund um Muskelmann Chris Redfield und dessen neuem BSAA-Partner Piers Nivans erreicht RE6 endgültig seinen Tiefpunkt. Rätselelemente sucht man vergebens und jeder Ansatz von Atmosphäre geht schon nach wenigen Sekunden im Kugelhagel sowie der Aneinanderreihung von Explosionen unter. Das ist kein Survival-Horror, sondern nur noch plumpe Action von der 08/15-Stange mit einem fummeligen Deckungssystem, Kameraproblemen und einer unterirdischen KI.

Wenn Chris und Piers ihre Wrestling-Moves auspacken, wild um sich ballern und ganze Horden von Mutationen wegpusten, stirbt auch alles, was den Reiz der Resident Evil-Reihe einmal ausgezeichnet hat. Spätestens, wenn man im dritten Kapitel die strunzdoofe Schienensequenz hinter dem Geschütz eines Jeeps erlebt, bei der man minutenlang nicht mal einen Schuss abgeben muss, legt man den Controller angewidert zur Seite und hat keine Lust mehr, sich weiter mit dem Action-Duo zu quälen.

In Momenten wie diesen befindet sich Resident Evil 6 auf dem Niveau des grottigen Ablegers Operation Raccoon City. Hinzu kommt, dass auch die Rachestory rund um Gedächtnisverlust und die Jagd auf Ada Wong nicht recht in Fahrt kommen will. Selbst das Gegnerdesign ist grenzwertig: Wenn die maskierten J‘Avos plötzlich ihre dünnen Monsterstelzen ausfahren und zum Gewehr greifen, wirken sie auf mich eher lächerlich als bedrohlich. Da sind die Licker oder Hunter aus früheren Teilen ein ganz anderes Kaliber…  
Tatsächlich fällt es schwer, der Chris-Kampagne abseits der gelungenen Musikuntermalung und gut inszenierten Videosequenzen inhaltlich etwas Positives abzugewinnen. Vielleicht der Kampf gegen die unsichtbare Riesenschlange, der sich zwar zu sehr in die Länge zieht, aber zumindest Erinnerungen an den ersten Teil der Reihe weckt, der gegen diese Billig-Action immer noch wie ein Meisterwerk wirkt. Überhaupt sind es in erster Linie die Begegnungen mit den gut designten Bossgegnern, an denen man sich festhalten kann, auch wenn die Kämpfe nicht sonderlich anspruchsvoll ausfallen.

Die Schleichgrundschule mit Ada

[GUI_PLAYER(ID=9447,width=400,text=Wenn man die drei Szenarien mit Leon, Chris und Jake gespielt hat, schaltet man Stealth-Action-light mit Ada Wrong frei – auch sie hat fünf Kapitel.,align=right)]Bevor wir uns zu lange mit Jake aufhalten, dem Sohn von Wesker: Er muss einfach öfter in den Nahkampf als Chris, findet etwas weniger Munition, aber spielt sich genauso öde. Interessant wird es erst, wenn man nach ihm Ada Wong freischaltet. Denn: Hurra, man ist endlich alleine unterwegs! Und nochmal hurra, denn es scheint weniger explosiv, sondern subtiler zuzugehen! Immerhin soll die mysteriöse Asiatin eine Anlage möglichst lautlos infiltrieren. Aber die  Stealth-Action entpuppt als Fatamorgana: Ada rennt laut trippelnd die Treppe runter, zerstört mit einem Roundhouse-Kick krachend ein paar Kisten und die Wache ein paar Meter weiter? Lässt sich kurz darauf von einem Stealth-Kill überraschen! Sie kann keine Lampen ausschießen, muss sich nicht großartig um Patrouillenwege scheren – wer ihr den Rücken zukehrt, ist in null Komma nichts erledigt.

Zwar macht das lautlose Armbrustschießen und durch Tunnel kriechen einigermaßen Laune. Nicht in erster Linie weil die Kamera die ganze Zeit den wohl proportionierten Lederarsch von Ada ins Visier nimmt, sondern weil ihre Spielweise zunächst einen Kontrast zum Geballer von Chris & Co darstellt. Aber auch das wird nur als Lightversion inszeniert. Richtig übel wird es, wenn Ada mal Alarm auslöst und ein halbes Dutzend aggressiver Wachen auftauchen, nur um an einer Treppe anzuhalten und auf den Boden der obersten Stufe zu feuern. Etwas weiter darunter liegt klar sichtbar Ada auf dem Rücken und kann jeden einzelnen der strunzdummen Feinde ganz gemütlich anvisieren und zwischen die Augen schießen – spätestens hier ist jegliche Illusion von Gefahr verflogen.