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Pro Evolution Soccer 2016 (Sport) – Zurück zum Zauberfußball?

Konami feiert das 20-jährige Jubiläum seiner Fußballreihe, die in Japan seit 1995 unter dem Namen „Winning Eleven“ bekannt wurde und Anfang bis Mitte der 2000er viele Platinerfolge feierte. Dann stagnierte der Kick, bevor es letztes Jahr endlich wieder aufwärts ging – zumindest hinsichtlich der Spielmechanik sowie Präsentation. Aber Konami verbockte nicht nur den Online-Modus, sondern kopierte FIFAs Ultimate Team mehr schlecht als recht in myClub, strich die Online-Meisterliga und präsentierte eine komplett sterile Karriere sowie schwache Computergegner selbst auf hohen Stufen – Wertung: 70%, befriedigend. Wie sich Pro Evolution Soccer 2016 schlägt, verrät der Test.

© Konami / Konami

Stadion- und Fankulisse auf gutem Niveau

Letztes Jahr hatte man bekanntlich mit der Fox Engine dafür gesorgt, dass die Stadion- und Fankulisse endlich ein Niveau erreichte, das zum Hinsehen und Aufdrehen der Boxen animierte – Zuschauer, Gesänge & Co konnten deutlich zulegen und damit eine alte Schwäche ausmerzen . Dieses Jahr ist zwar kein Sprung zu erkennen wie noch von PES 2014 auf PES 2015, außerdem muss man auf der Xbox One weiter mit grafischen Defiziten leben (kein 1080p, flimmernde Zuschauer, pixelige Nahansichten), zumal es noch einige matschige Altlasten im Hintergrund, unpassende Schlachtrufe  sowie Profis gibt, die vor dem Spiel eher wie Zombies mitsingen. Schade auch, dass der Rasen in Zeitlupen oft wie ein glatter Gummibelag ausschaut, wo er bei Ecken, Anstoß & Co noch wie ein Teppich wirkt.

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Weil sich auch Statur und Gewicht auswirken, kann man tolle Zweikämpfe beobachten. © 4P/Screenshot

Neben etwas besserer Beleuchtung bei Flutlichtspielen ist mit dem dynamisch einsetzenden Regen zumindest ein Detail hinzu gekommen, das auch sichtbare Folgen hat. Schon im Vorfeld kann man ja die Rasenlänge in drei Stufen festlegen, so dass der Platz eher stumpf oder schnell gemacht wird. Der Regen wirkt sich zusätzlich auf das Tempo der Pässe sowie die Höhe der Aufsetzer aus und sorgt dafür, dass die Profis nach einem Sprint schwerer anhalten, vielleicht taumeln oder sogar ganz ausrutschen. Ansonsten hat Konami mehr emotionale Animationen in petto, wenn es um strittige Szenen und das Lamentieren der Profis geht; dann wird der Schiri belagert oder nach einer Niederlage auch mal ein Kollege zusammengefaltet.

Gepfiffen wird englisch blutig

Dass das Spiel so schön fließt, liegt auch an den liberalen Schiedsrichtern: Die Regelauslegung ist sehr freizügig, man könnte auch sagen englisch blutig. Sie pfeifen selbst dann nicht, wenn die Grätsche  dafür sorgt, dass sich die Profis schon auf dem Boden wälzen und das Publikum entsprechend empört kocht. Die Animationen sind bei derartigen Zweikämpfen übrigens klasse: da wird gerangelt und geschoben, gestolpert und getaumelt.

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Kommt der tödliche Pass? Lieber flach oder hoch? Das Spielgefühl wirkt reifer als letztes Jahr. Es gibt übrigens auch eine neue Kameraperspektive mit dynamischem Weitwinkel. © 4P/Screenshot

Ich habe in meiner Saison mit 40 Spielen gegen die KI nicht eine rote Karte gesehen, auch nicht für andere Mannschaften, und gelbe Karten gibt es eigentlich nur, wenn man tatsächlich von hinten attackiert. Wie finde ich das? Gut, zumindest offline!  So gibt es weniger Unterbrechungen, zumal die Schiedsrichter nicht mit zweierlei Maß messen, sondern konsequent ihren Stiefel durchziehen. Darauf kann man sich in der Verteidigung dann auch sehr gut einstellen.

Das Tor des Jahres ist überall – oder: Kommentare abschalten

Damit da keine Missverständnisse aufkommen: Ein Fußballspiel könnte auch mit den schlechtesten Kommentaren der Welt unsere höchste Auszeichnung erobern – man kann sie ja abschalten. Es ist trotzdem schade, dass sich in diesem Bereich so wenig Kreatives tut und man schneller als einem lieb ist von Deutsch auf Englisch schaltet. Die meisten Sprüche von Hansi Küpper kennen PES-Spieler mittlerweile auswendig, aber sie sind zumindest kerniger und lebendiger als das, was Marco Hagemannn da so nüchtern abliest – da ist selbst in brisanten Szenen einfach zu viel wenig Emotion drin.

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Lust auf Champions League? es muss nicht Florenz oder Petersburg sein: Bayern, Wolfsburg und Gladbach sind als deutsche Clubs dabei. © 4P/Screenshot

Noch schlimmer als das Gesprochene ist aber die teilweise falsche situative Abmischung: Manchmal wird von einer Blutgrätsche fabuliert, obwohl man ohne Pfiff des Schiris den Ball eroberte; und viel zu oft wird schon ein Treffer von Hagemann & Co intoniert, obwohl der Ball klar vorbei ging – das ist natürlich Realsatire. Lobenswert ist allerdings, dass es auch einige frische Kommentare gibt, die sich nach dem Anpfiff z.B. um den potenziellen Schlüsselspieler drehen oder auch eine gewonnene Meisterliga nach dem Anstoß der neuen Saison thematisieren.

Aber unterm Strich stimmt die Balance der Superlative einfach nicht, denn die kommen viel zu häufig und passen nicht. Ich weiß nicht, von wie vielen angeblichen „Traumtoren“ oder „Welttoren“ oder „Toren des Jahres“ die beiden lautstark schwärmten, obwohl man den Ball einfach abstaubte oder recht unspektakulär einnetzte. Und warum kommentiert man nicht mal Abseits etwas kritischer? In einigen Wiederholungen ist deutlich gleiche Höhe zu sehen, aber das wird nicht diskutiert.